Oftersheim. Pilze sammeln, das ist wie gleiten im Wald, vorsichtig zwischen Blättern und Zweigen und Spinnweben hindurch, in sachten, wohlbedachten Schritten, unter denen nur ab und zu ein trockenes Ästchen knackt. Die Blicke schweifen über Moospolster hinweg, über verschiedene Farben Laub und weichen immer wieder den blendenden Lichtreflexen der Sonne aus, die in Flecken durch die Baumkronen dringt. Pilze sammeln, das ist mehr ein Aufspüren als ein Suchen – und es bleibt jedes Mal ein überraschender Moment, wenn zum Beispiel die langersehnte Platte von Pfifferlingen plötzlich golden unter einer dünnen Laubschicht hindurchschimmert.
Leider sind Pilzerlebnisse dieser Art im Wald um Oftersheim selten geworden. Denn unter den absterbenden Kiefern und Buchen machen sich Neophyten (eindringende Pflanzenarten) wie Traubenkirschen und Springkraut breit. Besonders die Kermesbeere überwuchert rasant und unduldsam den moosigen Untergrund, wo vor wenigen Jahren im Spätherbst noch Maronen wuchsen.
Wie Wildschweine im Oftersheimer Wald den Pilzen das Leben schwer machen
Dazu versperren Brombeeren und eine Vielzahl umgestürzter Bäume den Sammlern zusätzlich den Weg. Die wenigen freien Flächen sind sehr oft durch Wildschweine zerwühlt, die dort wachsende Pilze auch noch gerne verspeisen. Waldinseln oder zusammenhängende Flächen mit ursprünglichen Bodenverhältnissen und der Chance auf Pilzfunde gibt es kaum noch. Doch um diese vor Ort zu finden, hat sich ein erfahrenes Team von Pilzsammlern auf den Weg gemacht.
Gleich zu Beginn der Wanderung, nahe am Wald auf dem Parkplatz der SGO in der Hardtwaldsiedlung, erklärt der bekannte Oftersheimer Bürger und Pilzkenner Michael Seidling: „Früher sind wir nicht zum Pilze suchen, sondern zum Pilze ernten in den Wald. Mein Vater kannte die Plätze und nahm mich als Pflücker mit. Auf den moosbewachsenen Lichtungen, beispielsweise um den Golfplatz herum, gab es so viele Pfifferlinge, dass ich aufpassen musste, sie nicht zu zertreten.“ Das wäre jedoch vor mehr als 60 Jahren gewesen. Damals sei ihm der Wald feuchter und grüner, natürlicher und gesünder vorgekommen, erinnert er sich. Auch habe es noch keinen Einsatz von Großmaschinen zur industriellen Waldbewirtschaftung gegeben.
Mit von der Partie sind außer Seidling der Kreisförster Philipp Edler aus Heidelberg und der Pilzsachverständige Niels Dellinger aus Neulußheim, der im parkartigen Gelände zwischen Straße und Fußballplatz gleich den ersten Pilzfund macht: Eine Gruppe von Giftgartenschirmlingen, die von oben betrachtet leicht mit dem Riesenschirmling (Parasol) zu verwechseln sind, der aber wie ein Schnitzel paniert zum Besten gehört, was heimische Speisepilze kulinarisch offenbaren können.
Dellinger verweist anhand dieses Beispieles darauf, dass man zur Bestimmung und zum Vergleich von Pilzarten den gesamten Pilz mit Knolle benötige und dass Sammler nur Exemplare verwerten sollten, die sie genau kennen und die noch frisch und jung sind. „Die meisten Pilzvergiftungen entstehen aus altem und verdorbenem Material und sind somit als Lebensmittelvergiftungen anzusehen“, warnt der Fachmann und bietet sogleich an, dass interessierte Leute gerne nach Absprache zur kostenlosen Korbkontrolle zu ihm nach Neulußheim kommen könnten.
Bestes Pilzwetter bei der Wanderung durch den Oftersheimer Wald
Auf dem Heuweg läuft die Gruppe in den Wald hinein und dann am weitläufigen Wildgehege vorbei. Nachdem es die ganze Nacht über und den ganzen Vormittag hindurch geregnet hatte, meint es das Wetter doch noch gut mit den drei Pilzsammlern. Bei fast trockener und nicht zu warmer Witterung lässt es sich gut wandern: „Eigentlich bestes Pilzwetter“, meint wiederum Niels Dellinger. „Nach dem heißen Wochenende ist die Wärme im Boden und jetzt kommt das Wasser dazu. Es kann gut sein, dass in den nächsten Tagen die Pilze nur so aus dem Boden schießen.“ - Philipp Edler und Michael Seidling nicken zustimmend mit dem Kopf.
Immer wieder finden die drei Experten unterschiedliche Pilzarten direkt am Weg oder nach nur wenigen Schritten in den Wald. Nach den giftigen Karbol-Egerlingen und dem Kahlen Krempling die essbaren Rotfussröhrlinge, Perlpilze und Parasole. An einem dicken Totast zeigen sich sogar die Fruchtkörper des Austernseitlings, dessen heimische Art zum Fruchten einen „Frostschock“ braucht, und der normalerweise zwischen November und Februar zumeist an abgestorbenen Bäumen und Stümpfen erscheint. Wie Niels Dellinger erklärt, handele es sich bei diesen Austernpilzen um eine ganzjährige Zuchtvariante, genau jene, die auch in den Supermärkten erhältlich sei.
Diese Pilze wurden bei der Wanderung gefunden
- Speisewert positiv: Parasol, Herbstrotguß-Röhrling, Hainbuchenraufuß-Röhrling, Perlpilz, Flaschen-Stäubling (eingeschränkt), Austernseitling, Lungenseitling, Eichenfilzröhrling, sternschuppiger Riesenschirmling, gemeiner Rotfußröhrling, Blutroter Röhrling, gemeiner Waldfreundrübling (eingeschränkt), Sklerotien-Stielporling.
- Giftig: Kahle Krempling (tödlich), gerandetknolliger Giftgartenschirmling, Pantherpilz (tödlich), gelbflockiger Wollstiefelschirmling, grünblättriger Schwefelkopf, Karbol-Egerling, grüner Knollenblätterpilz (tödlich).
Am Bahnübergang angekommen, drückt Michael Seidling auf den Knopf des in Ehren gealterten Ruftelefons. Kaum 200 Meter weiter begeben sich alle nach rechts in den Wald hinein, in ein noch intaktes Stück sauren Buchenwaldes. Dort ist jedoch wenig zu finden. So ergreift der Förster Philipp Egner die Gelegenheit, über die Probleme und die Zukunft seines Waldes zu berichten: „Der Wald ist stark im Wandel. Die Kiefern und die alten Buchen werden wohl demnächst absterben. Wir setzen daher hauptsächlich auf die robusteren Eichen, die dem Druck der Erderwärmung länger standhalten. Besonders mit den Traubeneichen versuchen wir an geeigneten Stellen die Naturverjüngung.“
Mit einfachen Worten gesagt, sei Naturverjüngung das Aufwachsenlassen von Jungbäumen, die aus Samen des Altbestandes gekeimt sind. Und Edler erklärt weiter: „Andere sogenannte Zukunftsbäume sind zum Beispiel die Ferr- und Flaumeiche sowie die Roteiche. Auch für die Hainbuche, die Winterlinde und den Feldahorn besteht noch Hoffnung. Demnächst werden wir hier auch Versuche mit der Hopfenbuche machen.“ Das Ziel sei es, so hofft der Förster, mit waldbaulichen Mitteln wieder geschlossene Blätterdächer aufzuziehen, unter denen die lichtbedürftigen Neophyten wie Kermesbeere, Traubenkirsche und Co. keine Chance hätten und wieder verschwinden würden.
Im Gegenzug bewertet Niels Dellinger die von Edler genannten Bäume bezüglich ihrer Eignung als Symbiosepartner für Pilzarten. Eichen seien dafür seit jeher wertvoll: Die Roteiche sei bereits von den Pfifferlingen angenommen worden. Linden und Hainbuchen seien ebenfalls geeignet, Ahorne jedoch nicht so sehr. Bei den Zerr- und Flaumeichen sowie der Hopfenbuche müsse man abwarten.
Nach gut zwei Stunden macht sich die kleine Gruppe auf den Rückweg. Angenehm und spannend sei die Exkursion gewesen, wie alle gemeinsam urteilen. Der Sachverständige Dellinger ist zwar der Meinung, dass die heute aufgesuchten Waldstücke aus mykologischer (pilzlicher) Sicht nicht besonders interessant oder schützenswert seien, da man kaum seltene Mykorrhiza gefunden habe.
Was sind Pilze?
- Pilze bilden ein eigenes biologisches Reich , da sie weder den Pflanzen noch den Tieren zugeordnet werden können. Sie betreiben keine Photosynthese und ihre Zellwände bestehen aus Chitin, was sie von den Pflanzen unterscheidet. Und sie können sich nicht wie Tiere bewegen und ernähren sich nicht wie diese über ein Maul, sondern durch ihre Zellwände hindurch (Osmose).
- Bei den Mykorrhizapilzen verbindet sich deren Wurzelgeflecht beispielsweise mit Wurzeln von Bäumen. Dabei findet ein Stoffaustausch statt, bei dem beide Partner profitieren (Symbiose). Diese Pilze liefern den Pflanzen Wasser und darin gelöste Nährstoffe, für die sie im Gegenzug von den Pflanzen zuckerähnliche Stoffe erhalten. Diese Lebensweise betreibt zum Beispiel die gesamte Familie der Röhrlinge, zu der die bei Pilzsammlern beliebten Maronen und Steinpilze gehören.
- Eine andere große Gruppe von Pilzen (Saprobionten) ernährt sich von bereits totem organischen Material . Die Krause Glucke zum Beispiel ernährt sich wirtsspezifisch nur von totem Kiefernholz. Weitere Speisepilze wie der Riesenschirmling (Parasol) oder der Austernseitling gehören hier ebenfalls dazu.
- Drittens gibt es die Schmarotzer (Parasiten) unter den Pilzen, deren Pilzgeflecht noch lebende Organismen attackiert. Bekanntere Beispiele hierfür sind der Hallimasch oder der Schwefelporling, die ebenfalls essbar sind. Doch nicht nur Bäume, sondern auch andere Pflanzen, Tiere und Menschen können von Pilzparasiten befallen werden.
- Leider sind nicht wenige Vertreter heimischer Pilzarten sehr giftig bis tödlich giftig wie der Grüne Knollenblätterpilz, der Pantherpilz oder der Kahle Krempling. Deswegen sollte jeder, der nach einem Pilzgericht auch nur geringe Beschwerden verspürt, umgehend den Giftnotruf kontaktieren (Telefon 0761/19240), der an einen in der betreffenden Region tätigen Pilzsachverständigen verweist. Im Verbreitungsgebiet der „Schwetzinger Zeitung“ ist dies: Niels Dellinger aus Neulußheim (Telefon 0151/64309906). Bei starken Vergiftungserscheinungen muss sofort der Rettungsdienst/Notarzt gerufen werden (Telefon 112). In beiden Fällen sind noch vorhandene Pilzteile oder Bilder von ihnen zu suchen und vorzuhalten.
Dennoch meint er, dass Teile des Waldes um Oftersheim immer noch gut für Sammler von Speisepilzen geeignet seien: „Aber es dürfen nur bis zu zwei Kilo Pilze pro Person und Tag mitgenommen werden. Von den geschützten Pilzarten, zu denen auch Pfifferlinge und Steinpilze gehören, nur ein Kilo pro Tag. Und in Naturschutzgebieten ist das Sammeln von Pilzen grundsätzlich verboten.“
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