Oftersheim. Kaffeesatz. Darauf wäre man als Laie in Sachen Blumenteppich nicht gekommen. Doch neben den Blüten ist der Kaffeesatz eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen gelungenen Bodenschmuck, wie er in der Gemeinde seit 1947 an Fronleichnam gelebte Tradition ist. "Wir malen damit die Konturen und fassen die Buchstaben ein", berichten am Mittwoch unisono Franziska und Hans Wiltz, in deren Haus in der Wiesenstraße das "Hauptquartier" der Blütenzupfer seinen Platz hat.
"Hauptquartier" klingt vielleicht etwas zu martialisch, doch im Kern trifft es gut zu, denn in dem schmucken Anwesen samt seiner geräumigen Doppelgarage hat sich ein eingespieltes Team niedergelassen, in dem jeder weiß, was er zu tun hat. "Die meisten Frauen kommen schon seit Jahren zum Zupfen, unsere Gemeinschaft ist im Laufe der Zeit zusammengewachsen", schildert Franziska Wiltz und unterstreicht damit, dass es keine bestimmte Gruppierung ist, sondern ein einst loser Haufen, geeint durch die gemeinsame Freude am Werkeln.
Und es ist schon eine harmonische Gruppe, denn nicht nur den Blüten gilt die Aufmerksamkeit: Kaffee und Kuchen, die Frauen haben eigens zum Treffen einen Tag vor Fronleichnam gebacken, werden gleichermaßen mit Wohlwollen goutiert. Und damit alles klappt, hat Franziska Wiltz auch noch bei ihrem Radiosender, bei SWR4, einen Musikwunsch bestellt: "Lass die Sonne wieder scheinen". Was soll da noch schief gehen? Zumal die Wetterfrösche für Fronleichnam, mit Ausnahme des Nachmittags, schönes Wetter gemeldet haben. Doch bis dahin ist der Blumenteppich längst Geschichte.
Heute gilt es, die Blüten, die von vielen Menschen geliefert werden, zu zupfen, sie farblich sortiert kühl aufzubewahren, damit an Fronleichnam mit dem Legen des Teppichs begonnen werden kann. Und wie sieht das Bild aus, welche Farben dominieren? Schulterzucken beim Ehepaar Wiltz. Die zwei "alten Hasen" haben den Blumenteppich vom Vater von Franziska Wiltz "geerbt". Er kam nach dem Krieg aus Ungarn und brachte die Tradition des Teppichs mit in seine neue Heimatgemeinde, wo sie seit Ende der 40er Jahre Fuß gefasst hat.
Zurück zu den Farben: "Das entscheiden wir morgen früh", erwidert Hans Wiltz, "wenn wir wissen, wie viel Material wir haben." Denn nicht von jeder Farbe gibt es gleichviele Blüten und meist gar nicht so viele, wie gewünscht.
"Ich hole noch Weiße"
Doch noch herrscht rege Betriebsamkeit, steckt immer mal wieder eine Frau den Kopf durch die Türöffnung, einen Zuruf auf den Lippen, "Franziska, ich hole noch Weiße", "es sind jede Menge Gelbe gekommen", und so wächst die Blütenpracht. "Es sind auf jeden Fall mehr als im Vorjahr, da haben wir die Blüten geschickt auf dem Boden verteilen müssen", so Franziska Wiltz lachend und ist sich sicher, am nächsten Tag aus dem Vollen schöpfen zu können.
Die Farben werden zwar spontan nach Sachlage entschieden, aber die Idee steht. Heuer soll das Motto des Kirchentags aufgegriffen werden, die Schablonen sind gemacht, Rudi Niederer, langjähriger Leiter des City-Drucks, ist dem Team dabei eine unschätzbare Hilfe, er fertigt stets die Vorlagen für die Buchstaben, hat den nötigen Blick. Bis in den Abend hinein werden die Frauen in der Garage sitzen, Blüten zupfen, sich zwischendurch an der Kuchentafel stärken, und die duftende Pracht nach Farben sortieren. Gegen Abend macht sich dann Hans Wiltz auf den Weg zur Kirche, heuer wird wegen des Regenrisikos auf eine Prozession verzichtet, der Teppich kommt direkt vors Gotteshaus. Gemeinsam mit Hans-Peter Sturm, der schon auf ihn wartet, wird er die Umrisse des Teppichs auf den Boden malen, gerade so, wie sie seine Frau auf ein Blatt skizziert hat.
Frisches Gras als Bestandteil
Am Morgen des Fronleichnams heißt es dann früh aus den Federn, um 6 Uhr beginnen die Arbeiten am Teppich. Oben soll ein Regenbogen prangen, darunter die Taube und Strahlen, die auf ein Boot fallen und der Text zum Kirchentag - so sieht der Aufbau des Teppichs auf. "Und wenn Blüten über sind, wird der Weg belegt", kündigt Wiltz an, denn "alles muss verschafft werden."
Früher, erinnert er sich, hat man als Sägemehl eingefärbt, langte es mit den Blumen nicht hin. Ein Trick, den er aus seinem Berufsleben kennt, er war im Dombauamt in Speyer beschäftigt.
Malermeister Heinrich Klee half damals oft mit den nicht billigen Farben aus, ist Franziska Wiltz noch heute dankbar. Doch im Laufe der Jahre hat man immer weniger auf Sägemehl zurückgegriffen, schon der Umwelt zuliebe und wegen des schwierigen Reinigens des farbverschmierten Bodens.
Blüten und Kaffeesatz, fehlt noch eine dritte Zugabe, frisches Gras. "Aber sauber muss es sein, eigentlich wie vom englischen Rasen", weiß Hans Wiltz und will von Gänseblümchen darin nichts wissen. Nein, ganz sauber muss es sein, denn es bildet mit seinem Grün die Grundlage des Teppichs.
Bis der Gottesdienst beginnt, muss alles fertig sein, mit etwas Wasser aus dem Zerstäuber werden die Blüten fixiert, dann heiß es hoffen, dass kein Wind aufkommt und die vergängliche Kunst bis zum Ende der Andacht hebt. Womit es das Team für dieses Jahr wieder einmal geschafft hat.
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