Einreise - Rumänische Saisonarbeiter sind gerade noch rechtzeitig gekommen / Trotz aller Mehrkosten und Beschränkungen bietet der Landwirt das königliche Gemüse zum gleichen Preis wie im Vorjahr an

Gerd Koppert: In den vergangenen Tagen um zehn Jahre gealtert

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Oftersheim. Karfreitag, Baden Airport. Der Eurowings-Sonderflug aus dem rumänischen Sibiu ist gelandet. Die Abholer atmen erleichtert auf, als die 95 Passagiere nach dem medizinischen Check nach und nach aus der Tür kommen. Es sind alles Erntehelfer, die den Landwirten jetzt endlich beim Spargelstechen helfen dürfen. Auch Gerd Koppert und sein Sohn Martin begrüßen neun Männer in der Ankunftshalle. „In den vergangenen zehn Tagen bin ich zehn Jahre älter geworden“, berichtet der Landwirt im Gespräch mit unserer Zeitung.

Bis zum glücklichen Ausgang ist es ein langer, nervenaufreibender Weg mit wochenlangen politischen Diskussionen über Ausnahmeregelungen für die coronabedingten Reisebeschränkungen für Saisonarbeiter aus Osteuropa. Die belastende Situation wird für einige Bauern existenzbedrohend. Und auch viele Verbraucher machen sich zum ersten Mal Gedanken über leere Obst- und Gemüseregale in den Geschäften.

Das Team der Kopperts ist jetzt komplett. Alle zwölf Männer – drei waren schon im März gekommen, bevor die Grenzen geschlossen wurden – sichern die Versorgung der hiesigen Bevölkerung mit dem königlichen Gemüse. In den ersten zwei Wochen sind sie noch unter Quarantäne. Sie dürfen ihre Wohnungen, die der Arbeitgeber während des Aufenthalts zur Verfügung stellt, in dieser Zeit nur zum Spargelstechen verlassen. Zu den Feldern werden sie gebracht. So wollen es die Vorschriften.

Die Saisonarbeiter kommen alle aus Tarna Mare, einem Dorf mit rund 1000 Einwohnern im Norden Rumäniens an der Grenze zur Ukraine, unweit von Ungarn. Sie sind zwischen 18 und 40 Jahre, arbeiten zum Teil schon seit zehn Jahren für den Oftersheimer Landwirt. „Wir waren selbst schon zweimal dort“, erzählt Gerd Koppert. Die Lebensbedingungen der Menschen sind einfach: Hinter den Wohnhäusern befindet sich ein Stall fürs Vieh, dahinter der Acker. „Es sind Selbstversorger.“

Die ländliche, abgeschiedene Struktur in jener Region habe wohl auch dazu beigetragen, dass seine Erntehelfer nicht infiziert sind, vermutet der Spargelbauer. „In Rumänien gibt es ja noch viel strengere Kontaktverbote als bei uns. Deshalb war mir eigentlich klar, dass unsere Leute gesund sind.“ Anders sehe die Lage dagegen bei den Menschen aus Großstädten aus, die über Vermittler zu den Betrieben kommen. „Aus Cluj zum Beispiel wurde in der vergangenen Woche ein Flug mit 100 Saisonarbeitern im letzten Moment gestoppt, weil einer davon auffällige Symptome hatte“, zeigt Gerd Koppert auf, wie schmal in diesem Jahr der Grat zwischen Sein und Nichtsein in seiner Branche ist.

Studenten geben schnell auf

Seit drei Wochen läuft die Spargelernte. Zu Beginn haben sich noch Studenten bei ihm gemeldet, die dem Aufruf der Politik folgten. Die haben bald aufgegeben. „Aber sie haben’s versucht, das rechne ich ihnen hoch an“, meint der 56-Jährige – weil er weiß, wie mühsam die Arbeit auf dem Feld ist. In den vergangenen Tagen hat er den größten Teil mit Sohn Martin bewältigt. Jeden Tag von 6 bis 13 Uhr. Unterstützung bekamen sie lediglich von Gerd Kopperts 80-jähriger Mutter Elsbeth und seinem Onkel Hermann Emmert (77). „Wenn die rumänischen Helfer am Freitagabend nicht gelandet wären, hätten wir ab Sonntag nur noch auf einem unserer sechs Felder weitermachen können.“ Denn außer der Spargelernte ist ja auch sonst noch eine Menge zu tun. Ende April geht’s mit dem Tabak weiter, da müssen 1,7 Millionen Setzlinge ausgebracht werden. Ehe die Pflanzen bereit für den Verkauf sind, brauchen sie eine Menge Aufmerksamkeit. „Nach einem 16-Stunden-Tag fällt man nur noch ins Bett, ist völlig fertig. Aber jetzt, wo rumänischen Mitarbeiter da sind, geht es mir wesentlich besser. Die kennen sich aus, sie wissen, was zu tun ist“, lobt Koppert die Helfer.

Sohn Martin, der im Familienbetrieb als Landwirtschaftsmeister mitarbeitet und ihn später auch übernimmt, hat sich zusätzlich um Formulare, Verträge und den bürokratischen Kram gekümmert. „Eine Mordsarbeit“, sagt der 31-Jährige erschöpft. Die Anstrengung der vergangenen turbulenten Tage fordert auch bei ihm ihren Tribut. „Wir mussten Arbeitgeber- und so genannte Pendlerbescheinungen ausstellen, damit die Männer die 400 Kilometer von Tarna Mare zum Flughafen Sibiu fahren durften. Aber in dem Dorf hat auch nicht jeder einen Computer oder die Möglichkeit, E-Mails auszudrucken“, schildert er die Schwierigkeiten und Tücken.

Zwei schlaflose Nächte

Es ging vor allem darum, Plätze für die Mitarbeiter auf den limitierten Flügen zu buchen – zwei schlaflose Nächte hat er damit verbracht – und die entsprechenden Versicherungen abzuschließen. Denn im März hieß es zunächst noch, Erntehelfer dürfen einreisen. Normalerweise kommen sie mit ihrem eigenen Auto nach Deutschland. Dann hat Ungarn die Grenzen dichtgemacht, nun gab es als Alternative nur noch den Flieger. Aber auch das war bald nicht mehr möglich. „Am 23. März funktionierte im Flughafen Frankfurt-Hahn noch alles reibungslos. Und schon einen Tag später wurde ohne Vorwarnung alles storniert. Und dann mussten die Arbeitspapiere immer wieder für den jeweiligen Zeitraum angepasst werden“, zählt Koppert junior nur die größten Hürden auf.

Auch von seinem Vater Gerd fällt der Stress allmählich ab: „Jetzt ist ja alles geregelt, es könnte doch noch ein normales Jahr geben – abgesehen von den Mehrkosten.“ Denn wie das halt nun mal so ist: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Die Tickets haben sich im Vergleich zum März verdreifacht. Die Verköstigung der Männer bis zum Ende der Quarantäne übernehmen selbstverständlich die Kopperts, ebenso wie den täglichen Transfer der Saisonarbeiter von ihrer Wohnung zu den Spargelfeldern im Kohlwald. Aber darüber beklagt sich die Familie nicht, ist einfach nur froh, dass sich das Blatt zum Guten gewendet hat. „Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen.“

Spätestens an dieser Stelle fängt der vernünftig denkende Spargelfreund an zu rechnen, ob er sich die weißen und grünen Stangen in diesem Jahr überhaupt noch wird leisten können. „Normal müssten wir mehr verlangen“, bestätigt Gerd Koppert die Überlegungen und meint ganz selbstverständlich: „Aber wir wollen solidarisch sein, die Gesundheit ist jetzt das wichtigste Gut. Unsere Preise bleiben wie im Vorjahr die ganze Saison hindurch stabil.“ Das bedeutet 10 Euro pro Kilo für die Klasse I und entsprechend den Qualitätsunterschieden dann günstiger.

Über diese Haltung der einheimischen Landwirte sollten die Kunden nachdenken, die mit spitzem Bleistift den billigsten Produkten jener Großkonzerne hinterherrennen, die in der Corona-Krise trotz Milliardengewinnen – nicht zuletzt durch Steuerersparnisse – alle finanziellen Vorteile für sich geltend machen.

Die Spargel verkaufen die Kopperts neben anderem Obst und Gemüse in ihrem Hofladen in der Mannheimer Straße 45 täglich von 8 bis 19 Uhr, auch an Sonn- und Feiertagen. Das königliche Gemüse wird auf Wunsch geschält. Und seit diesem Jahr ist eine neue vollautomatische Sortiermaschine im Einsatz. Die Spargelstangen werden auf ein Laufband gelegt, eine Kamera fotografiert sie, man kann vorher Stärke, Krümmung, Rostanteil (braune Stellen) einstellen und wie weit die Blüte (der Kopf) geöffnet ist.

Neue Sortiermaschine

Die Investition von 50 000 Euro lohnt sich: „Sie spart viel Zeit. Früher haben wir in Handarbeit vier Stunden gebraucht, jetzt dauert es jetzt nur eine Stunde“, freut sich Gerd Koppert. Allen Widrigkeiten dieser außergewöhnlichen Spargelsaison zum Trotz möchte man sagen: Ende gut, alles gut. Doch eine kleine Befürchtung hat der Landwirt noch: „Dass bei einem Kunden das Coronavirus festgestellt wird und die Behörden den Hofladen schließen.“ az

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