Im Interview - Bürgermeister Siegfried Zenker aus Oftersheims sächsischer Partnergemeinde spricht über die Situation vor Ort / Bürger zeigen sich solidarisch mit ihren Mitmenschen

Toilettenpapier ist derzeit auch in Weinböhla Mangelware

Von 
Anette Zietsch
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Weinböhla/Oftersheim. Das Coronavirus und seine Konsequenzen haben den Alltag der Menschen fest im Griff. Das erleben wir tagtäglich. Doch wie sieht es in anderen Bundesländern aus? Wie gehen die Bürger andernorts mit den Beschränkungen um? Wir haben nachgefragt bei Siegfried Zenker (kleines Bild). Er ist Bürgermeister der Oftersheimer Partnergemeinde Weinböhla, rund 20 Kilometer von der sächsischen Landeshauptstadt Dresden entfernt.

Herr Zenker, wie hat sich Ihr Alltag als Bürgermeister in der Corona-Krise verändert?

Siegfried Zenker: Das Hauptaugenmerk meiner Arbeit hat sich in dieser Zeit geändert. Ich verfolge permanent die Erlasse, Verfügungen, deren Auslegung sowie die Berichterstattung, um gegenüber unseren Bürgern auch aussagefähig zu sein. Des Weiteren haben wir auch eine Fürsorgepflicht den Mitarbeitern gegenüber. Diese wird täglich neu auf die Probe gestellt. Ich kann den Mitarbeitern der Verwaltung nur danken, dass sie auch in diesen unübersichtlichen Zeiten so besonnen ihren Dienst für die Gemeinde tun.

Mit welchen Einschränkungen müssen die Bürger leben?

Zenker: Die Einschränkungen werden sich nicht wesentlich von den Ihren unterscheiden. Schulen und Kitas sind geschlossen. Alle öffentlichen Veranstaltungen sind abgesagt. Es gibt Ausnahmen bei Gemeinderatssitzungen – die Durchführung ist wohl möglich, aber mit strengen Auflagen versehen. Die Bürger haben eingeschränkte Ausgangsmöglichkeiten. Das heißt, sie dürfen nur zur Arbeit gehen, zum Arzt, zur Apotheke, zum Einkaufen. Sie dürfen zum Sport oder zum Spazierengehen an die frische Luft, allein oder im Kreise der Familie des eigenen Haushaltes.

Welche Geschäftszweige müssen vorübergehend – und bis wann – schließen? Und welche öffentlichen Einrichtungen haben geschlossen?

Zenker: Geöffnet haben bei uns nur die Lebensmittelgeschäfte, Apotheken, Reformhäuser, Gemüse- und Blumenhandel, Tiernahrungsverkauf, Sparkasse, Reparaturwerkstätten. Die Schließungen sind vorerst bis zum 17. April, dem Freitag nach Ostern, angelegt. Allerdings rechnen wir damit, dass diese noch verlängert werden müssen. Die Einkaufenden stellen sich sehr diszipliniert mit ausreichend Abstand an allen Verkaufseinrichtungen an. Die Händler befolgen alle Auflagen vorbildlich. Ich habe das Gefühl, mehr Rücksichtnahme zu spüren.

Wie sieht es mit den jüngsten und den ältesten Mitbürgern aus?

Zenker: Die Kinderbetreuung ist für die Eltern gesichert, die beide in der „kritischen Infrastruktur“ tätig sind beziehungsweise allein sorgeberechtigt sind (zum Beispiel im medizinischen Sektor, Lebensmittelhandel, bei Dienstleistern im Bereich Polizei, Behörden, Post, Telekommunikation, Wasserversorgung, Entsorgung, Energieversorgung und ähnliches). Die Altenpflegeheime haben zwischenzeitlich ein Besuchsverbot.

Wie können Sie als Verwaltung unterstützen?

Zenker: Wir bemühen uns, so lange als möglich arbeitsfähig und für unsere Bürger da zu sein. Nach vorheriger Anmeldung werden alle unaufschiebbaren Angelegenheiten erledigt. Es finden sogar Eheschließungen statt. Auf unserer Internetseite www.weinboehla.de informieren wir die Bürger tagaktuell über alles Wissenswerte bis hin zu Angeboten für ältere Hilfebedürftige. Telefonische Auskünfte beschäftigen uns derzeit während des gesamten Tages. Wir haben uns um einen Zirkus gekümmert, der bei uns auf der Festwiese gestrandet ist und nun kein Einkommen hat. Wir gehen zu den Gewerbetreibenden und informieren, welche Möglichkeiten sie haben.

Wie gehen die Menschen aus Weinböhla im Alltag damit um?

Zenker: Wir können feststellen, dass sich unsere Einwohner recht konsequent an die Ausgangseinschränkungen und Veranstaltungsverbote halten, dass sich die Weinböhlaer damit auch sehr solidarisch gegenüber ihren Mitmenschen zeigen. Einzelne anfängliche Treffen Jugendlicher sind, nachdem unser Ordnungsamt Gespräche geführt hatte, nicht mehr festgestellt worden.

Bei uns in der Region sind ja derzeit Toilettenpapier, Nudeln und Mehl Mangelware. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Zenker: Toilettenpapier ist auch bei uns Mangelware. Alle anderen Grundnahrungsmittel sind wohl ausgedünnt, aber immer noch zu haben.

In der Weinböhla-Gruppe auf Facebook sieht man ja derzeit ganz viele Menschen, die einen Mundschutz nähen. Wie ist die Initiative zustande gekommen?

Zenker: Die Initiative mit dem Mundschutz ist eine Folge des allgemeinen Mangels an Mundschutz. Da man annehmen kann, dass analog zu anderen Ländern die Ausgangseinschränkungen noch mit der Auflage, Mundschutz zu tragen, verschärft werden, muss man sich ja mit Mundschutz eindecken, um überhaupt noch einkaufen gehen zu können. Wir ehemalige DDR-Bürger sind es gewohnt, kreativ zu sein, wenn es an etwas mangelt.

Welchen Eindruck haben Sie von der allgemeinen Stimmungslage in Ihrem Ort?

Zenker: Die Stimmung würde ich schon mit gedrückt bezeichnen. Es existieren Unsicherheiten bezüglich der eigenen Unversehrtheit und der Existenzgrundlage. Dennoch fällt mir auf, dass man freundlicher und rücksichtsvoller miteinander umgeht. Eltern helfen sich gegenseitig (ohne einander zu nahe zu kommen), man denkt an unsere Älteren, man drängelt auch weniger. Die Straßen sind ganz merklich leerer, aber Spaziergänger sind vermehrt unterwegs.

Info: Bilder des Fotografen Jan Böttger von Weinböhla gibt’s unter www.schwetzinger-zeitung.de

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