Reportage

Warum sich ein Morgenspaziergang in den Oftersheimer Dünen lohnt

Der Dünenlehrpfad offenbart auf Schritt und Tritt die einzigartige Flora und Fauna der Region – und weckt Erinnerungen an Winterrodeln und Sommersprünge im Sand. Eine Wanderung.

Von 
Rolf Simianer
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Morgenstimmung in den Dünen © Rolf Simianer

Oftersheim. Die Oftersheimer Dünenlandschaft offenbart ihre Schönheit nicht auf den ersten Blick. Doch in einer scheinbar monotonen Sandrasenfläche können sich wahre Pflanzenschätze verbergen. Am besten, man macht sich einfach auf den Weg und ist offen für alles, was sich den Sinnen bietet.

Die Wanderung beginnt am Parkplatz beim Hundesportverein Oftersheim in Richtung Dünenlehrpfad, auf einem ansteigenden Feldweg mit lockerem, das Gehen bremsenden Sand, der bei jedem Schritt von den Schuhspitzen spritzt.

Wanderung durch die Oftersheimer Dünenlandschaft: Ein Erlebnis für die Sinne

Der Wind in den Bäumen und Vogelstimmen überlagern an diesem frühen Morgen die Autogeräusche der nahen B 291. Der Gesang des Pirols und die immer gleichen Laute des Kuckucks sind deutlich zu hören. Auf großen Flächen blüht der gelbe Ginster, den die Morgensonne zum Leuchten bringt. Heute ist ein wirklich guter Tag, um in den Oftersheimer Dünen unterwegs zu sein. Bedrückend ist einzig und allein der Blick in den sterbenden Wald. Viele tote Bäume strecken ihre Skelette spitz in die Luft, die kurzen Angsttriebe an den Stämmen vieler Buchen kämpfen noch ums Überleben.

Blühender Ginster sorgt für gelbe Farbtupfer. © Rolf Simianer

Bald wird der Weg fester, verdichtet von knorrigen, teils oberirdisch verlaufenden Baumwurzeln. Am Kinderspielplatz vorbei führt der Dünenlehrpfad in den Wald und trifft auf einen Schotterweg in Richtung Golfplatz Rheintal. Es ist erst kurz nach sieben Uhr und dennoch bevölkern bereits erstaunlich viele Leute das Gelände. Spaziergänger und kleine Wandergruppen, Hundehalter und Fahrradfahrer. Ein Fotograf ist auf der Pirsch nach dem Pirol. Man grüßt sich, redet manchmal ein paar Worte miteinander, wünscht einander einen „Guten Tag“. Offenbar scheint es unter Frühaufstehern besonders viele freundliche Menschen zu geben. Und obendrein noch bestens gelaunte wie die „Wanderer im wilden Wald“, das Oftersheimer Dreigestirn Jupp Göschl, Bernd Flur und Eckhard Schirmer, das sich hier mehrmals in der Woche zu Ausflügen trifft.

Dieses lustige Trio trifft sich gerne schon um 7 Uhr zum Walking. © Rolf Simianer

Die Einzelparzellen der Naturschutzgebiete sind ähnlich Viehkoppeln mit mehreren übereinander gespannten Drähten eingezäunt. Dahinter grasen abwechselnd Schafe, Ziegen und Esel, die den unerwünschten Aufwuchs niederhalten. Doch dazwischen locken schmale, gut begehbare Pfade tiefer in den Wald. Hier wachsen zwar auf einem Teil der lichten Standorte dicht an dicht Neophyten wie die Traubenkirsche, der Essigbaum und die Kermesbeere. Doch daneben haben sich dort auch die schützenswerten Sandrasenflächen der typischen Dünenvegetation entwickelt.

Abenteuerliche Rodelbahnen und unerwartete Wildschweinbegegnungen

Hier gab es vor Jahrzehnten, als manche Winter noch richtig kalt waren und der nicht zu beschreibende Geruch frisch gefallenen Schnees sich mit dem würzigen Duft der damals noch gesunden Kiefern vermischte, einige brauchbare Rodelbahnen auf den abschüssigen Wegen. Die bekannteste, steilste, holprigste und daher gefährlichste unter den Schlittenbahnen war die Abfahrt vom Feldherrenbuckel hinunter zur heutigen Oftersheimer Grillhütte. So mancher Schlitten ging hier zu Bruch und leider auch der eine oder andere Vorderzahn durch einen unvorsichtigen Bauchplatscher-Fahrer, der mit dem Kopf voran beim Aufprall des Kopfes auf eines der beiden Schlittenhörner krachte.

Blick vom Feldherrenbuckel zur Grillhütte. © Rolf Simianer

Plötzlich prasselt völlig unerwartet eine Rotte von Wildschweinen in direkter Nähe durch das Unterholz. Nach einer Schrecksekunde folgt der suchende Blick nach dem nächsten brauchbaren Knüppel. Doch zum Glück entsteht keine Gefahr. Die Tiere verschwinden so unvermittelt, wie sie aufgetaucht waren, zurück in das Dickicht aus Baumwildlingen und Sträuchern.

Lernen in der extremen Natur im Dünenklassenzimmer

Auf dem Weg zum Dünenklassenzimmer in Richtung Schützenhaus blickt der Wanderer hinab auf die Tennisplätze des Oftersheimer Tennisclubs. Bevor diese in den 1970er Jahren in die Dünen hinein gebaut wurden, befand sich an diesem Ort eine Art „Dünen–Abbruchkante“ hinunter zum Gemeindesportplatz. Die mutigsten Kinder und Jugendlichen aus dem Dorf sprangen hier hinab in den im Sommer warmen und meist auch feuchten Sand. Und je höher und weiter der Sprung, desto länger der Genuss am freien Fall.

Im ausgelagerten Dünen-Klassenzimmer lernen Kinder schon seit 2015. © Rolf Simianer

Im Dünenklassenzimmer lernen Vorschul- und Grundschulkinder seit 2015 die Pflanzen und Tiere der Oftersheimer Dünen kennen. Im Sommer herrschen auf dem Sandboden Temperaturen, die um bis zu 30 Grad Celsius heißer sind als in Kopfhöhe eines Erwachsenen. Hier können nur Spezialisten aus Fauna und Flora überleben, die sich im Lauf der Evolution an die extreme Nährstoffknappheit, Hitze und Trockenheit der Dünenlandschaft angepasst haben. Bei den Pflanzen sind dies beispielsweise die Steppen-Wolfsmilch, die sich mit ledrigen Blättern gegen das Austrocknen schützt. Den gleichen Effekt erzielt die Sandstrohblume mit ihren feinen, pelzigen Härchen.

Die Oftersheimer Dünen



  • Bereits 1952 wurde das Landschaftsschutzgebiet „Oftersheimer Dünen mit 221 Hektar Fläche ausgewiesen. Davon wurden 1992 48 Hektar in vier Teilflächen zum Naturschutzgebiet erklärt: „Friedenshöhe, „Dreieichenbuckel“, „Feldherrenhügel“ und „Am Golfplatz“. Die Schutzgebiete sind eingebettet in 178 Hektar Landschaftsschutzgebiet.
  • Im Unterschied zu Dünen am Meer handelt es sich hier um Binnendünen , die nach der Eiszeit entstanden, als sich der Rhein aus Teilen seines Flussbettes zurückzog und der Wind den freiliegenden Sand zu einer Dünenkette zusammen wehen konnte. In dieser Kette ragen die Oftersheimer Dünen als die höchsten Binnendünen Baden-Württembergs heraus.
  • 2015 ließ die Gemeinde Oftersheim einen Pflege- und Entwicklungsplan erstellen, mit dem Ziel, einzelne Teilflächen aufzulichten und lichte Kiefernwälder mit Sandrasen zu entwickeln. Zu diesem Zweck werden die betreffenden Flächen abwechselnd mit Ziegen, Schafen und Eseln beweidet, um unerwünschten Aufwuchs niederzuhalten.
  • 2015 wurde auch das „Dünenklassenzimmer“ eingerichtet, wo Vorschul- und Grundschulkinder die spezielle Flora und Fauna der Dünen kennenlernen. Bereits 2004 entstand der „Dünen-Lehrpfad“ zu den interessantesten Punkten der Oftersheimer Dünen.

Auch die tief rosa blühende Kartäusernelke, der scharfe Mauerpfeffer und die Golddistel haben Dünenstandorte zu ihrer Heimat gemacht. Bei den Tieren kommen insbesondere Heuschrecken wie die blauflügelige Ödlandschrecke und Käfer wie der Dünen-Sandlaufkäfer vor. In den bewaldeten Flächen der Schutzgebiete finden sich seltene Vogelarten wie der Mittelspecht, der Wespenbussard und der Ziegenmelker.

Naturschutzgebiet am Golfplatz: Ein Paradies für Flora und Fauna

Gut informiert über das Naturschutzgebiet „Am Golfplatz“ ist der Head-Greenkeeper des Golfclubs Rheintal, Martin Bucher aus Sinsheim. Das nur zwei Hektar große Dünen-Schutzgebiet, das einen Teil des Golfplatzes umsäumt, gehöre zwar zum Vereinsgelände, doch man habe es in Absprache mit dem Nabu einzäunen lassen, meint Bucher, der sehr gerne und mit berechtigtem Stolz durch einige seiner naturbelassenen Hard-Roughs zwischen den sorgsam gemähten Golfbahnen führt.

Head-Greenkeeper des Golfclubs Rheintal, Martin Bucher, kennt sich hier aus. © Rolf Simianer

Auf diesen kleineren bis mittelgroßen Flächen kann die Natur wie in den umzäunten Schutzgebieten nach Belieben schalten und walten. Ungestört sterben hier die alten Bäume, in denen viele Insekten- und Vogelarten leben. Reste von Sandrasenflächen bleiben darauf erhalten. Sogar einen Teich hat der Verein angelegt, in dem zahlreiche Frösche und Kaulquappen schwimmen. Darüber, auf einem abgestorbenen Pappelstumpf, hat gerade ein Weißstorch mit dem Nestbau begonnen.

Der Rückweg führt am kleinen Dünen-Schutzgebiet „An der Friedenshöhe“ vorbei, wo sich Ziegen versteckt halten, die es im Moment beweiden. Von da aus sind es nur noch wenige Meter bis zum Ausgangspunkt und einem kühlen Getränk im Garten der Gaststätte des Hundesportvereins.

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