PLANKSTADT. Legendäre Mehrteiler, Fachliteratur, Kinderbücher, Romane, Krimis – ein Lesemekka für umsonst! Im öffentlichen Bücherregal auf dem Rathausplatz wird alles geboten, für jeden Lesegeschmack ist etwas im ansprechenden Regal dabei. Geschützt unter dem Dach der Bushaltestelle angebracht, kann man das gemischte Angebot bei jedem Wetter nutzen – für den gewünschten netten Plausch mit Gleichgesinnten ist ebenso Raum und Zeit. Ein Blick in die Regalreihen lohnt: In loser Folge stellen wir hier verschiedene Schmöker vor.
Vor etwa drei Jahren wurde das Regal auf Initiative der Lokalen Agenda angeschafft. Die Mitarbeiter der Gemeindebücherei pflegen das Regal, denn manchmal meinen es Leser zu gut und stellen ganze Kisten oder gar zerfledderte Bücher dort ab, wo eigentlich ein reger Austausch an gut erhaltenen Druckerzeugnissen herrschen soll. Wer sich ein oder zwei Titel aussucht und mitnimmt, stellt auch wieder welche hinein. Regelmäßig wird wenig Gelesenes mit frischem Lesestoff getauscht.
Packend beschreibt Hans Blickensdörfer (1923 – 1997) die verwegene Flucht eines deutschen Landsers (einfacher deutscher Heeressoldat) aus sowjetischer Gefangenschaft. Einer von dreieinhalb Millionen deutschen Soldaten steht für den Sportjournalisten und Schriftsteller im Zentrum seines Romans „Weht der Wind von Westen“.
Beruflich prägte Blickensdörfer einen völlig neuen Stil der Sportberichterstattung, in dem er dem Leser mit Hintergrundwissen und Erzählkunst die Sportberichterstattung lebendig und nicht ausschließlich ergebnisorientiert machte. Blickensdörfer wurde mit seinem autobiografischen Roman „Die Baskenmütze“ (1973) bekannt, in welchem er von seiner Gefangenschaft in französischen Lagern und Gefängnissen berichtet.
Flucht und Arbeitslager
Nun zum Buch aus dem öffentlichen Bücherregal: „Weht der Wind von Westen“. Auf 400 Seiten erfahren Leser die wechselhafte Geschichte des Kriegsgefangenen Rudek, der eine schier fantastische Flucht durchzieht, aber erwischt wird und dann als einer der letzten 1955 aus einem Lager im Ural entlassen wird. Blickensdörfer selbst stand als 18-jähriger Panzersoldat vor Moskau und Stalingrad, später bereiste er die Sowjet-Union als Reporter. Gespickt mit eigenen Erfahrungen und der Vorlagen für seinen Protagonisten – für Rudek waren es zwei – Bernd Nielsen-Stokkeby (Ost-Experte, Kommentator und Diskussionsleiter beim ZDF) und Otto Janik (Übersetzer, Dolmetscher, Redakteur bei der Deutschen Verlags-Anstalt), deren Schicksale er verschmelzen ließ.
Mit der Schilderung des Lebens im Gefangenenlager, der Flucht mit seiner Geliebten Walentina und dem Untertauchen in Moskau bei einer Tante von Walentina sowie der missglückten Suche nach einem ausländischen Schiff, um von Odessa aus in die Freiheit zu gelangen, nimmt Blickensdörfer seine Leser mit.
Auf der Suche nach einem ausländischen Schiff tigert Rudek durch Odessas Hafenkaschemmen, dabei wird die Geheimpolizei auf ihn aufmerksam. In Panik schlagen Rudek und Walentina einen Haken. Per Eisenbahn hetzen sie vom Süden in den äußersten Norden der Sowjet-Union, nach Tallinn – einst unter dem Namen Reval die Hauptstadt von Estland. Rudek tappt in eine Falle der Geheimpolizei, Walentina wird in Minsk geschnappt.
Beide erleben daraufhin die sowjetischen Horror-Justiz und erhalten 25 Jahre Arbeitslager. 30 Jahre später muss Rudek auf Dienstreise nach Moskau und trifft dort seinen ehemaligen Peiniger und die Geliebte wieder. zesa
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