Plankstadt. Es ist der 24. Dezember. Die Mehrheit der Menschen sitzt mit ihrer Familie am gedeckten Tisch, isst knusprigen Braten und packt Geschenke aus. Es ist ein besonderer Tag, strahlende Kinderaugen, Besuche in der Heimat und üppige Festmahle zeichnen die Feiertage aus. Aber auf der Intensivstation ist alles ein bisschen so wie immer. Denn auch wenn Weihnachten ist: Die Patienten müssen versorgt werden. Immer.
Und dafür ist unter anderem die Plankstadterin Silvia Bach da. Die 52-Jährige arbeitet seit 1993 auf der Intensivstation im Schichtdienst. Während an Heiligabend viele bei ihren Familien sind, kümmert sie sich um die Patienten. Und auch am 25. und 26. Dezember ist sie für die Patienten im Einsatz. An Wochenenden oder eben Feiertagen zu arbeiten, das gehört zu ihrem Beruf einfach dazu, sagt sie im Gespräch mit unserer Zeitung. So ist es für sie seit rund 30 Jahren eine Selbstverständlichkeit, an Weihnachten Schichten im Krankenhaus zu übernehmen.
Weihnachtsfrühstück vor der Arbeit
Auf das gemütliche Beisammensein mit Familie und Freunden muss sie aber glücklicherweise nicht verzichten. „Wir planen einfach um die Schichten herum“, verrät sie. Am 24. Dezember gibt es somit beispielsweise ein Weihnachtsfrühstück, bevor Silvia Bach zur Arbeit fährt. Um 13 Uhr beginnt dann der Dienst auf der Intensivstation. Viele der Patienten werden beatmet, ihre Blutwerte müssen kontrolliert und die Geräte reguliert werden. „Außerdem müssen die Patienten häufig gedreht werden, dass sie sich nicht wund legen“, erklärt die Plankstadterin. Kreislauf und Infusionen im Auge zu behalten, gehört ebenso zu ihren Aufgaben, wie die Betreuung von Angehörigen.
Auf der Station liegen nach wie vor Corona-Patienten, aber auch Menschen, die einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten haben. Die Mehrheit ist bereits im Rentenalter, generell aber beginnt die Altersspanne bei 16 Jahren. Es sind Momente wie diese, wenn eine junge Frau verkabelt vor ihr im Bett liegt, die Silvia Bach nachdenklich stimmen. „Das Leben ist nun mal endlich“, weiß sie. Ihr helfe es, mit der Familie oder Kollegen darüber zu reden. Außerdem gibt es einen Psychologen, mit dem das Krankenhauspersonal bei Bedarf das Gespräch suchen kann.
„Mittlerweile dürfen Angehörige mit einem negativen Corona-Test zu den Besuchszeiten vorbeikommen“, meint Bach. Auf der Intensivstation ist ein Besucher pro Patient erlaubt – mehr nicht. Denn je mehr Menschen von außerhalb auf die Station kommen, desto höher ist das Risiko, dass sie Krankheitserreger und Keime mitbringen. Im schlimmsten Fall kann das für die Patienten den Tod bedeuten. „Deshalb müssen wir da streng bleiben“, betont die 52-Jährige.
Mit viel Feingefühl
Während der Feiertage geht manchmal ein Pfarrer durchs Haus, außerdem gibt es Süßigkeiten. Angehörige kommen an Weihnachten natürlich auch vorbei – und gerade zum Fest der Liebe ist das nicht immer leicht. Verwandte und Freunde sehen ihren geliebten Vater, die Schwester oder Ehefrau auf der Intensivstation um ihr Leben kämpfen. Silvia Bach begegnet ihnen mit viel Feingefühl und hört ihnen aufmerksam zu, auch wenn ihr die Zeit eigentlich vorne und hinten nicht reicht.
Denn bundesweit fehlen bis zu 50 000 Vollzeitkräfte in der Intensivpflege der Krankenhäuser. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie des Gesundheitssystemforschers Professor Dr. Michael Simon. Diesen Personalmangel bekommt die Plankstadterin bei jeder Schicht zu spüren. Normalerweise sollten sich fünf Personen auf ihrer Station um die Patienten kümmern, die bittere Realität sieht aber anders aus. So ist die Fachkrankenschwester für Intensivmedizin und Anästhesie meist mit nur zwei anderen Kollegen im Dienst. Oft reicht die Zeit nicht einmal für eine Pause.
„Die Betten sind da, aber niemand, der die Patienten versorgt“, macht Bach deutlich. Sie berichtet davon, dass Menschen auch mal per Helikopter in den Osten geflogen werden, sobald sie stabil sind, weil die Intensivstationen hierzulande personell am Limit sind. Sie sieht vor allem die Politik in der Verantwortung, die Situation in der Krankenpflege zu verbessern. Denn bei den aktuellen Rahmenbedingungen könne sie die hohe Fluktuation vor allem bei den jungen Kolleginnen gut verstehen. Nichtsdestotrotz liebt Bach ihren Beruf. Ein unspektakulärer Bürojob käme für sie nie infrage. Sie hilft gerne anderen. Oft können die Patienten auf der Intensivstation nicht sprechen – ein dankbares Lächeln sagt aber ohnehin mehr als tausend Worte.
Ganze Familie ist sozial
„Ich freue mich, wenn es den Menschen wieder besser geht und sie uns besuchen kommen“, sagt die Mutter zweier Kinder. Dass sie an Weihnachten arbeiten muss, dafür hat ihre Familie Verständnis. Ehemann Joachim ist selbst beim Deutschen Roten Kreuz engagiert und der ältere ihrer beiden Söhne macht ein Freiwilliges Soziales Jahr im Rettungsdienst.
Und Silvia Bach habe durch ihren Beruf mehr das zu schätzen gelernt, was sie hat. Ihr ist es – passend zur Weihnachtszeit – ein Anliegen, dass die Menschen wieder mehr nach anderen schauen, sich um ihre Nächsten kümmern. „Man wird dankbarer – vor allem für die kleinen Dinge im Alltag“, meint Bach, „weil man weiß, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, gesund zu sein.“
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