Blick hinter die Kulissen

Demenzcafé in Oftersheim: Wie eine zweite Familie

Das elfjährige Bestehen des Betreuungs- und Demenzcafé „Vergiss-mein-nicht“ wird ausgiebig gefeiert und es zeigt sich dabei, wie hoch der Identifikationsgrad bei Gästen und Helfern ist.

Von 
Joachim Klaehn
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Tücher vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB): Hiermit werden Beweglichkeit und Feinmotorik geschult. Und alle machen selbstverständlich mit. © Klaehn

Oftersheim. „Wir feiern eigentlich immer“, sagt Doris Zimmermann und muss darüber schmunzeln. Sie leitet das Betreuungs- und Demenzcafé „Vergiss-mein-nicht“ seit neun Jahren und ist wie ihre neun anderen, geschulten ehrenamtlichen Helferinnen aus diesen Team überhaupt nicht mehr wegzudenken. Denn „Vergiss-mein-nicht“ ist im Laufe der Zeit zu einer großen verschworenen Einheit geworden, das kann der Chronist eines der regelmäßigen Montagstreffen beim Blick hinter die Kulissen deutlich spüren.

Das Demenzcafé

  • „Vergiss-mein-nicht“ findet montags ab 14.30 Uhr im evangelischen Gemeindehaus statt. Die Kosten betragen 20 Euro. Sie können über die Pflegekasse abgerechnet werden.
  • Das Betreuerteam unter der Leitung von Doris Zimmermann besteht aus Monika Boris, Angelika Hillengaß, Angelika Postelt, Marion Kumpf, Gaby Bachmayer, Elisabeth Schmieg, Elke Döbele, Beatrix Kessler und Margot Zinser

„Ja, wir sind wie eine Familie“, erzählt Zimmermann, „wir leisten wirklich eine individuelle Betreuung, je nach Fähigkeiten und Bedürfnissen.“ Man könne sogar von einer Eins-zu-eins-Betreuung sprechen. Will heißen: auf maximal zehn Gäste kommen bis zu zehn Betreuer. Die Einrichtung Demenzcafé gibt es in der hiesigen Region unter dem gleichen Namen „Vergiss-meinnicht“ neben Oftersheim mehrmals, etwa in Schwetzingen, Plankstadt und Brühl. Träger ist der Kirchliche Pflegedienst Kurpfalz, ein gemeinnütziger Verein, dessen Aufgabe in der Alten- und Krankenpflege besteht. Er ist in Schwetzingen ansässig und dort können sich Interessierte informieren und anmelden.

„Zehn Gäste sind bei uns die Obergrenze“, erklärt Doris Zimmermann, „wir wollen, dass die Leute eine gute Zeit bei uns haben und sich aufgehoben fühlen.“ Wie hoch der Identifikationsgrad bei Gästen wie Helfern ist, lässt sich am Beispiel von Margot Zinser belegen. Sie ist von Anfang an dabei und unterstützt das Team trotz ihres stolzen Alters von 88 Jahren. „Ich gehöre dazu. Das Demenzcafé ist mir ein Bedürfnis“, sagt die Grande Dame in die Runde.

Geste für die älteste Teilnehmerin: Anni Bauermeister wurde unlängst 99. © Klaehn

Diese Woche gibt es einen besonderen Anlass zu einer Feierlichkeit. „Vergiss-mein-nicht“ zelebriert den elften Geburtstag – und einige illustre Gratulanten kommen ins evangelische Gemeindehaus vorbei. In Vertretung von Noch-Bürgermeister Jens Geiß, der spontan von seiner Mutter einen Trip ins Wendland, Niedersachsens „wilden Osten“, geschenkt bekommen hat, ist es Ute Walter vom Seniorenbüro der Gemeinde, Karl-Heinz Bitz, der Pflegeberater des Landratsamtes Rhein-Neckar sowie „Special Guest“ Esther Kraus. Die ehemalige Pfarrerin, vor drei Jahren in den Ruhestand gegangen, hatte 2011 gemeinsam mit der kirchlichen Sozialstation die Idee einer besonderen Begegnungsstätte entwickelt.

Gemischte Gruppe

Das erste Café „Vergiss-mein-nicht“ war laut Aussage von Pflegedienstleiterin Heike Wies am 22. September 2009 im Schwetzinger Hebelhaus eröffnet worden. Zunächst hieß der damalige Titel „Café für Menschen mit Demenz“. Doch die Bezeichnung wurde geändert. „Wir wollen für alle Älteren offen und zugänglich sein“, sagt Heike Wies.

Vor dem Eintritt ins Gemeindehaus machen alle einen Corona-Schnelltest. Der Saal ist anlässlich des elfjährigen Bestehens festlich geschmückt – mit Blumen, Luftballons und einer liebevoll gestalteten Tischdekoration. Die gemischte Gruppe, angefangen von altersdementen und mobil eingeschränkten Gästen bis hin zu einem an Parkinson erkrankten Besucher, muss von Zimmermann und Co. nicht erst motiviert werden. Sie schmettern Lieder mit Inbrunst, begleitet vom Akkordeonspieler und Multitalent Karl-Heinz Bitz; sie schunkeln gerne; sie machen Gymnastik, mithilfe von vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) gestifteten bunten Tüchern.

Rosen zum elften Geburtstag: Leiterin Doris Zimmermann in Verteilerlaune. © Klaehn

Einige Teilnehmer sind bewundernswert grazil und gelenkig – die Beweglichkeit und Feinmotorik stimmen dank regelmäßiger Übungen. „Überkreuz ist immer gut. Da verbinden sich die Synapsen“, sagt Doris Zimmermann.

Es geht lustig zu. Nicht jede(r) hat mitbekommen, dass „Ofdasche“ bald einen neuen Bürgermeister bekommt. Ute Walter hat eine Videobotschaft von Jens Geiß dabei. „Genießt den Geburtstagskuchen“, empfiehlt der Amtsträger. Der leckere Zopf der Bäckerei Schnabel mit den beiden Einsern, gespendet von der Gemeinde, wird kurze Zeit später bewundert, angeschnitten und mit Hagebuttenmarmelade kredenzt. Zeit für Kaffee und Kuchen – sowie für Tischgespräche. „Wir machen alles Mögliche, besuchen Ausstellungen, machen Ausflüge, basteln, malen und spielen“, sagt Zimmermann. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich ein hochwertiges Bowling-Set und ein mehrfarbig gefächertes Schwungtuch.

Nach der schöpferischen Pause zückt Zimmermann die „Sprichwortbox“. Die allermeisten davon kennen die Teilnehmer aus dem Effeff – sie amüsieren sich beim Gedächtnistraining köstlich.

Der Name ist Programm

Vor kurzem hatte Anni Bauermeister ihren 99. Geburtstag. Leider kann sie nicht dabei sein, doch es wird mit viel Empathie an sie gedacht. Ein Geburtstagsständchen wird gesungen, Doris Zimmermann alsbald einen Hausbesuch bei Anni machen – mit Aufmerksamkeiten der Gruppe und der Gemeinde. Hierbei zeigt sich: „Vergiss-mein-nicht“ ist nicht nur ein Name, sondern Programm. Ein Zeichen der Mitmenschlichkeit, Nächstenliebe, Zugewandtheit sowie der Lebensfreude. Gemeinsinn wird hier gepflegt.

Nach zweieinhalb Stunden geht jeder Gast beschenkt nach Hause. Gelbe und roséfarbene Rosen, Kuchen, echt schwäbische Wibele und ein Pflastermäppchen (für alle Fälle!) werden verteilt. Dass hier eigentlich immer gefeiert wird, ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

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