Oftersheim. Die Region wartet seit Wochen sehnsüchtig auf Regen. Doch dass der nun ausgerechnet für Samstag angekündigt war, ließ Unruhe bei den Organisatoren des Ortsmittefestes aufkommen. Zu allem Übel erschien auf dem Wetterradar noch eine ganz erhebliche Gewitterwahrscheinlichkeit – der absolute Partykiller.
Bürgermeister Jens Geiß schaute bei der offiziellen Eröffnung gegen halb sechs am Abend denn auch kritisch zum wolkenverhangenen Himmel, freute sich aber „über den Blick von der Bühne hier oben auf die Zuschauer. Das sieht gut aus“, meinte er. Die Bänke und Tische unter den Kastanienbäumen im Hof der Friedrich-Ebert-Schule waren schon sehr gut besetzt. Und auch mit dem Fassbieranstich klappte alles: Mit drei Schlägen trieb der Rathaus-Chef den Zapfhahn in die Spundwand, dann ließ „Assistent“ und Kulturamtsleiter Guido Hillengaß das Bier in die Gläser fließen.
Die Hiobsbotschaft, die die Verantwortlichen am späten Nachmittag erreichte, hatte da schon die Runde gemacht: Kevin Solert hat’s erwischt. Ein Hexenschuss setzte den Frontman der „Who2ladies“, der bei den Konzerten seiner Band gerne mal über die Bühne fegt, außer Gefecht. Das war’s dann mit dem geplanten Auftritt beim Ortsmittefest. Doch lange hielt die Schockstarre bei den Verantwortlichen nicht an, ein Ersatz war schnell gefunden.
Glücklicherweise ist die Musikerszene der Region gut vernetzt. Und so genügte ein Anruf von Martin Weissmann bei einem Kollegen – und „Athis Music Lounge“ rückte an. Zwar durfte die Band um 21 Uhr eine Hochzeitsgesellschaft in Malsch unterhalten und hatte ihr Equipment schon dorthin geschafft. Aber Musiker sind ja flexible Menschen, und wann gibt’s schon die Gelegenheit zu einer Generalprobe vor so einem Publikum? Also rockten die Jungs ab 18 Uhr zwei Stunden lang das Ortsmittefest – schon hochzeitfein und schnieke gekleidet in schwarzer Hose, weißem Hemd.
Augenzwinkernd meinte Guido Hillengaß, wohlwissend, dass das Glück des Tüchtigen auf seiner Seite war: „Ja, wir sind eben für alle Fälle gerüstet. Wir haben immer noch einen Plan B im Portfolio.“
Die meisten Bandmitglieder von „Athis Music Lounge“, auch Namensgeber Athi Sananikone , haben im Jugendzentrum der Hardtgemeinde rocken gelernt. Das erzählte Ewald Berlinghof, seines Zeichens „Ofdascha Altrocker“ und langjähriger Gitarrenlehrer in der Jugendeinrichtung, stolz. Und so war es für die Jungs ein Heimspiel. „Ich bin hier zur Schule gegangen. Ich hätte es mir nie träumen lassen, dass ich auf diesem Hof mal Musik machen darf“, begrüßte der bestens aufgelegte Frontman die Besucher. „Wir freuen uns, dass wir zwei Stunden hier abrocken dürfen. Wir helfen gerne aus.“ Mit dem Auftaktsong „It’s my Life“ gaben sie dann auch gleich einen Vorgeschmack auf die kommenden 120 Minuten.
Vollwertiger Ersatz
„Die sind ein vollwertiger Ersatz, machen tolle Musik“, lobte Gerlinde Groß. „Normalerweise gehen wir ja zu Blues-Konzerten, aber Athi bringt echte Festival-Stimmung mit“, spielte sie auf den einsetzenden Regen an. „Das Wetter ist zwar bescheiden, es hätte jetzt auch noch zwei Tage halten können. Aber es ist ein wunderbares Fest, organisatorisch läuft alles super.“ Von ihr gab’s zwei Daumen nach oben.
Aller Ehren wert fand sie den Einsatz der Gemeindemitarbeiter, die seit Donnerstag unermüdlich 100 nagelneue Biertischgarnituren aufgebaut hatten. Und die legten noch nach. Damit es die Besucher trotz des stärker werdenden Niederschlags kommod hatten, bauten sie schnell noch ein paar Pavillons über den Tischen und Bänken auf, die nicht unter dem Schutz der dicht belaubten Kastanienbäume standen.
Rathaus-Mitarbeiterin Jutta Kobbert verteilte derweil durchsichtige Regenponchos – Restbestände der 1250-Jahr-Feier vor zwei Jahren. „Die haben wir für den Festzug angeschafft. Wenn es geregnet hätte, wären die Zugteilnehmer damit ausgestattet worden“, erklärte sie. Jetzt leisteten sie gute Dienste.
Die Musiker auf der überdachten Bühne präsentierten sich weiterhin in ausgezeichneter Spiellaune. „Gefühlt ist ja unser halber Abi-Jahrgang da. Mann, sind wir alt geworden“, stellte Athi Sananikone lachend fest, um mit „Dance, Dance, Dance“ oder „Your Sex is on Fire“ die Stimmung unter den Regenschirmen weiter anzuheizen.
Hartmut Kurz war trotz des unbeständigen Wetters zum Ortsmittefest gekommen, „weil ich schon immer hier war. Ich bin Ur-Einwohner und freue mich auf vier bis 15 Small-Talks mit Freunden und Bekannten“, verriet er grinsend und zeigte sich zufrieden „mit den Oftersheimern und ihrem Engagement“.
Auch Mandy Krumnow wolle mit Mann, Kindern und Freunden einen netten Abend verbringen, erzählte sie. „Das Wetter könnte zwar besser sein, aber die Musik ist toll. Das macht gar nichts, dass eine Ersatzband spielt, die ist super“, lautete ihr Urteil, während „Athis Music Lounge“ zu „Breakfast at Tiffany’s“ ansetzte.
Ähnlich begeistert von der Band war auch Heidi Kindels aus Walldorf, die nach ihrem Dienstschluss im Schwetzinger Krankenhaus mit einer Freundin in die Nachbargemeinde gekommen ist: „Ich finde es total toll, dass die Leute dem Regen trotzen, einfach sitzenbleiben und ihren Schirm aufspannen. Es macht Spaß zu sehen, wie die Kinder vor der Bühne tanzen“, brachte sie den Charakter des Ortsmittefestes auf den Punkt: Alle Generationen haben Spaß und lassen sich die Feierlaune auch von äußeren Widrigkeiten nicht verderben – typisch Oftersheim eben. Wie passend, dass die Band die Gute-Laune-Garanten „Ein Hoch auf uns“ und „An Tagen wie diesen“ anstimmten. Eins bedauerte Heidi Kindels allerdings: „Dass die Weinschorle in Plastikbechern ausgeschenkt wird.“
Sie lassen’s richtig krachen
Mittlerweile hatte Martin Weissmann die Bühne erklommen. „Ihm haben wir es zu verdanken, dass wir gerade hier sind, er hat uns angerufen und hergelotst“, moderierte Athi Sananikone den Gastsänger an. „Uns macht’s einen Heidenspaß, jetzt lassen wir’s mal so richtig krachen“, versprach er – und hielt Wort mit „Herz über Kopf“. Trotz des engen Zeitplans war auf Bitten von Bürgermeister Geiß sogar noch die Zugabe „Words up“ drin, ehe sich „Athis Music Lounge“ dann in Richtung Malsch zur Hochzeit aufgemacht hat.
Steffi Uhrig fand es „super, dass es ein Ortsmittefest gibt, dass hier was los ist. So was muss sein in der Gemeinde. Und jetzt freue ich mich auf ,Papis Pumpels’.“
Die Schlagerbarden betraten pünktlich um halb neun die Bühne – wie vorgesehen. Viele Besucher des Ortsmittefestes kannten die amüsante Kapelle aus Stockach am Bodensee noch von ihrem unvergesslichen Auftritt bei der 1250-Jahr-Feier. Und auch dieses Mal erfüllten sie alle Erwartungen.
Mit dem „Festival der Liebe“ zündeten sie gleich die erste Rakete ihres musikalischen Feuerwerks. „Papi“ und Bandleader Rainer Vollmer erschien im weißen Anzug im 1970er-Jahre-Schnitt und Paillettenhemd und verzückte mit einem Hüftschwung die Massen. Mittlerweile hatte es auch aufgehört zu regnen, deshalb ging’s gleich munter weiter mit dem Lied „Die Sonne scheint bei Tag und Nacht, eviva España“.
Nicht nur als Sänger, auch als Entertainer blieb Papi Rainer nichts schuldig. Launig schilderte er beispielsweise seine Erfahrungen mit holländischen Wohnwagen auf der Autobahn und auf dem Campingplatz – und das schlagererfahrene Publikum wusste ganz genau, was jetzt gleich kommen würde: „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“, das One-Hit-Wonder des unvergessenen Moderators Rudi Carrell.
Der lange Zeit totgesagte Schlager – das war beim Ortsmittefest wieder einmal zu sehen – schafft es, Generationen zu verbinden wie sonst kaum eine Musikrichtung. Da trällerten Menschen, die die Lieder noch vom Original kennen, versonnen mit. Und für ihre Enkel war es einfach nur total angesagt, sich zu den Events, zu denen sich solche Konzerte gemausert haben, in die Polyester-Klamotten ihrer Vorväter zu schmeißen, die geruchstechnisch keine Wärme verzeihen. Unter diesem Aspekt war das Wetter am Samstagabend ein Segen.
Auch die rührigen Mitglieder des Vereinskartells – die Generation zwischen Großeltern und Enkelkindern – standen dem Motto „Schlager der 1970er Jahre“ in nichts nach. Die Damen haben die durstigen Gäste in fröhlich regenbogenbunt-gestreiften Overalls (so hießen Jumpsuits in den 1970er Jahren) bedient, die Herren hatten schreiend hellblaue Rüschenhemden beim Bierzapfen auf dem Wagen an.
„Einfach saugeil“ fanden die Ehepaare Schön aus Oftersheim und Stammer aus dem Hohenlohischen „Papis Pumpels“. Die Gäste aus der Nähe von Heilbronn sind Fans der Band und das wissen die Freunde aus der Hardtgemeinde. Deshalb sind sie angereist, stilecht mit Strohhut und Sonnenblumen und singen lauthals mit. Später gab’s für die drei am originellsten gekleideten Paare auf der Bühne noch Preise.
Auch Ines Lauff, mit einer bunten Kette und ebensolchem T-Shirt, gefiel das Konzert prima: „Meine Erwartungen sind bis jetzt voll erfüllt“, sagte sie in der ersten Pause, „und das Wetter ist auch super.“
Ein paar Meter weiter standen Martina und Michael Zipf – er im sonnengelben Polyester-Rüschenhemd aus der Fasnachtskiste. Sie haben die Geschäftskollegin Lesa Beber aus Singapur mitgebracht: „Gerade, wenn man eine Weile im Ausland war, ist so ein Fest eine tolle Gelegenheit, alle Bekannten und Freunde wiederzusehen.“
In der zweiten von drei Runden heizten „Papis Pumpels“ die Stimmung weiter an: mit „Mendocino“, „Barfuß im Regen“ oder „Michaela“. Auf rund 1500 bis 2000 Besucher schätzte Mitorganisator Guido Hillengaß die Resonanz. „Das ist optimal. So ist es nicht überlaufen und die Schlangen an den Verpflegungsständen werden nicht zu lange.“
Schneller gegessen als zubereitet
A propos Verpflegung: Die Vereine haben ein breitgefächertes Angebot bereitgehalten. Die 350 Schaschlik-Spieße beim TSV waren beispielsweise am Abend ausverkauft. Damit teilten die Vereinshobbyköche den Seufzer mancher Hausfrau: „Gegessen ist es schneller als zubereitet.“
Zum Erfolgsrezept von „Papis Pumpels“ gehört es nach eigener Aussage, Schlager zu „verpumpeln“: Was er damit meint: Die Band untermalt beispielsweise „Über sieben Brücken“ mit Takten aus „Careless Whisper“. Ein anderes Beispiel: „Wie man Nirwana mit Schlager verbinden kann, das ist schon sensationell“, schüttelte Jürgen Holdermann fassungslos den Kopf.
Und weil auch der schönste Abend – mittlerweile unter wolkenlosem Himmel – einmal zu Ende geht, war dann kurz vor Mitternacht Zeit für die Abwandlung des Demis-Roussos-Klassikers „Die Pumpels sagen good-bye“.
Info: Weitere Bilder gibt’s unter www.schwetzinger-zeitung.de
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/oftersheim_artikel,-oftersheim-plan-b-entuppt-sich-als-musikalischer-volltreffer-_arid,1287040.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/oftersheim.html