Oftersheim. Der evangelischen Christuskirche geht es vergleichsweise gut, denn sie hat mit Tobias Habicht (36) und Dr. Simon Layer (34) zwei Pfarrer, die gemeinsam neue Pfade beschreiten wollen. Habicht lebt mit seiner vierköpfigen Familie sowie zwei Katzen im Pfarrhaus. Layer, seit 1. August dazugestoßen, wohnt mit Frau und Sohn um die Ecke. Beide frönen der Musik – ob als passionierte Zuhörer oder wie im Falle von Simon Layer als Mitglied des Vocalensembles „Morning Star Singers“. Und beide kennen die Region aus dem Effeff: Habicht wurde in Heidelberg, Layer in Plankstadt geboren. Beim Besuch im Pfarramt führte diese Redaktion ein intensives Doppelinterview.
Herr Habicht, Herr Layer, zum Jahreswechsel lässt man immer auch Revue passieren. Wie fällt denn Ihr berufliches Fazit von 2022 aus?
Tobias Habicht: Ein arbeitsreiches Jahr liegt hinter mir, dem Kirchengemeinderat und der Kirchengemeinde. Da bis August 2022 die zweite Pfarrstelle vakant war, war ich in vielen Dingen der einzige Ansprechpartner. Die Arbeit im Pfarramt ist abwechslungsreich. Dennoch gibt es natürlich Themen, die sich ihren Vorrang vor anderen Themen nehmen. So sind unsere Kindertageseinrichtungen eigentlich immer Thema im Alltag wie auch im Geschäftsgang. Aber auch meine eigentlichen Aufgaben: Menschen an den Übergängen des Lebens zu begleiten, mit der Gemeinde das wieder aufblühende Gemeindeleben zu gestalten, all das erfüllt mich nachhaltig.
Simon Layer: Gut. Ich hatte viel Glück, in Oftersheim gewählt worden zu sein und bin froh, hier für die nächsten Jahre tätig sein zu dürfen. Nach 2020 und 2021 war das vergangene Jahr wieder abwechslungsreicher. Vieles, was zwei Jahre ruhte, wacht langsam wieder auf. Manches bleibt allerdings liegen und lässt Platz für Neues.
Auf welchen Themen lagen die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
Habicht: Schwerpunkt war mit dem Kirchengemeinderat das „Schiff auf Kurs zu halten“, was in Vakanzzeiten nicht ganz einfach ist. Ein besonderes Augenmerk lag für mich auf den Kindertagesstätten, dort sowohl als Trägervertreter, aber auch als Pfarrer präsent zu sein und gemeinsam mit der Verwaltungsgeschäftsführung, den Leiterinnen und den Erzieherinnen Gemeinde auch in den Kindergärten zu bauen. Klassische Themen waren auch Konfi-Arbeit, Seelsorge, Besuche und ein nachhaltiger Umgang mit unseren Liegenschaften. Auch der Umgang mit nicht erfüllten beziehungsweise erfüllbaren Erwartungen war für mich Thema.
Layer: In allen Gemeinden geht es momentan um die große Umstrukturierung von Kirche. Weniger Geld, weniger Hauptamtliche, weniger Gebäude. Trotzdem wollen und müssen wir auch nach vorne schauen und nicht im eigenen Saft schmoren. Besonders wichtig ist mir dabei Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und Engagement in der Kirchenmusik. Dazu tritt noch, dass Gottesdienstkonzepte erarbeitet werden müssen und sich Gedanken zu machen ist: Wie kommen Kirche und Glaube auch in neuen und sozialen Medien zum Tragen?
Sie sind ein Gespann an der Spitze der Gemeindearbeit. Wie eng sind Sie aufeinander abgestimmt?
Layer: Wir erarbeiten gerade noch, wie wir unsere Arbeitsschwerpunkte setzen und besprechen viel. Das ist auch nötig, denn zumindest informiert sollten wir beide immer sein. Das Meiste wird sich vermutlich im Lauf der Zusammenarbeit ergeben.
Habicht: Ich kann meinem Kollegen nur zustimmen. Momentan sind wir in der Findungsphase – das erfordert oft Zeit, Geduld, Gespräche und einen guten Umgang miteinander. Und da schaue ich sehr positiv in die Zukunft.
Ist das nicht ein Privileg?
Habicht: Absolut.
Layer: Ein großes.
Wie würden Sie die Besonderheiten in der Struktur der Oftersheimer Kirchengemeinde einordnen?
Habicht: Wir haben einen großen Kern an verbundenen und treuen Gemeindegliedern, die gerne die Angebote annehmen, die wir formulieren – ob es nun von uns als Pfarrer oder durch das große Engagement von Ehrenamtlichem getragene Veranstaltungen sind. Ich erlebe eine große Vielfalt und einen Reichtum an starken Charakteren, die sich mit ihren Ideen zum Wohl der Kirchengemeinde und unseres Ortes einsetzen. Ein wenig Kurpfälzer „Dickschädel“ ist manchmal auch dabei, aber das passt – damit kennen wir beide uns ja aus …
Layer: (lacht) Kann ich noch nicht beantworten.
Wie relevant sind in Ihrem Job inzwischen das Digitale sowie die sozialen Medien?
Habicht: Mittlerweile ist durch die digitalen und sozialen Medien eine ganz andere Form von Außendarstellung möglich. Ich erlebe auch hier die unterschiedlichsten Dinge, manche finde ich einfach großartig gemacht, manche schrecken mich eher ab. Aber auch unsere Kirchengemeinde hat da sicher noch Ausbaupotenzial. Da bin ich froh, mit meinem Kollegen jemanden zu haben, der da noch einmal eine Erweiterung unseres Wirkungskreises in den Blick nehmen wird.
Layer: Zunehmend wichtiger, aber Kirche ist hier insgesamt noch am Ausprobieren. Welche Plattform, welche Inhalte, welche „Darbietungsform“…? Es wird sicherlich eine Verschiebung ins Digitale auch bei Kirche geben, aber wahrscheinlich nicht so schnell und nicht so weit wie in anderen Bereichen.
Umstrukturierungsprozesse und seelsorgerische Arbeit, Letzteres der Kern Ihrer Amtsgeschäfte, sind mitunter zweierlei. Wie packen Sie dieses Spannungsfeld?
Layer: Sie bedingen sich sogar, denn die Umstrukturierung ist ein großer Schmerz- und Abschiedsprozess. Wenn die Veränderung nicht gut begleitet ist, wird sie mehr Wunden reißen, als Lücken schließen – oder noch größere Lücken öffnen. Kirche strukturiert sich sehr oft und sehr stark von unten her. Darum müssen auch vor Ort die Prozesse – seelsorglich – unterstützt sein.
Habicht: Als Bezirkskirchenrat (Leitungsgremium des Kirchenbezirks, gewählt) und Gemeindepfarrer bin ich in einer Doppelrolle unterwegs, die manchmal nicht leicht auszuhalten ist. Einerseits als Bezirkskirchenrat den Blick über den Tellerrand zu haben, den Überblick über die laufenden Umstrukturierungsmaßnahmen zu haben und Veränderungen mit zu beschließen, und andererseits als Gemeindepfarrer vor Ort wahrzunehmen: Mit Veränderung tun sich viele Menschen sehr schwer und sehen mehr Gefahr als Chance, zum Beispiel in Zukunft verstärkt auf regionale Konzepte hinzuarbeiten. Deswegen müssen wir viel darüber sprechen und versuchen, Ängste vor Veränderung zu nehmen und diese gut zu begleiten.
Und wie schaffen Sie beide die Balance zwischen Pfarrer- und Familienvaterdasein?
Layer: Wir leben im Wandel. Natürlich ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht immer einfach. Das Pfarrbild muss und wird sich ändern.
Habicht: Verantwortungsgefühl und Gewichtung sind eine tägliche Herausforderung. Bei uns kommt hinzu, dass wir im Haus des Pfarramtes wohnen – und die Kinder des Pfarrers somit wohl unter besonderer Beobachtung stehen (lacht).
Der Kirchentag 2023 findet im Juni in Nürnberg statt. Welche Impulse versprechen Sie sich davon? Und welche Selbstbeteiligungsmöglichkeiten hat da die Basis?
Layer: Ehrlich gesagt keine Impulse.
Habicht: Ich bin kein großer Eventfan, war auch noch auf keinem Kirchentag. Die Abschlussgottesdienste schaue ich mir aber trotzdem meistens in der Mediathek an – das interessiert mich schon. Von diesen gehen dann doch meistens Impulse aus, die mich zum Nachdenken bewegen. Wie die Selbstbeteiligungsmöglichkeiten der Basis aussehen, kann ich nicht beurteilen. Es sind generell turbulente Zeiten mit Corona, Energiekriese, Ukrainekrieg et cetera.
Haben internationale Entwicklungen Einfluss auf Ihr lokales operatives Tagesgeschäft?
Layer: Corona und Energiekrise hatten beziehungsweise haben große Einflüsse – anfangs waren es die neuen Angebote, die bei geschlossenen Kirchen erdacht werden mussten, jetzt sind es die Fragen rund um Winterkirche, Heizung und Finanzen, die uns besonders drängen.
Wie kann es Kirche künftig schaffen, die Gläubigen dauerhaft in ihren Reihen zu halten?
Layer: Mir gefällt der Gedanke nicht. Ich möchte sie nicht halten, ich möchte, dass sie aus freien Stücken da sind. Dafür muss in jeder Gemeinde und jeder Region genau hingeschaut werden, welche Zielgruppen und welche Angebote man besonders fokussieren möchte. Insgesamt muss Kirche wieder mehr zu den Menschen und nicht warten, bis sie zu ihr kommen.
Habicht: Auch hier bin ich völlig bei meinem Kollegen. Viel zu lange haben wir als Kirche auf die Kommunikationsstruktur gesetzt – zwar mit durchdachten Konzepten und guten Ideen, aber nicht mit der erwünschten Wirkung. Da hinzugehen, wo die Menschen in Oftersheim sind und zielgerichtet nach ihren Bedürfnissen zu fragen, darin sehe ich eine große Chance. Außerdem sollten wir uns als Gemeinde viel öfters raus aus den eigenen vier Wänden wagen und Angebote an besonderen oder gar ausgefallenen Orten formulieren.
Bitte vervollständigen Sie für uns folgenden Gedanken: Für das Jahr 2023 habe ich mir vorgenommen, dass …
Layer: … ich mir nichts vornehme. Dann kann ich mich auch selbst nicht enttäuschen, wenn es nicht klappt.
Habicht: … ich erst mal ganz gesund werde. Mich begleitet seit Mai die Diagnose eines Hirntumors. Mittlerweile steht fest, dass der Tumor gutartig ist, aber leider auf keine medikamentöse Therapie reagiert, das heißt, der Tumor soll und muss raus. Ab Anfang Januar 2023 falle ich erst mal aus. Ich kann noch nicht genau abschätzen, wann ich wieder einsteige – weiß aber die Gemeindearbeit bei meinem Kollegen Simon Layer und dem Kirchengemeinderat in den besten Händen.
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