Gartenserie - Gemüse und Obst lieber erst nach den Eisheiligen draußen einpflanzen / Im Juni kommen meist kühle, regenreiche Tage

„Kalte Sophie“ friert Blüten ein

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Ulrich Kobelke, Saskia Grössl
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Wie mit Zucker überzogen wirkt dieses Gänseblümchen, das den Frost rund um die Eisheiligen aushalten muss. © DPA

Plankstadt. Fester Bestandteil des Monats Mai sind die Eisheiligen, eine Bezeichnung für die – bis auf Pankratius durch die Liturgiereform geänderten – Gedächtnistage der Heiligen Pankratius (12. Mai), Servatius (13. Mai) und Bonifatius (14. Mai). In Norddeutschland und den Niederlanden wird auch noch der 11. Mai, der Tag des heiligen Mamertus, dazugezählt.

An diesen Tagen ist nach alter Erfahrung ein verspäteter polarer Kälteeinbruch mit Nordwinden und sogar Frost zu erwarten. Dies hat zu der Bezeichnung „Eisheilige“ oder mancherorts auch „die gestrengen Herrn“ für den 12. bis 14. Mai geführt. In Süddeutschland, Österreich und der Schweiz gehört auch der 15. Mai, der Gedächtnistag der heiligen Sophia, zu den Eisheiligen. Der 15. Mai heißt deshalb auch „kalte Sophie“.

In diesem Jahr – dem Corona-Pandemie-Jahr – sagen die Wetterberichte schon seit Tagen besonders strenge Eisheilige voraus und zwar exakt zu den altbekannten Terminen. Das hat vor allem Konsequenzen für Gärtner, wie auch Karin und Daniel Braxton vom Obst- und Gartenbauverein wissen. „Ich bin froh, dass ich noch nichts gepflanzt habe“, meint Karin Braxton. Denn alle Pflanzen, die gerade blühen, haben besonders unter den kalten nächtlichen Temperaturen zu leiden.

„Ich habe alles noch in eine Kiste getan und reingestellt, erst nach den Eisheiligen pflanze ich es ein“, verrät die leidenschaftliche Gärtnerin, die auf das Wetterphänomen jedes Jahr achtet. Man dürfe sich eben nicht täuschen lassen von teilweise bereits warmen Temperaturen.

Ein „Opfer“ von bereits erfolgten kalten Tagen gibt es in ihrem Garten jedoch: Der Kiwi-Baum hat erfrorene Astspitzen, die normalerweise Blätter tragen. Nach und nach erholt sich die Pflanze, doch die Blätter sprießen dieses Jahr weiter oben am Ast. Die Früchte werden aber wohl nicht betroffen sein, die sind erst im weiteren Verlauf des Jahres „fällig“. Der Pfirsichbaum hat allerdings bereits Blüten getragen, als eine Kälteperiode kam. „Ich gehe deswegen davon aus, dass er in diesem Jahr keine Früchte tragen wird“, so Daniel Braxton.

Aus den alten Erfahrungen heraus wurde vor dem Ende der Eisheiligen im Garten nicht gepflanzt und kein Vieh auf die Weide getrieben. Ein alter Bauernspruch lautet: „Pankrazi, Servazi, Bonifazi sind drei frostige Bazi, und am Schluss fehlt nie die kalte Sophie“. Langjährige Wetterbeobachtungen zeigen, dass ein Temperatursturz – anders als in diesem Jahr – häufig erst um den 20. Mai auftritt. Stimmen etwa die „Eisheiligen“ nicht mehr? Des Rätsels Lösung findet sich in der Geschichte unseres Kalendersystems: 1582 hat Papst Gregor VIII. eine Kalenderreform veranlasst, wodurch die Unterschiede des Julianischen Kalenders zum Sonnenjahr weitgehend korrigiert werden konnten. Der Tag der „Kalten Sophie“ (15. Mai) lag vor der Reform auf dem Tag, der heute dem 22. Mai entspricht. Mit den Auswirkungen der „Eisheiligen“ ist deshalb in der Zeit vom 19. bis zum 22. Mai zu rechnen.

Hoch über Schottland als Grund

Gehen die Eisheiligen ohne Kälteeinbruch vorüber, ist nach den alten Beobachtungen mit einem schönen Herbst zu rechnen. Bauernspruch: „Zogen die Eisheiligen ohne Frost vorbei, freuen sich Bauer und Winzer einerlei!“ Die meteorologische Ursache dieser von Wetterforschern Singularität genannte Wettererscheinung ist ein Hoch über Schottland, welches in Mitteleuropa Kaltlufteinbrüche bedingt. Die trockene Luft verursacht insbesondere nachts durch Ausstrahlung tiefe Temperaturen.

Und im Juni geht es weiter: Ein Witterungsregelfall, der statistisch eine unglaublich hohe Eintreffwahrscheinlichkeit von 89 Prozent hat, ist die Schafskälte zwischen dem 8. und 15. Juni. Damit sind empfindlich kühle, wechselhafte und oft auch regenreiche Tage gemeint, die sich nach einer ersten sommerlich warmen Witterungsperiode Ende Mai meist noch vor Mitte Juni einstellen.

Da um diese Zeit in Europa meist die Schafe geschoren wurden, waren diese Tage bei den Schäfern gefürchtet; die frisch geschorenen Tiere konnten sich beim plötzlichen Kälteeinbruch auf den Tod erkälten. Ein wichtiger Tag ist auch der 8. Juni, der Gedenktag des heiligen Medardus. „Regnet’s am Medarditag, so regnet’s 40 Tag danach!“

Im Juni entscheidet sich, ob der Sommer trocken oder nass wird. Die Wetterregeln zum Siebenschläfer (27. Juni) beziehen sich darauf. Allerdings ist der Siebenschläfertag seit der gregorianischen Kalenderreform meteorologisch auf den 7. Juli verschoben. Deshalb sind die Wetterregeln zu diesem Tag mit Vorsicht zu genießen: „Ist der Siebenschläfertag nass, regnet’s ohne Unterlass!“

Schöne Tage versprechen abends herumschwirrende Junikäfer sowie Glühwürmchen und Spinnen. Verkriechen sie sich, so ist mit Regen oder Unwetter zu rechnen. Überhaupt hatten die Bauern früherer Zeiten viel mehr Anzeichen wahrgenommen, die auf eine Wetteränderung hindeuteten. Das war natürlich auch nötig, weil es wissenschaftlich fundierte Wetterprognosen noch nicht gab. Zum Beispiel bemerkten sie, dass Steine und Äxte zu schwitzen begannen, wenn Regen kam. Sie bemerkten, dass sich Fichtenäste zur Erde neigten, wenn das Wetter trocken blieb, und sich bei nahendem Schlechtwetter nach oben richteten.

Ein letzter wichtiger Lostag im Monat Juni ist das Fest des heiligen Johannes des Täufers am 24. Juni – ein anderer Name „Spargelsylvester“ ist nicht schwer zu deuten. Am Ende der Schafskälte steht der Übergang zur Erntesaison. Die Futtergräser sind reif, das Sommergetreide beginnt seine Reifezeit. Mit dem Beginn der Heuernte wurde der Begriff des Johannisschnitts geprägt. „Wenn die Johanniswürmer glänzen, darfst richten du deine Sensen“ und „Vor dem Johannistag, man Gerst’ und Hafer nicht loben mag“.

Wie dem auch sei und ob es mit der heutigen Wetter-Realität noch übereinstimmt, sei dahingestellt. Trotzdem freuen sich viele, wenn die Prophezeiungen einigermaßen zutreffen, denn damit ist der Beweis geliefert, dass unsere Vorfahren auch ohne technische Hilfsmittel eine gute Beobachtungsgabe hatten. (uk/grö)

Tipps für Gärtner

Wegen der „Eisheiligen“ ist es angebracht, empfindliche Pflanzen erst nach dem 15. Mai zu setzen.

Dann können die kleinen, auf der Fensterbank vorgezogenen Gemüse- und Blühpflanzen ins Beet kommen. Außerdem können Gurken und anderes Gemüse direkt ins Beet gesät werden. Alle nicht winterharten Kräuter, Dahlienknollen und weitere Blühpflanzen werden ausgepflanzt. Und Kübelpflanzen kommen nun endgültig aus dem Winterlager ins Freie. grö

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