Oftersheim. „Der kluge Heini“ war der Titel eines Theaterstücks, das die „Kleine Bühne“ am 11. Mai 1981 im Josefshaus aufführte. Mit dabei war die damals 25-jährige Barbara Kießling in der Rolle eines Schulmeisters. Danach kam die junge Oftersheimerin nicht mehr weg vom Laienschauspiel. Sie war ja auch familiär vorbelastet. Ihre Mutter Johanna spielte Mundarttheater, ebenso ihr Vater Reinhard und auch ihr Cousin Egon Zürrlein standen auf den Brettern, die die Welt bedeuten.
Ihre Leidenschaft für das Theater begann aber bereits in der Schimper-Realschule, als Lehrerin Gertrud Dörfler ihr 1968 in der Theater-AG die Rolle eines Schneidermeisters gab. Durch Hartmut Kurz und Hans-Peter Sturm kam die junge Barbara schließlich zur Theatergruppe der KJG um die katholische Gemeindereferentin Maria Gramlich.
Die „rührend dämliche Hausdame“ (so schrieb damals die Schwetzinger Zeitung) von Geheimrat Schlüter (Hartmut Kurz) in der Komödie „Das lebenslängliche Kind“ nach Erich Kästners Roman „Drei Männer im Schnee“ war 1982 ihre erste große Rolle. Die Figur der „Mama Hesselbach“ – die „Kleine Bühne“ spielte ab 1982 immer in Mundart – war ihr wie auf den Leib geschrieben. Auch die Stücke „Weihnachtseinkäufe“, „Eine schöne Bescherung“ und „Die Hochzeit“ sind bis heute unvergessen. 1986 wurde zum ersten Mal das Freilichttheater „Im Schatten des Hardtwaldes“ von Hans-Peter Sturm anlässlich des Ortsjubiläums im Hof des Gemeindemuseums aufgeführt. Barbara Kießling verkörperte darin Anna Kettner, die Mutter einer Auswandererfamilie.
Heiterer Dorfabend
In „Der Knopf im Klingelbeutel“ war sie eine vertratschte Nachbarin und in „Der Meisterboxer“ brillierte sie als Adelheid, die Ehefrau eines Schwindlers. Beim heiteren Dorfabend im Festzelt zum Ortsjubiläum 1996 brachte sie mit Dr. Karl Claßen den Sketch „Urlaub zu dritt“ auf die Bühne. Auch in Klassikern wirkte sie gerne mit. „Der kerngesunde Kranke“ frei nach Molière erlebte 1995 erstmals fünf Aufführungen, „Der zerbrochene Krug“ von Heinrich von Kleist wurde dreimal gegeben. Alle Aufführungen waren ausverkauft.
Das Ensemble spielte aber nicht nur im Josefshaus, sondern begeisterte auch bei Gastspielen für den VdK Hockenheim, bei den Musikfreunden und beim Hausfrauenbund sowie im Augustinum in Heidelberg. „Bärbel Kießling gelingt es, den Zorn und die Wut dieser Frau so kraftvoll darzustellen, dass die Bühne zu vibrieren scheint“, schrieb die Presse 1997 über das Stück „Herztropfen“.
Für das 100-jährige Bestehen des Gewerbevereins 1998 verfasste Hans-Peter Sturm mit dem Stück „Bei der Rosl im Lode“ eine Einkaufsszene in Alt-Oftersheim in der Besetzung mit Barbara Kießling. Im Krimi „Plötzlich und unerwartet“ von Francis Durbridge war sie als Sheila Wallis nicht die vermutete Mörderin, in „Zoff übern Zaun“ (2000) dann die Beamtengattin Klara Engerling und in „Benzin, Betrug und fette Beute“ die „flotte Puppe Angie“ eines Rockers.
Mitgründerin der „Kurpfälzer Bühne“
Danach folgte der Ausstieg aus der „Kleinen Bühne“. Mit Hans-Peter Sturm gründete Kießling eine neue Gruppe mit dem Namen „Kimmelspalter“, die bei verschiedenen Gelegenheiten kleinere Auftritte in der Hardtgemeinde absolvierte. 2004 fiel dann der Startschuss für die „Kurpfälzer Bühne“ in Schwetzingen, „mit tatkräftiger Unterstützung von Pfarrer Wolfgang Gaber“, denkt sie gerne zurück. Mit dabei aus früheren Zeiten waren Hans-Peter Sturm, Werner Huckele und Günter Weidmann. „Der 75. Geburtstag“ hieß das erste Stück des neuen Ensembles, das zehn Jahre zuvor von der „Kleinen Bühne“ im Rose-Saal für den Musikverein aufgeführt worden war und nun im Mai 2005 im Rittersaal des „Brauhauses zum Ritter“ erneut Premiere hatte. Seit dieser Zeit begeistern die ein Dutzend Schauspieler um die humorvolle Regisseurin auf komödian-tische Weise jährlich mit neuen, witzigen Auftritten. Bernhard Renz, Margot Doll und Hans-Peter Sturm sind seit der Taufe der „Kurpfälzer Bühne“ an Bord, aber auch einer der Hauptdarsteller Armin Wolf kam schon ein Jahr nach der Gründung mit dazu. „Ein Hant und ein Fuß für Eure Königliche Majestät – der letzte Bär inn Swetzinger hart“ heißt das Stück aus ihrer und Sturms Feder, das zum Auftakt des Spargelsamstags auf der Bühne vor dem Schloss die Uraufführung erlebte und auch die 1950er-Jahre-Revue in der Alten Wollfabrik anlässlich der 1250-Jahr-Feier in Schwetzingen bekam nicht enden wollenden Applaus.
Die 65-Jährige, deren großes Vorbild Mundartdichterin Margot Doll ist, hatte schon immer ein Faible für Theater im kurpfälzischen Dialekt: „Worte, die in Mundart gesprochen sind, haben eine ganz andere Tiefe und Bedeutung.“
Sie habe aber schon manchmal Zweifel gehabt, ob sie mit der Gründung der „Kurpfälzer Bühne“ auch so einer großen Aufgabe gewachsen sei. Ein nettes Ehepaar, das vor Jahren in ihrer Bäckerei eingekauft habe, habe ihr auf diese Frage geantwortet: „Einfach immer authentisch bleiben und sich nicht verbiegen, dann wird es gelingen.“ Für diese Worte sei sie den beiden heute noch dankbar: „Sie gaben mir in entscheidenden Phasen Mut.“
Ihr Theaterherz blutet nach der notgedrungenen Entscheidung, wegen der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr und auch in dieser Saison keine Aufführungen anbieten zu können. „Die Frauenflüsterer“ war das letzte Stück im Oktober 2019 vor der ungewollten Zwangspause. Das Mundart-Ensemble der katholischen Seelsorgeeinheit hofft inständig, dass es nächstes Jahr wieder heißt: „Vorhang auf für die Kurpfälzer Bühne Schwetzingen!“.
Sämtliche Einnahmen kommen schon von Anfang an karitativen Einrichtungen zugute, es wird somit ausschließlich ehrenamtlich gespielt. Das ist ihr besonders wichtig. Gut 120 000 Euro an Spenden dürften so über die Jahre zusammengekommen sein. Beim Rückblick auf vier Jahrzehnte Laienschauspiel dankt Barbara Kießling herzlich, „dass ich diese wunderbaren Erlebnisse, Begegnungen und Erfahrungen machen und Menschen kennenlernen durfte, die mich auf dem manchmal auch steinigen Weg unterstützt haben“.
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