Neulußheim. Über Irland gibt es viele hartnäckige Klischees: grüne Wiesen, verregnetes Wetter und rothaarige, trinkfeste Einwohner. Musiker Seán Treacy will beweisen, dass derlei Pauschalitäten nicht auf die Musik der grünen Insel zutreffen. Die irische Musikkultur habe mehr zu bieten als verstaubte Folksongs oder Kneipenhits, die nur in Kombination mit einem großen Fass Whiskey Ästhetik entfalten können. Zusammen mit seiner kultigen „Seán Treacy Band“ macht er bei einem sehr kurzweiligen und abwechslungsreichen Konzert im Alten Bahnhof Neulußheim die musikalische Vielfalt Irlands erlebbar.
Das Ziel der Band ist klar: „Wir wollen zeigen, wie vielfältig die irische Musik sein kann. Bei uns gibt es eben nicht nur Volksmusik – Thin Lizzy und U2 sind dafür die besten Beispiele“, meint Bandleader Treacy. Zusammen mit Andreas Bock, Stefan Buchholz und seinem Sohn John Treacy als Special Guest soll im Alten Bahnhof in wenigen Minuten ein Stück Dublin entstehen. Mit einem eisgekühlten „Kilkenny“-Bier in der Hand und einer großen Portion musikalischer Leidenschaft im Herzen betrat die Band die Bühne.
Es passt zu ihrem humorvollen Auftreten, dass der erste Song des irischen Konzertabends aus der Feder eines Engländers stammt: Ewan MacColl. Dennoch landen die sympathischen Musiker mit dem Kulthit „Dirty Old Town“ von den „Pogues“ einen Volltreffer.
Seán Treacy Band in Neulußheim: Feierlaune reißt nie ab
Der voll besetzte Zuschauerraum wippt und schunkelt fleißig im Takt. Einige glänzen sogar mit Textsicherheit und singen lauthals mit. Die nie abreißende Feierlaune des Publikums gibt der Band tüchtig Rückenwind. Mit erstaunlicher Leichtigkeit gelingt es ihr, den musikalischen Nerv der Besucher immer wieder zu treffen.
Das Konzertprogramm schreckt keinesfalls vor Kontrasten zurück. Griffige, rockige Gassenhauer wie „The Wild Rover“ von Luke Kelly den „Dubliners“ oder „Going to my Hometown“ von Rory Gallagher werden von traditionellen Nummern wie dem über die Muschelverkäuferin „Molly Malone“ oder leichtfüßigen Balladen wie „Dancing in the Moonlight“ von Thin Lizzy umgarnt. Dieser musikalische Balanceakt fesselt das Publikum zunehmend und entlockt den Hörern immer lautere Begeisterungsrufe.
Jedes Konzert hat einen besonders elektrisierenden Moment, bei dem absolute Ekstase entsteht. Bei diesem sind es zwei. Das erste Mal geschieht es, als Seán Treacy seinen selbst geschriebenen Song „Watch out!“ zum Besten gibt. „Ich habe in den Siebzigerjahren angefangen, diesen Song zu schreiben und wurde in den Neunzigern fertig“, berichtet er und fügt scherzhaft „Ja, es ist ein sehr langer Song hinzu.
Seán Treacy Band in Neulußheim: Hommage an Rory auf der Fiddle
Die Motivation, eigene Musik zu erschaffen, kommt nicht von ungefähr. Treacy sagt, er wollte zu den ganz Großen gehören: „Ich wollte der nächste Bob Dylan werden und mit meiner Musik die Welt verändern. Nie wieder Krieg oder Atomkraft“, schmunzelt der Musiker.
Den zweiten magischen Moment lieferte Sohn John Treacy mit seiner Interpretation von Gallaghers „Going to my Hometown“. In eindrucksvollen Minuten zeigt er, wozu eine irische „Fiddle“ in der Lage ist – im Publikum gibt es kein Halten mehr.
Nach einem zweistündigen Musikfest im Alten Bahnhof dürfen sich die Musiker über Beifall freuen, der seinesgleichen sucht. Er gilt einem Abend der musikalischen Kontraste und Vielfalt, der zusammen mit vielen originellen Anekdoten von Seán Treacy das Publikum verzückt.
Wer nach dieser Show noch glaubt, irische Musik sei eintönig, sollte sich die Watte aus den Ohren nehmen!
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