Oftersheim. Mitten in der geräumigen Küche steht ein kleines Puky-Dreirad. Auf großen Tisch, an dem Kerstin Schnabel zum Gespräch mit unserer Zeitung sitzt, liegen Bücher wie „Der kleine Drache Kokosnuss“. Die quirlige Mutter von Nico (sechs Jahre) und Nora (18 Monate) ist immer auf dem Sprung – denn „ganz nebenbei“ ist die 41-Jährige ja auch noch Chefin der Landbrotbäckerei Schnabel, dem Familienbetrieb ihres Mannes Christian, der die Tradition des Bäckerhandwerks von seinem Vater Friedbert fortführt.
Die Türen sind offen – im buchstäblichen wie im übertragenden Sinn. Immer mal wieder kommen Mitarbeiterinnen aus dem Verkaufsraum nebenan, um etwas abzuklären. Der gemütliche Raum ist, daran gibt es keinen Zweifel, Mittelpunkt von Familie und Betrieb. „Oft kaufen am Wochenende Väter mit ihren Kindern bei uns ein, Freunde von Nico. Die spielen dann hier auch zusammen“, erzählt sie.
Zuständig für alles außer backen
Seit 2010 ist die Neu-Gemeinderätin mit ihrem Christian verheiratet, seit 2011 in der Bäckerei nach eigener Aussage „zuständig für alles außer backen“. Ganz schön umtriebig ist die Ehefrau und Mutter, die für die Freien Wähler mit 2100 Stimmen den Sprung von Listenplatz neun an den Ratstisch geschafft hat. „Mein Arbeitstag fängt um 5.30 Uhr an. Ich räume Brote, Brötchen und süße Teile in die Auslage ein und schließe das Geschäft auf. Dann wecke ich die Nico und Nora und mache sie fertig für Kindergarten und Krippe“, erzählt sie gut gelaunt.
Weiter geht’s im Verkauf, dazu gehört in den meisten Fällen auch ein Plausch mit den Kunden. Kerstin Schnabel weiß immer, was in Oftersheim los ist, wo der Schuh drückt – ganz wichtig für die Arbeit im Gemeinderat.
Straffes Programm
Allein schon die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein straffes Programm. Doch außerdem engagiert sie sich noch im Förderverein des Kindergartens, ist eine der Initiatorinnen für eine Gemeinschaft für Handwerk, Handel und Dienstleistung am Ort, die gerade entsteht. Die Kinder ziehen prima mit. „Auch Nora schläft mittlerweile durch. Das war eine große Hilfe, das hat sie zu meiner besten Wahlhelferin gemacht“, lobt die stolze Mutter, Familienmensch mit Leib und Seele, ihre Tochter.
Die gemeinsame Zeit im Hause Schnabel ist kostbar, weil rar. Aber die vier genießen die verbleibenden Stunden intensiv. Der Papa ist morgens zwar in der Backstube, doch im Haus und immer greifbar. „Wir sind in der Freizeit viel draußen in der Natur, auf Spielplätzen, im Schwimmbad. Nachmittags geht’s oft zu den Dünen bei der Grillhütte. Im Sommer gehen wir gerne zum Zelten. Und Nico kommt jetzt zu den Pfadfindern“, erzählt sie. Manchmal sind sie aber auch in die Karl-Frei-Halle, da spielt Nico Handball.
Dass sie für die Freien Wähler kandidiert, liegt sozusagen in der Familie, sie ist von beiden Seiten „vorbelastet“. Ihr Vater Peter Kugler, ein Oftersheimer Urgestein und lange Jahre Inhaber einer Allianz-Agentur am Ort, ist Mitglied. Und ihren Schwiegervater Friedbert Schnabel löst sie praktisch am Ratstisch ab. Er gehörte dem alten Gemeinderat noch für die Freien Wähler an, kandidierte jetzt aber für die FDP – wo auch seine politische Karriere angefangen hat.
Zwar machte er sich anfangs Gedanken, ob sie sich nicht zu viel aufbürdet, doch Christian Schnabel fand die Entscheidung seiner Frau, für den Gemeinderat zu kandidieren, gut. Sie hat ihn überzeugt. Er stärkt ihr den Rücken. Gleiches gilt für ihren Schwiegervater Friedbert.
Und so war die ganze Familie stolz, als sie ihre Bewerbung abgegeben hat. Am Vormittag der Wahl haben alle mitgefiebert, die Kandidatin hat immer wieder auf ihr Smartphone geschaut, wo die Ergebnisse der Wahlbezirke nach und nach eingetrudelt sind. Aber irgendwann hat sie die Spannung nicht mehr ausgehalten, hat ihren Mann geschnappt und die beiden sind ins Rathaus. Die Freude war groß, als das Ergebnis feststand.
Auch bei Sohn Nico, der die gute Nachricht von einer Erzieherin im Kindergarten erfahren hat. „Er kam ganz aufgeregt nach Hause und hat gesagt: Mama, du hast gewonnen!“, erinnert sie sich. Und sein Kumpel wollte ein paar Tage später wissen: „Musst du jetzt auch mit dem Trump reden?“ Worauf sie diplomatisch antwortete: „Nein, ich helfe dem Bürgermeister.“
Kerstin Schnabel möchte im Gemeinderat gerne mitgestalten, aktiv etwas bewegen: „Natürlich liegen mir die Entwicklung des Gewerbes am Ort am Herzen ebenso wie die Belange von Kindern und Jugendlichen. Ich finde zum Beispiel den Bolzplatz grundsätzlich eine gute Sache.“ In Oftersheim gebe es vieles, was erhaltenswert sei. „Aber manche Dinge muss man auch weiterentwickeln, der heutigen Zeit anpassen wie zum Beispiel die Ganztagsschule. Das ist wie bei uns in der Bäckerei: Man braucht immer wieder neue Ideen.“
Respekt vor der Verantwortung, dass sie den Aufgaben gewachsen ist, hat die Neu-Gemeinderätin schon. Aber die Freude auf alles Neue überwiegt. Bisher finde ich alles interessant. Und wenn ich Fragen habe, unterstützt mich mein Schwiegervater auch“, sagt sie.
Info: Ein Interview ohne Worte unter www.schwetzinger-zeitung.de
Zur Person: Kerstin Schnabel
Kerstin Schnabel ist 41 Jahre. Geboren ist sie in Schwetzingen, aufgewachsen in Oftersheim.
Sie besuchte – wie ihr Mann – die Friedrich-Ebert-Schule (auch Sohn Nico wird dort nach den Sommerferien dort eingeschult).
Danach ging’s in die Schimper-Realschule, ins Hebel- und ins Wirtschaftsgymnasium.
Sie hat Betriebswirtschaft an der FH Ludwigshafen studiert, ehe sie bei der Allianz eine Ausbildung zur Versicherungsfachfrau machte und die Agentur ihres Vaters Peter Kugler übernahm.
Seit 2011 arbeitet sie in der Bäckerei ihres Mannes Christian.
Mit ihm ist sie seit 2010 verheiratet. Die beiden sind Eltern von Nico (6) und Nora (18 Monate). az
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