Katholische Kirche

Ehemaliger Hochaltar in Oftersheimer Kirche St. Kilian zeigt österliche Szenen

Ein Einblick in die kunsthistorische und architektonische Entwicklung der St. Kilianskirche in Oftersheim.

Von 
Hans-Peter Sturm
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Der Innenraum der Kirche St. Kilian um 1910 mit Hochaltar. © Pfarrarchiv St. Kilian

Oftersheim. Die umfangreiche Innenraumrenovierung der Kirche St. Kilian vor etwas über 50 Jahren brachte tiefgreifende Veränderungen, die damals als revolutionär galten. Unter der Leitung des Architekten Wolfgang Maier wurde der Kirchenraum komplett umgestaltet und Teile der Ausstattung, wie der Hochaltar, verschwanden. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 70er Jahre hinein erfuhr die Kunst des Historismus oftmals nur noch eine geringe bis gar keine Wertschätzung, ihre Formensprache wurde zuweilen als Kitsch oder bloße Imitation traditioneller Stilepochen abgetan. Zudem stand bei dieser Neukonzeption des Kirchenraumes der Hochaltar im Geist der nachkonziliaren Ära einer multifunktionalen Nutzung des Chorraumes entgegen. Er wurde in der Folge abgebaut und seine skulpturalen Elemente zwecks einer eventuellen späteren Neuplatzierung eingelagert.

Teile des Hochaltars wurden am Tag des offenen Denkmals 2014 in der Nähe ihres ehemaligen Standorts im Chorraum von St. Kilian gezeigt. Die Retabelreliefs von 1908/1909 stellen den Kreuzweg Jesu, die Emmaus-Jünger und Christus als König dar. © Hans-Peter Sturm

Diese umfassenden Veränderungen von 1974, die im Zuge der nachkonziliaren Ära vorgenommen wurden, reflektieren eine signifikante Verschiebung hin zu einem funktionaleren und gemeinschaftsorientierten Kirchenraum. Diese Neugestaltung wurde damals kontrovers diskutiert, insbesondere wegen des Verlusts der historischen Ausstattung aus der Erbauungszeit.

Historismus und seine wechselhafte Wertschätzung

Die Geschichte der verborgenen Kunstwerke, insbesondere der Holzrelieftafeln und der Christus-Skulptur, zeigt die wechselhafte Wertschätzung der Kunst des Historismus. Die Neugotik, einst als bedeutender Stil gefeiert, wurde später oft abgewertet. Dennoch bergen diese Werke eine tiefe spirituelle und künstlerische Bedeutung, die es wert ist, bewahrt und neu betrachtet zu werden.

Doch was war auf den Holzreliefs zu sehen? Zwei Männer drängen Christus dazu, sein eigenes Kreuz am Beginn der Via dolorosa selbst zur Hinrichtungsstätte zu tragen. Er nimmt es entgegen, ohne zu zögern, mit empor gewandtem Blick, sein bevorstehendes Schicksal vor Augen. Doch am dritten Tag ist plötzlich alles anders: Zwei seiner Jünger haben auf dem Weg in ein Dorf namens Emmaus einen geheimnisvollen Fremden getroffen, der sie bis zur abendlichen Einkehr begleitet. Dort aber gehen ihnen plötzlich die Augen auf, und sie erkennen ihn, als er nach dem Lobpreis das Brot bricht.

Dieses Foto des Oftersheimer Hochaltars ist vor 1974 entstanden. © Franz Volk

Die verborgenen Kunstwerke der St. Kilianskirche

Genau diesen Moment aus dem Lukas-Evangelium hat der Schnitzkünstler eingefangen, wie auch die geschilderte Kreuzübergabe, und beides in Form zweier Holzrelieftafeln festgehalten. Ergänzt werden sie durch eine dominante Skulptur: Christus sitzt als König auf dem Thron, seinem Rang entsprechend ausgestattet mit den Attributen Reichsapfel und Zepter. Damit spannt sich thematisch ein Bogen von der Passion hin zur Auferstehung und bis zur Verherrlichung Christi.

Es sind verborgene, nahezu vergessene Kunstwerke aus der Oftersheimer St. Kilianskirche, teils vergoldet und farbig gefasst. Die beiden Retabelreliefs und die Darstellung des thronenden Christus waren einst Bestandteile des neugotischen Hochaltars, geschaffen um 1908/1909 in der Bildhauerwerkstätte Allert in Schwetzingen in der Friedrichstraße – das Anwesen mit seiner prächtigen Neorenaissancefassade setzt bis heute einen eindrucksvollen Akzent im Schwetzinger Straßenbild.

Zukunft der neugotischen Schnitzkunst ungewiss

Während die Statuen des Kirchenpatrons Kilian und der heiligen Mutter Anna bei der jüngsten Renovierung 2008/09 dann tatsächlich wieder in den Kirchenraum zurückkehrten, harren die Reliefs und die Christkönigsskulptur weiterhin einer noch ungeklärten Zukunft entgegen. Bisher wurden sie seit ihrer Demontage lediglich im Rahmen des jährlichen „Tags des offenen Denkmals“ zwischen den Jahren 2007 und 2019 insgesamt viermal öffentlich gezeigt. Bis letztes Jahr im Pfarrhaus verwahrt, haben sie im Zuge des Josefshaus-Abrisses und des bevorstehenden Um- und Anbaus des Pfarrhauses zu Gemeinderäumen ein Übergangsdomizil in Schwetzingen bezogen. Ob und an welchem Ort sich die gut erhaltenen Zeugnisse neugotischer Schnitzkunst jemals wieder dauerhaft öffentlich zeigen werden, wird zu gegebener Zeit zu diskutieren sein.

Passend zu den Osterfeiertagen möchten die hier dargestellten Szenen einladen zu Betrachtung und Meditation, verbunden mit dem Wunsch, dass die Menschen vor allem in den aktuellen Krisenherden der Welt etwas von der österlichen Botschaft und ihrer befreienden Zuversicht erfahren dürfen.

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