Neulußheim. Das Telefon klingelt und am anderen Ende herzerweichendes Schluchzen, kaum verständlich. Durch Gespräche wird dann Vertrauen geschaffen. Der alten Dame oder altem Herrn klopft das Herz. Ein Szenario, mit dem die Besucher von „Aktiv im Alter“ beim Treffen im evangelischen Gemeindehaus konfrontiert wurden.
„Rate mal, wer am Telefon ist?“ Dann wird ein finanzieller Engpass vorgetäuscht und um hohe Bargeldbeträge gebeten, weil das Geld aufgrund einer Notlage sofort benötigt wird. Durch mehrere Telefonanrufe in kurzer Zeit erhöhen die Täter den psychischen Druck auf die Senioren, verbunden mit Appellen wie: „Hilf mir bitte!“ Die Betrüger bitten um absolute Verschwiegenheit.
Stopp – jetzt sollten alle Alarmglocken läuten, denn jetzt beginnt das, was sich eigentlich niemand vorstellen kann, der es nicht selbst erlebt hat. Betrüger haben jetzt meist ein leichtes Spiel. Die Masche ist bekannt. Es wird dringend Geld gebraucht damit man nicht im Gefängnis wegen eines Unfalls landet, oder was es dergleichen noch an Geschichten gibt. Und Oma oder Opa sollen unter zeitlichem Druck mit ihrem Ersparten schnell helfen.
Keine falsche Scham
„Wie konnte mir nur so etwas passieren, warum bin ich auf diese Betrüger hereingefallen?“ Die Scham natürlich groß, zu peinlich der Weg zur Anzeige. Das lang ersparte Geld weg. Und das wissen die Betrüger. Ihre Vorgehensweisen ändern sich täglich. Mal kommt ein angeblicher Polizeibeamter, Bankmitarbeiter oder nicht bestellter Handwerker an die Tür.
Kulturamtschefin Alexandra Özkalay hatte zum einen Polizeioberkommissar Marvin Axtmann vom Polizeirevier Hockenheim und zum anderen Kriminalhauptkommissarin Patricia Wickert vom Polizeipräsidium Mannheim gewinnen können, deren Ziel es war, mit einer Bildpräsentation „Sicher Leben“, Kriminalprävention für Ältere und Junggebliebene zu leisten, Ratschläge und wirkungsvolles Verhalten zu vermitteln, um Betrügern keine Chance zu geben.
Österlich dekorierte Tische luden zuvor zur Stärkung bei Kaffee und Kuchen ein und Pfarrerin Katharina Garben animierte die zahlreich erschienenen Senioren zum Mitsingen des Frühlingslieds „Wem Gott will rechte Gunst erweisen“.
Der hochinteressante Vortrag von Patricia Wickert begann mit den sechs Regeln der Bürgerrechte und Bürgerpflichten: Hilf, aber bring dich nicht selbst in Gefahr oder bitte andere gezielt um Hilfe, kümmere dich um das Opfer, ruf die Polizei unter 110, sage als Zeuge aus und präge dir Tätermerkmal ein. Das konnten die Senioren gleich beweisen, indem abgefragt wurde, was der helfende Ehemann von Alexandra Özkalay, Necip, während des Kaffeeeinschenkens anhatte. Das war gar nicht so einfach. Ja, die roten Schuhe und die Kaffeekanne, die dunkle Jacke, der gepflegte Bart.
Hilfsbereit zu sein, sei eine gute Eigenschaft, so Wickert und lasse sich nicht so schnell abtrainieren. „Aber warum kommt ein Betrüger gerade an meine Tür und bittet um ein Glas Wasser oder um Essen? Täuscht einen Toilettengang vor oder will Blumen oder ein Paket für Nachbarn abgeben?“ Hier der eindringliche Rat der Polizei: Lassen Sie niemanden in ihre Wohnung. Weder nicht bestellte Handwerker und Amtspersonen oder Abo-Verkäufer. Ein Zettel ist nur ein Vorwand um einen weiteren Täter in die Wohnung zu lassen. „Lassen Sie sich bei vorgelegter Sperrkette einen Ausweis zeigen und rufen sie die genannte Firma an, schließen sie zuvor die Tür“, so die Polizistin.
Telefonbetrug und Schockanrufe
Telefonbetrüger haben es auf Geld oder Wertgegenstände abgesehen. Den Betroffenen werde Hilfsbedürftigkeit oder eine Notsituation eines Enkels oder Verwandten vorgegaukelt. „Gott sei Dank gibt es gut geschulte Bankmitarbeiter, die aufmerksam sind“, betont die Expertin und fügt hinzu: Die Täter begleiten sie stets im Hintergrund und warten nur darauf, dass sie zu Hause ankommen.
Tipp der Polizei: „Legen Sie den Hörer auf und versuchen Sie, Ihre Angehörigen zu erreichen. Rufen Sie die Polizei an – 110 – oder die örtliche Polizeidienststelle. Löschen Sie Ihre Adresse aus dem örtlichen Telefonbuch. Auch ihr älterer Vorname ist ein Hinweis für die Täter.“
Auch Schockanrufe angeblich verletzter Angehöriger und dringend benötigte OPs seien Versuche, viel Geld zu bekommen. Tipp der Polizei: „Atmen Sie durch, damit Ihr Gehirn klar denken kann. Hier werden ihnen Storys erzählt. Meistens in Alltagssituationen heraus werden sie mit vorgetäuschten Unfällen konfrontiert. Auch hier: Legen Sie den Hörer auf.“
Auch die neue Masche, eine Nachricht auf dem Smartphone mit einer Whatsapp oder SMS, dass eine neue Nummer gespeichert werden soll oder für den angeblich Verwandten, der sein Handy verloren hat, eine Überweisung zu tätigen, ignorieren, löschen. „Und schalten sie ihren Anrufbeantworter an. Dieser schützt bei fremden Anrufen“, rät Wickert.
Und was den Senioren am Ende des Vortrags mitgegeben wurde, war, dass niemand von der Polizei Wertgegenstände zur Sicherung abholt, niemals auf dem Telefon die Nummer 110 erscheint. „Sprechen Sie mit ihren Bekannten, wenn Ihnen etwas komisch vorkommt, werden Sie laut an der Tür, wenn Sie sich bedrängt fühlen und holen Sie sich Rat und Hilfe bei der Polizei. Und wenn Sie Opfer einer Straftat wurden, schämen Sie sich nicht, sprechen mit der Familie und der Polizei. Hilfe für kriminelle Opfer erfährt man auch durch den Weißen Ring“, lautete der letzte Tipp der Polizisten an die Zuhörer.
Die Senioren gingen an diesem Nachmittag nicht nur mit einigen Broschüren zu mehr Sicherheit im Alltag nach Hause, sondern mit einem guten und sicheren Gefühl, Tipps bekommen zu haben, Fehler zu vermeiden und bestmöglich vorbereitet zu sein, damit Täter keine Chance bekommen.
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