Heimat- und Kulturkreis - Kunsthistorikerin Dr. Sabine Bock informiert Besucher über Sütterlinschrift / Nationalsozialisten verboten diese im Zuge des Schriftenerlasses

Buchstaben, die der Vergangenheit angehören

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Plankstadt. Ein fundiertes Fachwissen über alte Schriften offenbarte Dr. Sabine Bock (Bild) während eines Vortrags beim Heimat- und Kulturkreis. Dabei fiel es ihr leicht, fest verwurzelte Irrtümer aufzuklären. Denn während viele Menschen die deutsche Schrift mit der Sütterlinschrift gleichsetzen, handelt es sich in Wahrheit um zwei verschiedene Schriftarten. Die Sütterlinschrift ist eine Weiter- oder Neuentwicklung der deutschen Kurrentschrift.

Ludwig Sütterlin hatte 1911 vom preußischen Kultusministerium den Auftrag erhalten, die deutsche und lateinische Ausgangsschrift zu entwickeln.

Bis 1941 wurde die nach ihm benannte Sütterlinschrift an den Schulen gelehrt, dann wurde sie von den Nationalsozialisten im sogenannten Schriftenerlass aus dubiosen Gründen verboten und die lateinische Ausgangsschrift als Schulschrift eingeführt.

Schwierig bei Auslandskontakten

Eine einfache Hilfe beim Entziffern: Schräge Schrift ist meist deutsche Kurrentschrift und gerade gestellte Buchstaben deuten meist auf Sütterlinschrift hin. Eine besondere Schwierigkeit stellte für Benutzer dieser Schriften die Korrespondenz mit dem Ausland dar, denn dort waren diese Schriften nicht bekannt. Deshalb beherrschten diejenigen, die mit dem Ausland korrespondieren mussten, meist zwei Schriftarten.

Veränderungen setzen sich fort

Bock zeigte anhand zahlreicher Beispiele, dass sich die Schrift durch die Jahrtausende und Jahrhunderte immer wieder verändert. Die an den Schulen eingeführte vereinfachte Ausgangsschrift beweist das auch bis in die Gegenwart, in der im Zuge der Internationalisierung die typographisch gebrochenen Schriftarten keine Bedeutung mehr haben und wenig Interesse finden.

Anhand des Alphabets stellte die Referentin die Besonderheiten der Schriftzeichen vor und zeigte, dass es einfache und schwierige Zeichen existieren.

Ihre Empfehlung bei der Entzifferung alter Schriftstücke lautete, einen möglichst langen Text zu wählen, um sich dann dem Inhalt mit Buchstaben- und Wortteilvergleichen anzunähern.

Es braucht Geduld

Die deutsche Kurrent- und Sütterlinschrift zu lesen, erfordert vor allem Geduld und Übung. Die Buchstaben zu kennen, genügt dabei noch lange nicht, erklärte die Referentin, denn jeder Schreiber hatte natürlich seine eigene Handschrift, die mal dem Original näher ist oder aber empfindlich abweicht.

Dazu war es auch eine Frage der Papier- oder Federwahl des damaligen Verfassers, ob das Schriftstück auch nach Jahrzehnten noch gut lesbar ist und der Inhalte entziffert werden kann.

Rat für Zuschauer

Applaus beendete den Vortrag und Vorstand Bruno Rafflewski verabschiedete die Referentin, die von Hause aus Kunsthistorikerin ist, mit einem floralen und flüssigen Präsent.

Nun kamen auch die Zuhörer zum Zuge, die Schriftstücke von zu Hause mitgebracht hatten und Sabine Bock gab geduldig Rat und Hilfestellungen für die Entzifferung der alten Dokumente. uk/Bild: Kobelke

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