Angebot der anderen Art

Saskia Grössl über einen kuriosen Fund im Bücherregal

Von 
Saskia Grössl
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Ich habe einen hohen Verschleiß an Büchern. 103 Exemplare habe ich im vergangenen Jahr gelesen. Natürlich kaufe ich mir Lesestoff auch gerne neu, aber das geht ganz schön ins Geld. Da sind die öffentlichen Bücherregale eine schöne Alternative – zumal sie mir auch dabei helfen, zu Hause Ordnung zu halten, indem ich ausgelesene Lektüre weitergebe. Aber ich mag sie auch deswegen, weil die Bücher auf ihren Brettern meist schon ein ganz eigenes Leben hinter sich haben. Da finden sich nämlich so allerlei Fundstücke zwischen den Seiten. Die zerdrückte Fliege, die vor dem Umblättern den Abflug nicht rechtzeitig geschafft hat, ist da noch eines der eher unappetitlichen. Aber es ist auch interessant, was die Menschen so als Lesezeichen verwenden. Eine schöne Postkarte mit Urlaubsgrüßen von der Freundin oder der Einkaufszettel von der vergangenen Woche lassen sich da entdecken. Eigentlich hoffe ich aber auch immer auf einen vergessenen Geldschein – die scheint nie jemand zum Markieren der letzten Seite zu benutzen. Eselsohren hingegen finden sich häufiger, wobei ich das als absolute Buchliebhaberin nicht nachvollziehen kann. Mein Favorit sind allerdings die kleinen Widmungen, die manche ganz vorne hineinschreiben. „Von Luise für meine Freundin Annemarie, Weihnachten 2006“ zum Beispiel. Entweder das Buch hat nicht gefallen oder es soll auch anderen Freude machen – man darf sich aussuchen, wie man die Tatsache deutet, dass Annemarie die Lektüre weggegeben hat. Doch den Vogel abgeschossen hat eine sehr ungewöhnliche Nachricht, die ich neulich in „Die vierzig Geheimnisse der Liebe“ von Elif Shafak im Eppelheimer Bücherregal gefunden habe. Ein Mann bietet da – passend zum Titel – seine Dienste für gewisse Stunden an. Mitsamt Telefonnummer und Datum (2020), damit man abschätzen kann, ob das Angebot noch aktuell ist. Immerhin in Zeiten von Tinder und anderen Dating-Plattformen mal eine Idee der etwas anderen Art. Ob es im Nachgang eine Diskussion zum Buch gibt? Das auszuprobieren überlasse ich lieber jemand anderem.

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