Erdbeben in der Landwirtschaft

Grünen-Abgeordnete der EU möchte Spargelanbau verbieten

Es sind Worte aus Brüssel, die in der hiesigen Region ein kleines Beben auslösten. Jutta Paulus von den Grünen kam vor wenigen Tagen die Idee, den Spargelanbau für die kommenden Jahre zu verbieten. Wir haben bei den Bauen nachgefragt.

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Stefan Kern
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Das "Luxusgemüse" löst eine Debatte in der EU aus. © Lin

Oftersheim. Es sind Worte aus Brüssel, die in der hiesigen Region ein kleines Beben auslösten. Wobei dieses Beben bei den Oftersheimer Spargelbauern nicht wirklich Sorgen, sondern viel mehr Kopfschütteln auslöste. Die EU-Abgeordnete Jutta Paulus von den Grünen kam vor wenigen Tagen die Idee, den Spargelanbau für die kommenden Jahre zu verbieten. Ziel sei es, unter dem Eindruck des Ukraine-Krieges und der damit einhergehenden Nahrungsmittelversorgungskrise mehr Anbaufläche für Grundnahrungsmittel zu akquirieren und dementsprechend das Luxusgemüse Spargel zu verdrängen.

Eine Idee, so Christian Gieser vom Spargel und Melonenhof Gieser in Oftersheim, der wahrscheinlich das Schicksal einer Sternschnuppe blühe: blitzschnell auf- und verglüht – ohne Spuren zu hinterlassen. Ihn macht dabei sichtlich traurig, dass wieder einmal „blinder Aktionismus ohne Sinn und Verstand“ um sich greife. Sie gehe weit an allen nur denkbaren landwirtschaftlichen Realitäten vorbei und sei sehr höflich formuliert nicht zielführend.

Gieser vermutet dahinter lediglich politische Taktik. Womit er ziemlich genau ins Schwarze getroffen haben könnte. Denn die CDU/CSU-Gruppe in der evp-Fraktion im EU-Parlament will die Flächenstilllegungspflicht für zwei Jahre aussetzen, um kurzfristig mehr Anbaufläche zur Verfügung zu haben. Ein Vorhaben, da haben die Grünen recht, dass quer zu den Artenschutzbemühungen der EU stehe. Denn mit der Flächenstilllegungspflicht sollen vier Prozent des landwirtschaftlichen Nutzareals für den Artenschutz unberührt bleiben. Es sei unlauter, so die Grüne EU-Parlamentarierin, den Artenschutz gegen die Nahrungssicherheit auszuspielen.

Baumann zum Zwist in Brüssel

Es ist ein Konflikt, auf den sich der Staatssekretär im baden-württembergischen Umweltministerium, Dr. Andre Baumann, gar nicht einlassen will. Gegenüber dieser Redaktion erklärt er den Zwist zum Scheingefecht: „Weder hilft uns ein Verbot des Spargelanbaus, noch ein Schleifenlassen des Naturschutzes auf landwirtschaftlichen Produktionsflächen.“ Es gebe da weit wirkungsvollere Maßnahmen. Jedes Jahr landeten zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel nicht auf dem Teller, sondern im Müll oder würden auf dem Acker gleich untergepflügt. Wenn man das auf die Anbaufläche umrechnen würde, so Baumann, käme man auf einen Verlust von einem Viertel der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche. Bei insgesamt 16,6 Millionen Hektar Nutzfläche in Deutschland, würde demnach auf über vier Millionen Hektar Lebensmittel für die Tonne produziert. Bedenkenswert wäre auch ein höherer Anteil pflanzlicher Nahrung auf dem Teller.

Bis dato, so der Deutsche Verband Tiernahrung, wird hierzulande die Hälfte allen angebauten Getreides an Nutztiere verfüttert. Heißt im Umkehrschluss, auf lediglich rund einem Viertel der gesamten Anbaufläche Deutschlands wird Getreide und Gemüse angebaut, das am Ende auch wirklich auf den Teller kommt. Eine Bilanz, die Fragen aufwirft und das bisherige Kosten-Nutzen-Verhältnis in ein doch sehr trübes Licht taucht.

Die paar Hektar Spargel in Deutschland, es sind laut des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft ziemlich genau 22 400 Hektar, fallen da nicht wirklich ins Gewicht. Oder wie es Gieser sagte, es gibt wahrlich größere Knüppel. Und nur Wenige wüssten, das erwähnte Gieser am Rande, Spargel ist weltweit betrachtet kein europäisches oder gar deutsches Gemüse. 90 Prozent allen Spargels werde in Asien, vor allem in China, gepflanzt.

Für ihn ist die ganze Diskussion ein weiterer Beleg dafür, dass es in den Parlamenten zu wenig Sachverstand gebe und meist zu schnell geredet und zu langsam gedacht würde. Vom Niveau politischer Debatten, daran ließ er keinen Zweifel, sei er zunehmend enttäuscht. Klar hätten Politiker auch schon früher hin und wieder die Bodenhaftung verloren. Doch aus diesem hin und wieder sei mittlerweile ein ständig geworden. Die Idee Spargelanbauverbot könne man gar nicht anders interpretieren, als dass der Abstand zwischen Berlin oder Brüssel zum Acker mittlerweile in Lichtjahre gemessen werden müsste. „Haben die Politiker denn noch nicht mitgekriegt, dass die Bauern im Land ganz andere Probleme haben“, fragt Gieser. Aufgrund der Trockenheit habe er gerade die Wintergerste aufgegeben. Und wenn es nicht bald richtig regne, sehe es wirklich düster aus. Die Bürokratie rund um die Landwirtschaft gereiche jedem kafkaesken Labyrinth zur Ehre und über das Hofzerstörungskonzept „immer billiger“ würde kaum kritisch debattiert, geschweige denn gesellschaftspolitisch angegangen.

Vor allem Letzteres sei schwer auszuhalten und systemisch gesehen neben dem Klimawandel die größte Gefahr für eine gelingende Landwirtschaft. Am Ende gelte, so Gieser, es gebe viele Stellschrauben, um der Landwirtschaft zu helfen und damit auch die Nahrungssicherheit zu sichern. „Der Spargelanbau gehört nicht dazu.“

Freier Autor Stefan Kern ist ein freier Mitarbeiter der Schwetzinger Zeitung.

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