Sicherheit im Stadion

So erlebte das DRK Plankstadt seinen Einsatz beim Fußballspiel vom SV Waldhof

Beim Hochrisikospiel zwischen dem SV Waldhof und 1860 München sorgt das Team vom DRK Plankstadt um Gruppenführer Yannick Wieder engagiert für Sicherheit und Verpflegung – wir waren dabei.

Von 
Rolf Simianer
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Bereit für den Einsatz beim SV-Waldhof: Das Team vom DRK Plankstadt. © Rolf Simianer

Plankstadt. Gruppenführer Yannick Wieder hat bereits um 7 Uhr die Brötchen für seine Truppe besorgt. Achtzehn Kameraden müssen heute verköstigt werden. Jasmin Preuß, die heute für die Verpflegung aller zuständig ist, nimmt die Brötchensteige entgegen und stellt sie auf die Bank zu den anderen Lebensmitteln und Kochutensilien für den heutigen Einsatz im Mannheimer Carl-Benz-Stadion. In knapp zwei Stunden geht es zum Spiel des SV Waldhofs gegen 1860 München. Im Moment ist es kurz nach 9 Uhr in der Halle des Stützpunktes des DRK-Ortsvereines Plankstadt in der Brauereistraße 7.

Zwischen 9.30 Uhr und 10 Uhr treffen nach und nach die restlichen Mitglieder ein, die im Umkleideraum in ihre weiß-rote Uniform schlüpfen. Die Stimmung in der Truppe ist heiter bis locker und geprägt von gutgelaunten gegenseitigen Sticheleien. Doch darunter ist die angespannte Konzentration zu spüren, die angesichts der bevorstehenden Aufgabe das Team ergriffen hat.

DRK Plankstadt vorbereitet: Hochrisikospiel im Mannheimer Carl-Benz-Stadion

Denn niemand weiß, was während der von der Polizei aufgrund der Fanfeindschaft zwischen beiden Clubs - 1860 München ist mit dem Erzrivalen aus Kaiserslautern befreundet – als Hochrisikospiel eingestuften Begegnung passieren wird. Eines ist allerdings klar: Man hat sich hier nicht getroffen, um etwa mehr oder weniger lustlos vom Verein vorgeschriebene Arbeitsstunden abzustottern.

Nein, man ist zusammengekommen, um gemeinsam hoch motiviert einen Dienst an der Gesellschaft zu erbringen – unter Einsatz der jeweiligen Ausbildungskenntnisse und persönlicher Stärken. Dass diese Leistung seitens des SW-Waldhofs auch finanziell vergütet wird, ist nur ein zusätzlicher Ansporn: Mit dem Geld aus Einsätzen wie diesem soll ein dringend benötigter neuer Geräte-Logistik-Wagen teilfinanziert werden.

Die Sanitäter aus Plankstadt beladen ihren Wagen und bereiten sich für den Einsatz im Carl-Benz-Stadion vor. © Rolf Simianer

Gegen 10.30 Uhr hält Yannick Wieder die Voransprache. Er gibt die Einteilung der Gruppen bekannt, weist auf die besonderen Umstände im Stadion bei 16.000 erwarteten Zuschauern hin und erläutert die Kommunikation per Funk zwischen den Mannschaftswagen.

So ist das medizinische Zentrum des DRK Plankstadt im Stadion eingerichtet

Dann greifen 36 Hände flink und geschickt ineinander und in weniger als zehn Minuten sind die drei Einsatzfahrzeuge beladen. Im medizinischen Zentrum in der Osttribüne ist außer zwei Liegen und einer Spannwand für Sanitätsmaterial nichts vorhanden. Alles, auch die Verpflegung für den kleinen Wirtschaftsraum, muss daher aus Plankstadt mitgebracht werden.

Auf dem Beifahrersitz im Einsatzwagen II schildert wiederum der Gruppenführer die Gründe für den Kauf des Logistik-Fahrzeuges: Der Vorgänger, ein alter Benz-Lkw, wäre nach gut 40 Jahren nach einem Motorschaden nicht mehr rentabel zu reparieren gewesen. Mehr schlecht als recht sei man dann knapp zwei Jahre mit zwei Mannschaftswagen ausgekommen.

Ein Blick in das medizinische Zentrum im Carl-Benz-Stadion. © Rolf Simianer

Anfang 2024 habe man dann den Entschluss gefasst, mit der Parole „Schwitzen für den Lkw“ etwa 30 Prozent der Kosten für ein voll ausgerüstetes Neufahrzeug in Eigenarbeit zu erbringen, was bereits beinahe gelungen sei. Zusätzlich zu dem Anteil des Kreisverbandes habe sich auch die Bevölkerung mit zehn Großspenden beteiligt. „Aber ganz besonders dankbar sind wir der Gemeinde Plankstadt für wahrhaft großzügige Zuschüsse“, betont Yannick Wieder.

Schon auf halbem Weg zum Mannheimer Stadion ist die Polizei stark präsent

Schon auf halbem Weg zum Carl-Benz-Stadion sind an Kreuzungen erste Polizisten auf Motorrädern zu sehen. Je näher die Kolonne sich dem Zielort nähert, desto dichter wird das Polizeiaufgebot an Einsatzfahrzeugen und behelmten Kräften. Direkt neben dem Stadion steht sogar ein Wasserwerfer bereit.

Kurz vor 12 Uhr erreichen die DRK-Helfer die Tribüne Ost, den Fanblock des SV Waldhof. Erneut in einer Rekordzeit ist der Behandlungsraum eingerichtet und im Bewirtschaftungsraum der Würstchentopf angeheizt. Dann beginnt das Warten auf das Spiel.

Jasmin und Markus Preuß vom DRK Plankstadt beim Spiel vom SV Waldhof. © Rolf Simianer

Ob Hausfrauen, Beamte, Angestellte oder Unternehmer – im DRK-Ortsverein Plankstadt sind alle Berufsgruppen vereint. Gina Strempel macht gerade eine Ausbildung in Physiotherapie und kam vom Ortsverein Ketsch nach Plankstadt. Gemeinsam mit der Unternehmerin Jasmin Preuß und dem Anästhesiepfleger Lars Magnus bildet sie heute das Team im Behandlungsraum.

Johannes Wrhel ist Prüfer für Schachtanlagen bei ABB Mannheim. Als Gruppenleiter unterrichtet er die Plankstadter DRK-Jugend. Lukas Wilhelm hat gerade Abitur gemacht und plant, zwei Jahre beim DRK-Rettungsdienst hauptamtlich zu arbeiten, bevor er ein Studium in Elektrotechnik oder Mechatronik beginnen wird. Steven Preuß ist noch in Ausbildung zum Mechatroniker und wird nach Abschluss der Lehre eine Stelle als Servicetechniker für Kabel- und Freileitung bei der MVV besetzen. Er hat es geschafft, seine Eltern Jasmin und Markus für den Einsatz beim Roten Kreuz zu begeistern.

Es fällt zudem auf, dass der Ortsverein vorwiegend aus jungen Leuten besteht. Das erklärt Bereitschaftsleiter Lukas Damm damit, dass Leute wie Yannick Wieder und er selbst mit Erfolg viele Mitglieder des Jugend-Rotkreuzes zu den Aktiven gelotst hätten.

Lukas Damm mit dem Schild vom DRK Plankstadt, das am medizinischen Zentrum im Carl-Benz-Stadion angebracht wird. © Rolf Simianer

Gegen 13.40 Uhr, gut eine Viertelstunde vor Spielbeginn, kommt Bewegung in die Truppe. Der Gruppenführer gibt letzte Instruktionen und alle Trupps gehen – zur Sicherheit mit Helmen unterm Arm – an ihre Standorte. Gleich darauf erklingt das „Waldhof – Lied“ und der Schiedsrichter pfeift die Begegnung an.

Nach nicht einmal zwei Minuten kommen die ersten beiden hilfsbedürftigen Zuschauer an die Tür des Behandlungsraumes: Eine gestürzte Frau mit Prellung am Kopf und ein Mann mit Kreislaufproblemen. Beide dürfen auf den Liegen Platz nehmen und werden medizinisch betreut.

Plankstadter Sanitäter wurden schon hart angefeindet

1860 München geht nach zehn Minuten durch Christiansen in Führung und es wird minutenlang ruhiger im Stadion. Markus Preuß erzählt, wie er und ein Kamerad beim letzten Heimspiel von den Freunden eines bis zur Bewusstlosigkeit betrunkenen Mannes bei dessen Behandlung hart angegangen worden wären. So hart, dass sie Sicherheitsleute zu ihrem Schutz gerufen hätten.

Yannick Wieder nickt dazu, stellt aber klar: „Das sind keine Waldhof-Ultras, die unterstützen uns in der Regel eher. Das sind Leute, die wenig mit Fußball am Hut haben und sich im Fahrwasser der Waldhof -Anhänger aufspielen wollen.“ Dennoch ist die gesamte Truppe eher froh, als in der 24. Minute Abifade den Ausgleich schießt. Denn niemand wünscht sich schlechte Laune bei den Fans.

Plankstadter Yannick Wieder und sein vorerst letzter DRK-Einsatz beim SV Waldhof



  • Vor sich die Menschenmasse am Einlasstor zur Osttribüne und die Schlangen vor den Bier- und Bratwurstbuden. Links und rechts neben sich die beiden Verkaufsstände der Waldhof-Ultras: Yannick Wieder, heute Abschnittsleiter-Ost des DRK-Ortsvereines Plankstadt im Carl-Benz-Stadion, behält im lärmenden Trubel dennoch einen kühlen Kopf.
  • Knapp eine Viertelstunde vor Spielbeginn hat er seine Trupps wie vorgesehen in Position gebracht: Drei bis vier Leute jeweils auf den Plateaus der Tribünenaufgänge J und L, einen vierköpfigen Trupp zur Unterstützung des Ortsvereines Mannheim-Stadt im Stadionbereich Süd. Zwei Leute sitzen auf der Bank am Spielfeldrand, falls einer der Spieler behandelt oder herausgetragen werden muss, und einer wartet im Krankentransportwagen auf etwaige Verletzte.
  • Yannick Wieder steht nun alleine vor der Eingangstür zum medizinischen Zentrum unter der Tribüne und hält per Funk Kontakt zu seinen Kameraden und der übergeordneten Einsatzleitung. Beinahe überraschend, kommt für ihn ein Moment der Entspannung: „Alles bestens vorbereitet, von mir aus kann`s jetzt losgehen“, sagt Wieder, grinst zufrieden und schnappt sich eine Nussecke aus dem kleinen Verpflegungsraum gleich nebenan.
  • Seit seinem achten Lebensjahr ist der in Plankstadt aufgewachsene und lebende, beruflich am Privatgymnasium in Viernheim unterrichtende Lehrer ehrenamtlich beim Roten Kreuz. Wie jedes andere Mitglied des DRK absolvierte Wieder zuerst eine notfallmedizinische Ausbildung zum Sanitäter. Darüber hinaus legte er zusätzlich die Prüfung zum Gruppenleiter ab, die ihn berechtigt, bis zu acht Einsatzkräfte zu führen.
  • Das Motiv für sein freiwilliges Engagement beim DRK schildert der 32-Jährige mit klaren Worten: „Meine Kameraden im OV-Plankstadt und ich arbeiten aus tiefer innerer Überzeugung für Menschen, die in Not geraten sind, und die ein Recht darauf haben, dass ihre Not gelindert wird. Wir tun das, weil wir uns der Menschlichkeit und unserer Gesellschaft verpflichtet fühlen.“
  • Auch sehe er, dass ehrenamtliche Arbeit wie die beim DRK einen tragenden Pfeiler der Freiheit und Demokratie darstellt. Der heutige Einsatz beim SV Waldhof wird jedoch vorerst sein letzter sein: Yannick Wieder freut sich darauf, in knapp sechs Wochen für sein neugeborenes Kind die Rolle des Vaters zu übernehmen.

Gegen Ende der ersten Spielhälfte kommen zwei weitere behandlungswürdige Personen ebenfalls mit Kreislaufproblemen zum medizinischen Zentrum. Oft sei der Mischkonsum von Alkohol und Cannabis dafür die Ursache, meint etwas später Lars Magnus, der Leiter des medizinischen Teams am heutigen Spieltag.

Davon abgesehen verläuft die Halbzeitpause nahezu aggressionsfrei. Schräge und finstere Gestalten aus dem „Milieu“ laufen zwar einige herum, Betrunkene quatschen auch die DRK-Helfer an, doch es bleibt friedlich – auch weil man sich von früheren Spielen her kennt und es gut miteinander meint. Einer der Fans bietet sogar an, für die gesamte weiß-rote Mannschaft Bier zu spendieren.

DRK Plankstadt beim SV Waldhof: Zum Abschluss wird noch ein Volltrunkener behandelt

Als der SV Waldhof in der zweiten Halbzeit durch Okpala zum 2:1 und später noch zum 3:1 erhöht, beginnt sich abzuzeichnen, dass die Veranstaltung wohl ohne besondere Vorkommnisse für das Plankstadter DRK-Personal enden wird. Lediglich ein Volltrunkener muss nach dem Spiel noch angesprochen, auf dessen Reaktionen getestet und durch das Stadiontor begleitet werden.

Auch die befürchtete Randale außerhalb der Sportstätte findet an diesem Nachmittag nicht mehr statt. Darüber zufrieden und im Bewusstsein, einen Schritt in Richtung Lkw weiter zu sein, macht sich die Rot-Kreuz-Truppe auf den Heimweg.

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