Neulußheim. Während im vergangenen Jahr der Regen den aus dem irischen Kilkenny stammenden Seán Treacy und seine drei Mannen in den Bahnhof gezwungen hatte, trotzten der Wahl-Karlsruher und seine vielen Fans dem meteorologischen Unbill diesmal und zelebrierten einen „traditionellen“ Sonntagsfrühschoppen im Freien: Mit Schirm, Charme und jeder Menge guter Laune hielten Hunderte Gäste dem immer wieder einsetzenden Nieselregen stand und feierten zusammen mit dem längst zum Standard-Programm des Frühschoppens gehörenden Treacy eine musikalische Gartenparty vom Feinsten.
„Ein ganz normaler irischer Sommer“, feixte das musikalische Urgestein von der Insel, sekundiert von einer ebenso fröhlichen Kulturamts-Chefin Alexandra Özkalay, die klarstellte: „Wir sind ja nicht aus Zucker“. Tatsächlich hatten die „Early Birds“ unter dem treuen Frühschoppenpublikum den Garten des Kulturzentrums „Alter Bahnhof“ bereits eineinhalb Stunden vor dem – mit der „Crowded House“-Hymne „Weather with you“ extrem passenden – Auftakt geentert und sich vom wie immer ordentlich geforderten Cateringteam des Kulturtreffs, ohne das in der „guten Stube“ der Vier-Sterne-Gemeinde inzwischen nichts mehr geht, verköstigen lassen: Erst mit Kaffee, zum hitzigen Konzert dann mehr mit „Hugo“ und sonstigen kalten Getränken zur heißen Wurst.
Mischung aus Altbekanntem, Gerngehörtem und gewitzten Überraschungen
Für die Feierlaune sorgte die Seán-Treacy-Band mit einer gelungenen Mischung aus Altbekanntem, Gerngehörtem und auch einigen gewitzten Überraschungen. Das musikalische Viergestirn, das schon Jahre lang halbjährlich mal in der Open-Air-Saison, mal im Winter im Alten Bahnhof gastiert, hat zwischen Gassenhauer wie den „Creedence Clearwater Revival“-Hit „Rolling on the River“, der 1969 von CCR-Mastermind John Fogerty unter dem ursprünglichen Titel „Proud Mary“ geschrieben wurde, den klassischen Southern-Rock-Titel „I know a little“ der US-Rocker von „Lynyrd Skynyrd“, und die im Regen zum Protest-Song avancierenden „Boys of Summer“, für deren Musikvideo Komponist und Sänger Don Henley 1985 den „MTV Video Music Award“ abräumte, einige Überraschungen gestreut, die sich hören lassen konnten.
Mag man – insbesondere als Fan des zweiterfolgreichsten zeitgenössischen Musikers in Deutschland - beim Herbert-Grönemeyer-Klassiker „Was soll das“ noch den augenzwinkernden Hinweis Treacys, er sei „der einzige Ire auf der Welt, der Grönemeyer versteht“ als Trost für eine eher exotische Interpretation gebraucht haben, gab es beim Ozzy-Osbourne-Tribute „Paranoid“ kein Halten mehr. Das ohnedies sangesfreudige Publikum brachte sich hier ebenso lautstark sängerisch ein wie schon bei „Brown Eyed Girl“, einem Song des nordirischen Van Morrison, mit dem Bassist Claus „Bubi“ Bubik die begeisterten Gäste in eine Art „Treacy-Chöre“ verwandelte. Noch einen drauf legte der Percussionist Stefan „Buchi“ Buchholz: Udo Lindenbergs 1973 erschienenes „Cello“, mit dem sich der gespreizte Bundesverdienstkreuzträger 2011 zusammen mit Clueso höchst erfolgreich selbst coverte, gab der Trommler mit einer Hingabe und Würde, die ihresgleichen sucht.
Jeder Song ist beseelt von einer ehrlichen, unverblümten Hingabe an die Musik
Überhaupt ist der Sound der Seán-Treacy-Band seit nun fast 30 Jahren verlässlicher Stimmungsgarant und gleichzeitig ein Hort musikalischer Qualität: Das Quartett um den kauzig-kultigen Ausnahmesänger schrammelt nicht einfach Coversongs runter – bei den Treacys ist jeder Song beseelt von einer ehrlichen, unverblümten Hingabe an die Musik, durchdrungen von Hochachtung für die Originalsänger und von einer charakterstarken, einfallsreichen Pointierung.
So geht es weiter am Alten Bahnhof
Die Open-Air-Saison wird am Sonntag, 14. September, ab 11 Uhr mit den „Schubidus“ beendet: Klamauk-Königin „Frau Anje“ Schumacher gibt zusammen mit Buchholz und Bubik nationale und internationale Schlager und Oldies zum Mitsingen. Der Winterauftritt Seán Treacys findet am Freitag, 19. Dezember, um 20 Uhr als „Irischer Abend“ statt.
Dabei ist Stefan Buchholz, der ganz auf seine Cajon-Box setzt, ein besonders einfühlsamer, in allen Genres verlässlicher Percussionist, dem alle Hetze fremd ist. Claus Bubik gibt nicht nur den ein oder anderen Song selbst, sondern spielt einen entspannten, grundständigen Bass – zusammen sind die beiden ein solides Fundament, auf dem sich beeindruckende Gitarrenexperimente von den Saiten Andreas Bocks unmittelbar ins Herz des lauschende Publikum hineinschwingen, um der markigen, erdigen Stimme des Meisters himself den roten Teppich auszurollen.
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Johlende Fangesänge zu Peter Maffays „Es war Sommer“, ein von den Zuhörern nicht nur mitgetanztes, sondern mit langen Ovationen gefeiertes „Hotel California“ („Eagles“) und die durch Cindy Lauper in den 1980ern zum Welthit gemachten „True Colours“ – die Seán-Treacy-Band hat einmal mehr nicht nur über den Regen gelacht, sondern bei ihren Zuhörern im Herzen die Sonne aufgehen lassen.
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