Mannheimer Straße 59

Oftersheimer Kerwebeerdigung: Ein Rundumschlag zum Abschied

Die Kerwe 2023 ist offiziell beerdigt. Hermann Dolezal dankt mit einer rund 20-minütigen Rede als Kerwepfarrer ab - und teilt dabei ordentlich aus.

Von 
Lukas Heylmann
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Der Hof der Mannheimer Straße 59 ist zur Kerwebeerdigung voll besetzt, viele Gäste stehen. © Heylmann

Oftersheim. Klar – so ganz ohne Seitenhiebe, Satire und die eine oder andere derbe Bemerkung kann so eine zünftige Kerwebeerdigung nicht vonstatten gehen. Aber man wird am Dienstagabend im Hof der Mannheimer Straße 59 den Eindruck nicht los, dass Kerwepfarrer Hermann Dolezal noch weniger ein Blatt vor den Mund nimmt, als er das ohnehin tut.

Der Grund, wenn man denn spekulieren möchte, ist nicht schwer zu ergründen, findet sich allerdings erst am Ende seiner gut 20-minütigen Ansprache: Dolezal tritt ab, nicht für dieses Jahr, sondern generell, auch wenn er es selbst zumindest auf der Bühne mehr andeutet als es tatsächlich auszusprechen. Weg kommt die Pfarrerskleidung und mit Worten aus Reinhard Meys „Gute Nacht, Freunde“ wird das Abdanken dann doch ziemlich eindeutig.

Hermann Dolezal hält seine letzte Rede als Kerwepfarrer. © Heylmann

Doch bevor er diesen Schritt geht und bevor die drei anderen anwesenden Kerweborscht Helmut Spieß, Manfred Müller und Roger Hillengass mit zwei Liedern das Fest zu Grabe tragen – darunter, wie es in der Ansage heißt „zum hundertsten Mal“ auch die Ode an den Oftersheimer Wind – bekommt die Gemeinde ihr Fett weg. Und Rundumschlag ist wohl das richtige Wort für das, was folgt, denn wirklich ausgespart werden weder Anwesende noch die allgemeine Einwohnerschaft der Gemeinde – und nebenbei bemerkt auch mitnichten diese Zeitung und ihre Berichterstattung über die Kerweeröffnung. Letztlich trifft es eben alle.

Name spricht Bände

Im Grunde ist der erste Seitenhieb ja schon der seit Samstag bekannte Name der Kerweschlumpel: „Seidelinde von der Kurpfalzhall“. Was bei Dolezals erster Erwähnung schon für den einen oder anderen Lacher sorgt, ist freilich auch später in der Rede noch mal Thema: die zwischenzeitliche Umbenennung der Veranstaltungsstätte in Roland-Seidel-Halle, was in Oftersheim im vergangengen Jahr wohl mehr Wellen schlug als kaum ein anderes Thema. Dolezal kritisiert insbesondere die Kosten, die die kurzzeitige Namensänderung mit sich brachte. Die sollten, so der abdankende Kerwepfarer „jenem Gemeinderat auferlegt werden, der die Schnapsidee hatte.“ Und immerhin: Es folgt auch Lob für die Entscheidung, zum alten Namen zurückzukehren.

Am Samstag sie noch gut aus: Die diesjährige Kerweschlumpel „Seideline von der Kurpfalzhall“ macht in vier Tagen viel mit. © Polifka

Ansonsten kommen die großen Lokalthemen der jüngeren Oftersheimer Vergangenheit alle der Reihe nach dran, organisiert nach dem Rundgang der Schlumpel durch den Ort. Sei es die, so Dolezals Worte, „Jahrhundertbaustelle Mannheimer Straße“ oder auch der desolate Zustand des Lessingplatzes, den er – unter großem Gelächter – als Oftersheimer Wüste Gobi bezeichnet. Etwas stiller wird es nur Sekunden später, obwohl der folgende Witz eigentlich in eine ähnliche Kerbe schlägt: „Wir waren auch im Wald – falls man noch so sagen kann. Da findet man sich nicht mehr zurecht, aber ein paar Bäume stehen ja noch.“ Wie schlecht es um den Hardtwald steht, ist weiter offensichtlich.

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Die Oftersheimer Kerwe ist eröffnet

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Auch ernste Kritik findet sich in der Rede – und zwar an der Freiwilligen Feuerwehr und dem Ortsverein des Deutschen Roten Kreuzes. Als die Kerweborscht sich an Kommandanten beziehungsweise den Vorsitzenden gewandt hätten, sei von dort keinerlei Reaktion gekommen. Immerhin: Wie viel im Rettungszentrum geleistet wird, betont Hermann Dolezal auch. Im Anschluss mahnt der scheidende Kerwepfarrer noch an, dass bei der sogenannten Tour der Leiden durch die Gaststätten im Ort – die wenigen, die es noch gäbe, wie er an anderer Stelle betont – fast nur Nicht-Oftersheimer anzutreffen gewesen wären, was durchaus auch für Raunen im Hof sorgt. Und selbst die Vereine, die Dolezal an einigen Stellen preist, bekommen folgende Nachricht mit auf den Weg: „Apropos Bäcker: Wenn die Vereine ihre Sachen lieber auswärts kaufen, man aber zig Jahre unterstützt worden ist, muss man sich nicht wundern, wenn die entsprechenden Geschäftsleute, aus den Vereinen austreten.“

Zum Schluss folgen die obligatorischen Fürbitten, bei denen der Kerwepfarrer neben frommen Wünschen für einige Parteien auch den Einwohnern nahelegt, sich mehr zu engagieren. So bleibt am Ende ein denkwürdiger Abtritt.

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