Oftersheim. Bürgerschaftliches Engagement, Sachverstand, Zuverlässigkeit und Fleiß – das zeichnet seit jeher den Oftersheimer Ehrenbürger Roland Seidel (80) aus. 2018 bekam er von Staatssekretär Dr. Andre Baumann das Bundesverdienstkreuz am Bande ans Revers geheftet. Im Januar 2022 verließ er nach sage und schreibe 53-jähriger Tätigkeit den Gemeinderat, damit ist Seidel mit Abstand der alleinige Rekordhalter.
Zum Abschied meinte ihm der Rat eben ein besonderes Geschenk machen zu wollen – der Bühnenvorhang in der Kurpfalzhalle ging auf und da hing das Schild mit dem Schriftzug „Roland-Seidel-Halle“. „Ich war total überrascht“, erzählt Seidel im Gespräch mit dieser Zeitung: „Was sollte und soll ich da machen? Es ist ein Geschenk, da kann ich doch nicht sagen, nein, ich will das nicht. Damit würde ich ja auch dem Gemeinderat vor den Kopf stoßen“, sagt er uns heute.
Pragmatische Sicht der Dinge
Roland Seidel ist diese Episode spürbar unangenehm. Er selbst spricht immer nur von der Kurpfalzhalle, der Name Roland-Seidel-Halle kommt ihm nicht über die Lippen. Und auch seine Frau Gisela (76) ergänzt: „Ich habe noch nie Roland-Seidel-Halle gesagt.“ Seit Monaten müssen die Seidels mit Frotzeleien im Ort leben. ‚Oh, gehst du heute in die Roland-Seidel-Halle?’ oder ‚Zahlst du auch die Nebenkosten in der Halle?’ werde er etwa gefragt.
Seidel selbst sieht die Dinge pragmatisch: Er habe bei der Namensumbenennung nie irgendwelche Aktien drin gehabt. „Das soll mein Sohn Pascal noch mal auf die Tagesordnung setzen“, sagt Seidel Senior, dessen jüngerer Sprössling bekanntlich ab 1. November die Amtsgeschäfte von Bürgermeister Jens Geiß übernehmen wird. Pascal Seidel (39), der scheidende Ordnungsamtsleiter der Stadt Schwetzingen, hatte genau dies bei der Kandidatenvorstellung am 12. September angekündigt und damit womöglich weitere Pluspunkte im Wahlkampf gesammelt.
Vielleicht ist man als Heimatvertriebener besonders heimatverbunden – das mag schon sein. Die Familie Seidel jedenfalls kam 1946 nach einem Zwischenstopp im damaligen Sammellager in Hockenheim nach Oftersheim in den „Kronprinzen“. Sie stammt aus Sudetendeutschland, genauer gesagt aus der kleinen Gemeinde Kawarn. Dort war Roland Seidels Vater, ein Landwirt, auch einige Jahre lang Bürgermeister.
Die Seidels lebten zunächst im heutigen Siegwald-Kehder-Haus mit sieben Personen in einem Raum. 1952 zogen sie in die Siedlung. Mit Schippe und Schaufel sowie mit vereinten Kräften bauten sie ein Haus in Eigenregie. „Mein Vater war handwerklich sehr begabt und verdiente sein Geld als Schreiner“, erinnert sich Roland Seidel an die Nachkriegsjahre.
Die Eltern als Vorbilder
Die bescheidene Lebensweise der Eltern nötigt ihm großen Respekt ab. Insgesamt sechs Kinder zog die Mutter groß, sonntags habe es gutes Essen gegeben, Leberknödelsuppe und Schnitzel, sonst freilich hätten Arbeit, Bodenständigkeit, Schule, Sport und Musik (Vater, Onkel und Roland Seidel waren passionierte Violinisten) den Alltag geprägt. „Meine Eltern sind für mich immer Vorbild gewesen, gerade auch, was sie aus uns Kindern gemacht haben“, erzählt Seidel, dem es dabei für einen Moment zart die Tränen in die Augen treibt.
Heimat – was ist das für ihn? „Familie, Freunde, soziale Kontakte – ich habe hier meine Heimat gefunden. Und fast alles, was ich gemacht habe, war mit Oftersheim verbunden“, so Seidel. „Ofdasche“ sei keine allzu große Gemeinde, man befinde sich inmitten eines Naherholungsgebiets unweit von Städten wie Schwetzingen, Heidelberg und Speyer. „Wir fühlen uns hier pudelwohl“, konstatiert Seidel und lächelt smart. Das einzige, was sich Gisela, die ursprünglich aus Gütersloh stammt, und Roland (Ausnahmesatz: „Gibsch de Ball her?“) nie so richtig angeeignet haben, ist der kurpfälzer Dialekt.
Ausbildungstechnisch und beruflich hat Roland Seidel das Bestmögliche herausgeholt. Er studierte an der Universität Heidelberg Sport und Französisch. Gönnte sich zwischendurch ein Auslandsjahr und „Savoir vivre“ in Lyon. Sport schloss er ab, Französisch nicht – so dass Seidel zunächst als „Nebenlehrer“ in Schwetzingen, Mannheim, Oftersheim und Lampertheim tätig war. 1982 bewarb er sich beim Erlebnisbad Bellamar, wurde Betriebsleiter, später, unter Schwetzingens Oberbürgermeister Gerhard Stratthaus, gar Kulturamtsleiter. Das Bellamar wurde einfach in dieses Amt integriert. Der offizielle Eintritt in den Unruhestand erfolgte 2007.
Alphatier im Handball
Bekannt ist Roland Seidel darüber hinaus als Handballspieler und langjähriger Trainer. Mit zwölf Jahren ging es beim TSV Oftersheim los, mit 20 war er bereits Spielertrainer. Eine Führungsfigur, ein Alphatier. Er trainierte den TV Schwetzingen, den TSV Malsch, den TV Seckenheim und die TSG Ketsch, was seinerzeit einem delikaten Übertritt in „Feindesland“ gleichkam. „Als Trainer erweitert man seinen Horizont“, sagt Seidel: „Man muss gut mit Menschen können.“ Fast 40 Jahre Tätigkeit für die Volkshochschule kommen hinzu. Dort leitet er nach wie vor eine Koronarsportgruppe, ist als Vorstand für die BSG Rehasport aktiv und in der Oparolle ist er zudem gerne eingesetzter „Taxifahrer“ seiner vier Enkel.
Oder wie Ehefrau Gisela sich ausdrückt: „du“ stünde für „dauernd unterwegs“. Seidel ist stets in Bewegung. Das braucht er, das prägt sein Leben. Mit 27 kam er damals für die Oftersheimer Liste in den Gemeinderat, wechselte 1972 zur Freien Wähler Vereinigung (FWV), die sich in Oftersheim gegründet hatte. Sein Credo: „Ich wollte nie in eine Partei. Ich mache ‚nur’ Kommunalpolitik, kümmere mich um all das, was auf Ortsebene los ist.“
Tausendsassa Roland Seidel ist sich treu geblieben. Auf sein Wort ist hundertprozentig Verlass. Sein jahrzehntelanges Engagement für die Oftersheimer Heimat ist einzigartig. Ob es indes zur Würdigung all der Verdienste einer Umbenennung der Halle bedurft hätte? Roland Seidel geht jedenfalls unverändert in die Kurpfalzhalle.
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