Interview

Vom Innern nach Außen: So arbeitet der Künstler Ernst Kaeshammer

Der Fußgönheimer Künstler Ernst Kaeshammer erklärt, wie er Technik, Inspiration und Philosophie verbindet – und warum er seine Werke nicht Kunstwerke nennen möchte.

Von 
Jan Stößer
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Ernst Kaeshammer in seinem Atelier. © Jan Stößer

Neulußheim. Herr Kaeshammer, unter dem Titel „Vom Innern nach Außen“ präsentieren Sie Malerei und Grafik. Was erwartet die Besucher Ihrer Ausstellung und welche Werke werden Sie im Alten Bahnhof ausstellen?

Ernst Kaeshammer: Ich werde ausschließlich Papierarbeiten präsentieren, die in Mischtechnik ausgeführt sind: in Tusche, Aquarell und Acryl. Dazu kommen Radierungen. Statt einer Kupferplatte als Druckstock verwende ich Getränkeverpackungen als Ausgangsmaterial, was andere Möglichkeiten des künstlerischen Ausdrucks erlaubt. Diese Drucktechnik bezeichne ich als Tetraprint. Einige Bilder spiegeln Beziehungsgeflechte wider, eben das Verhältnis der Menschen untereinander. Der Mensch in seinen vielen Facetten als das Maß aller Dinge. Dies versuche ich, in meinen Arbeiten immer wieder herauszufinden und herauszuarbeiten.

Welchen Bezug haben Sie zur abendländischen Kunstgeschichte, zum Bauhaus-Stil und zur „Outsider art“, alles Elemente, die in Ihre Werke einfließen?

Kaeshammer: Mit der abendländischen Kunstgeschichte bin ich stark verbunden, so etwa mit dem Blauen Reiter – der Gruppierung, deren Sammlung im Schloßmuseum Murnau ausgestellt wird und der Gabriele Münter und Wassily Kandinsky gehören. Max Ernst ist für mich ein weiterer Begriff, der ganz in diese surrealistische Welt eintaucht. Ich verorte mich ästhetisch auch in der „Outsider art“, wo die frühen Vorläufer in Frankreich zurück zu Henri Rousseau und dem „Briefträger, frz.: Facteur“ Ferdinand Cheval reichen, der in der Nähe von Lyon das monumentale Palais Idéal errichtet hat.

Diese Menschen haben etwas gemacht, weil sie es machen mussten. Ähnliches findet man in Sammlungen von psychischen Einrichtungen. Anfang des 20. Jahrhunderts hat Hans Prinzhorn Werke von Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung gesammelt. Diese Sammlung ist in Heidelberg mit etwa 5.000 bis 6.000 Arbeiten vertreten. Dieses letztlich Unverbrauchte und nicht durch Kunstgeschichte Beeinflusste, wo die Menschen aus der Seele heraus arbeiten, fasziniert mich.

Das wurde und wird oftmals als „naive Malerei“ bezeichnet. Eigentlich müsste es native Malerei heißen: nativ, vom Ursprünglichen her. Nativ wird ursprünglich als roh, unverändert und angeboren definiert, also das, was letztlich in allen Menschen immanent vorhanden ist. Aus sich heraus, aus dem Bauch heraus. Jean Dubuffet nannte diese Kunst „Art brut“. Die im Englischen verortete „Raw art“, also rohe Kunst, trifft es eigentlich sehr schön. Bei uns wird es als Außenseiterkunst, eben „Outsider art“, bezeichnet.

Könnten Sie uns etwas zu Ihrem Beruf des Geigen- und Lautenbaumeisters sowie zu Ihrer Werkstatt in Fußgönheim erzählen?

Kaeshammer: Ich habe die erste Werkstatt 1980 in Mannheim aufgemacht. 1992 haben wir in Fußgönheim ein Anwesen erworben, in dem ich im Erdgeschoss eine Werkstatt für Geigenbau einrichtete. Hier kann ich unter einem Dach leben und arbeiten; das war immer meine Vision als Jugendlicher. Als Instrumentenbauer hatte ich autodidaktisch angefangen zu arbeiten. In den 90er-Jahren besuchte ich mehrere Meisterkurse in Italien. Dank dieser umfangreichen Schulung hatte ich die Grundlage, 1994 die Meisterprüfung zum Geigenbauer in Hamburg abzulegen. Seitdem entwerfe ich Instrumente von Grund auf, führe Reparaturen und Restaurationen durch.

Die Ausstellung „Vom Innern nach Außen“

  • Die Vernissage am Freitag, 26. September, um 20 Uhr wird Ernst Kaeshammer zusammen mit seinem Musikerkollegen Nicola Polizzano als Duo in Ton selbst gestalten.
  • Der Organisator der Kunstausstellungen, Wolfgang Treiber, lädt alle Kunstfreunde in den Kulturtreff Alter Bahnhof in Neulußheim, Bahnhofstraße 2, ein.
  • Die Ausstellung ist außerdem geöffnet am Samstag, 27. September, von 15 bis 18 Uhr und am Sonntag, 28. September, von 11 bis 17 Uhr.
  • Der Eintritt ist frei und der Künstler ist anwesend.

Können Sie uns etwas zur emotionalen Herangehensweise an ein Werk erzählen?

Kaeshammer: Meine interessantesten Bilder kommen wirklich von innen heraus. Diese entstehen zum Teil in einem Halbwachzustand, Aufwachzustand, zum Teil in Träumen. Die sind natürlich nicht eins zu eins umgesetzt, aber da ist die Inspiration, eine Idee, dieses Gefühl, was eigentlich jeder Mensch hat. Jeder hat diese Beziehung, gerade in dieser Aufwachphase oder im Halbschlaf. Ich freue mich für jeden Menschen, der aus dieser Quelle schöpfen darf. In allen Bereichen, sei es in der Wissenschaft, in der Technik oder in der Kunst. Ideen, also Inspiration, in den Geist hineinzukommen, drückt es eigentlich sehr gut aus.

Haben Sie Vorbilder aus den Bereichen Kunst und Philosophie?

Kaeshammer: Vorbilder im Bereich der Kunst sind die Impressionisten und Expressionisten wie Paul Klee und Max Ernst, eben die großen Klassiker der Renaissance. Aber auch außereuropäische Kunst aus Afrika, die reduzierte Kunst, diese Masken, sind faszinierend. Philosophisch haben mich zwei wichtige Bücher beeindruckt. Einmal „Das Haben oder Sein“ von Erich Fromm, was mich tief berührt hat. Dazu ein zeitgenössischer Autor aus der Schweiz, der andere Ebenen des Menschen anspricht, Armin Risi.

Das Buch „Ihr seid Lichtwesen“ zeigt auf, dass der Mensch noch eine andere Wirklichkeit hat, als nur diese physische. Und wenn es mir gelingt, so etwas in meinen Bildern auch zu kommunizieren und eine andere Ebene anzusprechen, dann empfinde ich das als sehr befriedigend. Deshalb auch der Titel vom Inneren nach Außen. Eben das, was den Menschen und auch mich im Inneren bewegt. Generell, was den Menschen im Inneren bewegt, das er auch in das Äußere hineinführen darf oder kann.

Inwieweit fließt Ihre Ausbildung zum Technischen Zeichner in Ihre Kunst ein?

Kaeshammer: Ich habe schon immer als Kind gerne gezeichnet und wollte infolge etwas Berufliches mit Zeichnen machen. Bei uns im Ort, in Oppenau im Schwarzwald, war eine Metallbaufirma, die Lkw-Aufbauten fabriziert hat. Dort habe ich eine Lehre als technischer Zeichner absolviert und mit dem Gesellenbrief abgeschlossen. Das erworbene technische Verständnis fließt heute noch in den Instrumentenbau und in das freie Malen ein.

Zudem hatte ich mehrere Jahre einen kleinen Lehrauftrag an der Fachhochschule für Geigenbau, wo ich „Konstruktives Ermitteln von Geigenmodellen“ unterrichtete. Allerdings ist es mitunter hinderlich, von dieser sehr präzisen Art in ein freieres Malen zu wechseln, die Strichführung aufzulösen und freier und lockerer zu gestalten.

Wie hat sich Ihre Definition von Kunst innerhalb Ihrer Schaffensphase entwickelt oder gegebenenfalls verändert?

Kaeshammer: Ich bezeichne meine Arbeiten nicht als Kunstwerke. Ich bezeichne sie als Arbeiten oder das Ergebnis von einer Idee. Ob das ein Kunstwerk ist, diese Beurteilung muss man anderen überlassen. Ich möchte auf dem Boden bleiben und letztlich im Dienst von meinen Gefühlen schaffen und wirken.

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