Im Porträt

Romani Rose ist Vorsitzender des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma und wohnt in Oftersheim

Von 
Janina Hardung
Lesedauer: 
Er fühlt sich in der Gemeinde schon seit Jahrzehnten wohl: Hier ist Romani Rose mit seinen Söhnen im Oftersheimer Hardtwald bei einer Fahrradtour. © Rose

Oftersheim. Romani Rose sitzt im Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma an einem Besprechungstisch. Nicht nur in diesem Zimmer stehen etliche Ordner und Kartons – gefüllt mit unzähligen Akten und Informationen der vergangenen Jahrzehnte. Seit der Gründung des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma im Februar 1982 ist Rose dessen Vorsitzender. Er setzt sich seit Jahrzehnten für die gleichberechtigte Teilhabe der Minderheit ein – und es hat sich schon einiges getan.

Romani Rose lebt seit 40 Jahren mit seiner Frau in Oftersheim. „Ich bin gebürtiger Heidelberger und ich lebe sehr gerne in der Kurpfalz. Oftersheim hat eine hohe Lebensqualität und ich gehe gerne im Wald spazieren oder auch Fahrradfahren. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis mit dem Bürgermeister und meinen Nachbarn“, erklärt der 75-Jährige.

Zur Person: Romani Rose

Romani Rose wurde 1946 in Heidelberg geboren, seit 40 Jahren wohnt er in Oftersheim.

Bei der Gründung des Zentralrats im Jahre 1982 wurde er von den Delegierten der Mitgliedsorganisationen – damals neun, heute 17 Landesverbände und regionale Vereine – zum Vorsitzenden gewählt und seither alle vier Jahre auf den Mitgliederversammlungen in seinem Amt bestätigt. Ab dem Jahre 1991 übernahm Rose die Geschäftsführung des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg.

Er ist bei den Regierungen von Bund und Ländern und auch im Ausland seit vielen Jahren bekannt für seine Entschlossenheit und für die konsequente und unnachgiebige Arbeit. zg

Mit Blick auf die aktuelle Bundestagswahl sieht er die Macht der AfD kritisch: „Die AfD ist keine demokratische Partei. Sie steht für nationale Überheblichkeit.“ Deshalb müsse man sich mit ihr politisch auseinandersetzen. Er erinnert dabei an die Zeit des Nationalsozialismus. 13 Personen seiner Familie wurden im Holocaust, dem europaweit 500 000 Sinti und Roma zum Opfer fielen, in den verschiedenen Konzentrationslagern ermordet, darunter auch seine Großeltern.

Vater musste sich verstecken

Diese Erfahrung habe ihn natürlich sehr geprägt. „Wenn man 600 Jahre in einem Land lebt, dieses Land als seine Heimat wahrnimmt und dann plötzlich rechtlos gemacht, deportiert und der Vernichtung preisgegeben wird, dann ist das eine Erfahrung. Mein Vater, aber ebenso mein Onkel haben überlebt. Mein Vater war in keinem Konzentrationslager, er musste sich überall verstecken, auch außerhalb Deutschlands.“ Nach dem Krieg blieben beide trotz dieser traumatischen Erlebnisse in Deutschland. „Deutschland war immer noch ihre Heimat und man fühlt sich da zu Hause, wo man die Sprache spricht. So war das bei meinem Vater und deshalb ist er hiergeblieben“, sagt Rose. Sein Vater und sein Onkel, die die Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma bereits kurz nach dem Krieg in Deutschland auf den Weg brachten, seien auch ein Grund, warum er sich seit Jahrzehnten für die Rechte der Minderheit einsetzt.

In den vergangenen Jahren haben die Angriffe von Neonazis, denen immer wieder auch Sinti und Roma zum Opfer fallen, wie beim Anschlag im Olympiaeinkaufszentrum in München 2016 oder in Hanau 2020, gezeigt, dass der „Rassenhass“ auch weiterhin in manchen Köpfen brodelt. „Nach dem Jahr 1945 war die Ideologie des Nationalsozialismus ja nicht einfach zu Ende. Wir wurden befreit und es gibt eine beispielhafte Verfassung. Trotzdem lösten sich der Antiziganismus oder der Antisemitismus, die zu dem Zivilisationsbruch des Holocaust führten, nicht einfach auf“, sagt er. Er sei noch nach dem Krieg in den Amtsstuben der bundesrepublikanischen Verwaltung deutlich zu spüren gewesen und auch heute noch tief in der Gesellschaft verwurzelt. Den Grund für die steigende Fremdenfeindlichkeit sieht Romani Rose in der aktuellen Krisenzeit. „Wenn die Menschen verunsichert sind, dann suchen sie nach Gründen für ihre Verunsicherung. Unsere Minderheit wird in der europäischen Geschichte schon immer, genau wie die Juden, als Sündenbock abgestempelt. Antiziganistische Bilder wurden seit Jahrhunderten tradiert“, erklärt Rose. Da helfe nur: Aufklärung. In Schulklassen, die aus ganz Rheinland-Pfalz, Hessen oder Baden-Württemberg nach Heidelberg kommen – oder auch in der Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt (BKA).

Bundesbeauftragter gefordert

Angehenden Polizisten lernen in vom Dokumentations- und Kulturzentrum organisierten Workshops vor Ort einiges über die Geschichte der Sinti und Roma, aber auch über die Geschichte der Polizei, die am Holocaust an den Sinti und Roma und auch an der späteren Diskriminierung einen großen Anteil hatte. Außerdem müsse auch die Regierung weiter tätig werden, um den Antiziganismus weiter zu ächten. Sie hat in der vergangenen Legislaturperiode eine Unabhängige Kommission Antiziganismus (UKA) einberufen, die ihren Abschlussbericht mit Handlungsempfehlungen jüngst vorgelegt hat.

Eine ihrer Forderungen, die vom Zentralrat unterstützt wird, ist die Berufung eines Bundesbeauftragten für Antiziganismus. Romani Rose will ein Bewusstsein schaffen für die kulturellen Leistungen, die Angehörige der Minderheit in diesem Land beitragen: „Die Menschen wissen oft gar nicht, dass wir schon seit mehr als 600 Jahren in Deutschland leben“, erklärt er – das will er weiterhin ändern.

Momentan wird über ein neues Gebäude des Zentrums gesprochen. Einige Bürger üben Kritik, weil es ihnen zu groß scheint. „Das war noch nicht der endgültige Entwurf, sondern die Ausschreibung, die gewonnen hat. Wir wollen, dass es sich in die Altstadt einfügt und haben deshalb beispielsweise auch einen Sandstein gewählt. Wir stehen mit den Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt und werden die Kritikpunkte anhören und besprechen“, erklärt er abschließend.

Copyright © 2025 Schwetzinger Zeitung