Notfallwegefahrt - Feuerwehr und Ordnungsamt fahren gemeinsam die Straßen im Ort ab / Rettungsfahrzeuge kommen oft nur schwer an zugeparkten Stellen vorbei

Weil’s im Einsatz um jede Minute gehen kann

Von 
Anette Zietsch
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Oftersheim. „Soll ich da jetzt wegfahren?“, fragt der junge Mann, der aus dem Haus eilt, ein bisschen naiv. Es ist kurz vor 20 Uhr. Beste Zeit, den Feierabend zu genießen. Aus seiner Sicht lohnt sich die Mühe wohl nicht mehr, den Motor noch einmal anzulassen und einen „richtigen“ Parkplatz zu suchen.

Aufgeschreckt wurde er, weil die Gemeindevollzugsbedienstete Andrea Markus gerade das Kennzeichen seines Autos aufschreibt, das er ordnungswidrig im Knick in der Mühlenstraße – eine klassische Engstelle – abgestellt hatte. Schließlich lässt er sich doch überzeugen und sucht nach einer regelkonformen Abstellmöglichkeit – auch wenn er das Knöllchen schon kassiert hat. Denn würde seine Wohnung brennen, wollte er, dass ein Löschtrupp so schnell wie möglich vor Ort ist – und genau das verhindert er mit seinem Parkverhalten.

Vor Ort ein Bild machen

Die Gemeindevollzugsbedienstete hatte „Verstärkung“ dabei: das LF 16, das größte Fahrzeug der Feuerwehr, und der etwas kleinere Mannschaftstransportwagen. „Wir versuchen, einmal im Jahr eine so genannte Notfallwegefahrt durchzuführen“, erläutert Ordnungsamtsleiter Dennis Wiedemann im Gespräch mit unserer Zeitung. „Dabei werden verschiedene Straßen in der Gemeinde mit zwei Feuerwehrfahrzeugen abgefahren.“ Geschaut wird, wie sich die Situation im Notfall für die Einsatzkräfte darstellt. Mit dabei waren außerdem Bürgermeister Jens Geiß sowie die Gemeinderäte Silke Seidemann (Freie Wähler), Jens Rüttinger (SPD) und Peter Pristl (FDP), um sich vor Ort ein Bild zu machen.

Viele Straßen in Oftersheim, besonders im Ortskern, sind sehr eng, die Gemeinde ist ja historisch gewachsen. „Früher musste es für die Pferdefuhrwerke reichen, dafür waren die Wege und auch die Hauseinfahrten konzipiert – nicht für die immer breiteren Autos, von denen es in einer Familie meistens mehrere gibt“, meint Wiedemann. Sie parken beidseits der Straße. Doch manchmal gibt es auch sehr naheliegende – und kostengünstigere – Alternativen. „Dann fahre ich jetzt mal in meine Garage“, meint ein älterer Herr in der Wiesenstraße. Auch er bekommt demnächst eine kostenpflichtige Verwarnung.

Doch die Strafzettel stehen an jenem Abend nicht im Vordergrund. Es geht Ordnungsamt und Feuerwehr in erster Linie darum, die Menschen zu sensibilisieren. „Die Mannheimer Straße ist ein Paradebeispiel dafür, dass uns im Notfall kostbare Zeit flöten geht“, erläutert der stellvertretende Feuerwehrkommandant Andrea Danieli. Sie ist eine Herausforderung für Jens Schäfer am Steuer von „Oftersheim 44“, dem 2,55 Meter breiten und acht Meter langen Löschgruppenfahrzeug – zu den hervorstechenden Eigenschaften des LF 16 zählt gewiss nicht seine Wendigkeit. Doch den Fahrer kann allem Anschein nach nichts erschüttern, auch wenn er manchmal einen zweiten Anlauf für eine enge Abbiegung nehmen muss. Mit bewundernswert stoischer Ruhe meint er: „Zum Glück haben wir keine Drehleiter drauf, dann wäre es noch komplizierter.“

Allerdings steht er an jenem Abend auch nicht unter Zeitdruck, möglichst schnell eine Notfallstelle erreichen zu müssen. Und so schlängelt er sich zwischen den parkenden Autos hindurch – die aber alle richtig abgestellt sind.

„Manchmal kommt es schon vor, dass wir einen Spiegel abfahren“, bedauert Andrea Danieli und betont: „Sicherheit geht bei uns zwar immer vor Schnelligkeit, aber manchmal passiert es eben doch.“ Dann muss erst der Halter des beschädigten Fahrzeugs ausfindig gemacht werden, sonst gilt es – wie bei allen anderen Verkehrsteilnehmern – als Fahrerflucht. „Auch im Notfall genießen wir keine Sonderrechte, dürfen den Schaden nicht später melden. Wir müssen dann einen Kameraden abstellen – aber der fehlt uns dann wieder am Einsatzort“, macht er die Brisanz deutlich.

„Uns ist der immer größer werdende Parkdruck schon bewusst“, sagt Dennis Wiedemann. „Aber die Rettungsfahrzeuge müssen eben freie Fahrt haben. Das hat absolute Priorität.“ Das ist gerade „Im Brückenfeld“ oder „In den Seegärten“ in vielen Fällen nicht gewährleistet.

Kombi im Halteverbot entwischt

Auch das begegnet den Teilnehmern der Notfallwegefahrt: Wo die Bismarckstraße auf die Luisenstraße trifft, steht im Halteverbot ein silbergrauer Kombi mit Karlsruher Kennzeichen – entgegen der Fahrtrichtung, mitten im Kreuzungsbereich. Als er bemerkt, was vor sich geht, springt er aus einer Einfahrt ins Auto und braust davon.

Jens Schäfer macht aber auch auf ein anderes Problem aufmerksam: „Die eine Sache ist, dass wir durchfahren können, die andere, dass wir auch die Türen aufkriegen, um an das Löschgerät zu kommen.“ Feuerwehrkommandant Rüdiger Laser stellt fest, dass sich die Situation zunehmend verschärft. „Das gilt aber nicht nur für uns, auch die Rettungskräfte vom Roten Kreuz und die Müllabfuhr haben immer mehr Mühe, sich durch die Straßen zu kämpfen.“

Und er führt auch noch einmal vor Augen, dass es bei einem Wohnungsbrand wirklich auf jede Minute ankommt: „Wir machen solche Notfallwegefahrten gemeinsam mit dem Ordnungsamt ja nicht, um die Autofahrer zu ärgern, aber für die eingeschlossenen Menschen entscheiden oft eineinhalb bis zwei Minuten über Leben und Tod.“

Info: Weitere Bilder gibt’s unter www.schwetzinger-zeitung.de

Bilanz der Notfallwegefahrt

Insgesamt wurden 32 Ordnungswidrigkeiten geahndet.

Die meisten Verstöße wurden beim Parken an Engstellen mit Behinderung (19 Verstöße) registriert.

Gefolgt von Parken auf dem Gehweg (fünf Verstöße), Parken auf der linken Fahrbahnseite (drei Verstöße), Parken im Fünf-Meter-Bereich einer Kreuzung (drei Verstöße) und Parken im absoluten Halteverbot (zwei Verstöße). az

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