Plankstadt. Eine verpasste Digitalisierung, Helikoptereltern, Migration und dazu ein massiver Mangel an Kollegen – die Lehrer von heute stehen nicht nur in Plankstadt vor großen Herausforderungen. Auch deswegen würdigen Menschen rund um den Globus an diesem Donnerstag, dem Weltlehrertag, den Beruf, der für viele eine Berufung darstellt.
Die 21-jährige Leonie Stahl entschied sich nach dem Abitur für eine Karriere an der Grundschule. Darum studiert sie an der Hochschule Heidelberg Grundschulpädagogik. Neben ihrem Studium, war die gebürtige Darmstädterin im vergangenen Schuljahr über den Träger Postillion in der Kernzeitbetreuung der Humboldtschule Plankstadt tätig.
Doch warum entscheiden sich junge Menschen für die Arbeit mit Kindern? Wie nehmen die Lehrer von morgen die Herausforderungen der Zeit wahr? Und werden die Studenten ausreichend auf die Digitalisierung vorbereitet? Diese und weitere Fragen beantwortet Leonie Stahl im Interview mit dieser Zeitung.
Frau Stahl, warum haben Sie sich dazu entschieden, Grundschullehrerin werden zu wollen?
Stahl: Ich habe mich dazu entschieden Grundschullehrerin zu werden, da ich selbst in der Grundschulzeit eine tolle Klassenlehrerin hatte, die auf die Bedürfnisse der Schüler geschaut hat. Ich habe mich sehr aufgehoben gefühlt und sie war dadurch eine wichtige Bezugsperson für mich. Durch das Modell der Ganztagsschule sind die Schüler oft bis abends in der Schule, wodurch sie ihre Eltern erst spät sehen. Eine Bezugsperson am Tag, die die Kinder sieht und hört, ist deswegen sehr wichtig. Ich möchte für die Kinder eine solche Bezugsperson sein, die sie vor allem im Bereich des individuellen Lernens weiterbringt und auf deren Bedürfnisse achtet.
Sind Ihnen bei Ihrer Arbeit an der Schule in Plankstadt besondere Herausforderungen aufgefallen, an die Sie bei Ihrer Berufswahl nicht gedacht haben?
Stahl: Durch das schon eben angesprochene Ganztagsmodell arbeiten täglich viele Menschen mit den Kindern: Lehrer, Betreuer, Mensa-Mitarbeiter, Eltern… Aus diesem Grund müssen alle an einem Strang ziehen, damit das Wohl des Kindes im Vordergrund stehen bleibt. Da ich vor der Arbeit als Betreuerin in Plankstadt bisher nur die Lehrerperspektive eingenommen hatte, fiel mir vermehrt auf, wie wichtig es ist, sich dauerhaft mit anderen auszutauschen und kompromissbereit zu sein – vor allem im Ganztag. Absprachen zu treffen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln ist eine große Herausforderung. Auch gemeinsame Regeln festzulegen und umzusetzen, sodass die Schüler sich entsprechend verhalten, war teils eine wichtige Aufgabe.
Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen der neusten Gegenwart und Zukunft für Grundschullehrer?
Stahl: Eine große Herausforderung, aber auch gleichzeitige Bereicherung, sind die verschiedenen Kulturen, die aufeinandertreffen. Auch das Sprechen verschiedener Sprachen kann herausfordernd sein. Jedoch sollte dieser Aspekt meiner Meinung nach nicht als negativ angesehen werden, sondern eher als bereichernd. Alle können von neuen Begegnungen profitieren. Ich finde, dass die allgemeine Schulgemeinschaft dadurch nur wachsen kann und offener wird. Eine weitere Herausforderung bringt die Digitalisierung mit sich. Durch die festgesetzten Lehrpläne sollen die Schüler für digitale Medien geschult werden. Oft ist dies aber nicht möglich, da die Kapazitäten der jeweiligen Schule es nicht erlauben. Es fehlen der Platz, die Zeit und die Lehrkräfte. Durch eine zunehmend hohe Anzahl von älteren Lehrern fehlt geschultes Personal, um Medienbildung umzusetzen.
Werden Sie in Ihrem Studium darauf vorbereitet, in Grundschulklassen auf sprachliche und sonstige Barrieren zu stoßen? Wie will das System diese Barrieren überwinden?
Stahl: An der pädagogischen Hochschule Heidelberg gibt es verschiedne Seminare zu diesem Thema. Beispielsweise wird der Umgang mit Kindern, die Deutsch als Zweitsprache (DaZ) haben, gelehrt. DaZ-Schüler benötigen oft weitreichendere Unterstützung. Um diesen Kindern optimal das Lernen zu ermöglichen, gibt es in diesem Seminar wichtige Anhaltspunkte, die erklären, wie mit sprachlichen Barrieren umgegangen werden kann und was den Schülern helfen könnte. Zum einen können die Schüler in der Regelklasse am Unterricht teilnehmen und werden nur für bestimmte Fächer aus der Klasse genommen, um explizit die Sprache zu lernen. Daneben gibt es extra Klassen für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache. Da die meisten jedoch vor allem im Umgang mit anderen Kindern schnell und gerne lernen, sind viele in der Regelklasse dabei.
Welche Rolle spielt die vielzitierte Digitalisierung in der Vorbereitung auf das Leben als Lehrerin?
Stahl: Wie bereits genannt ist Medienbildung fest im Lehrplan verankert. Dadurch wird das Digitale auch im Studium Thema. Dies äußert sich in dem festgelegten Modul „Medienbildung“. In diesem wird den Studierenden beigebracht, wie sie den Unterricht digitaler und abwechslungsreicher gestalten können. Beispielsweise geht es hier um das Erstellen von digitalen Rätseln, Bilderbüchern und spannenden Powerpoint-Präsentationen, die durch den Unterricht führen. Nicht nur Lehrkräfte sollen diese Möglichkeiten beherrschen. Auch die Kinder sollen mit diesen arbeiten, um bestmöglich auf die digitalisierte Welt vorbereitet zu werden. Hierbei spielt die sinnvolle Nutzung digitaler Medien eine wichtige Rolle. Wir beleuchten aber auch die Risiken, die digitale Medien mit sich bringen. Bereits Grundschüler haben Erfahrung im Umgang mit digitalen Medien, wodurch die Lehrkräfte daran anknüpfen sollten. Ihre Aufgabe ist es den Schülern Tipps für eine sinnvolle Nutzung an die Hand zu geben. Praktisch ist die Digitalisierung natürlich, wenn es um eine schnelle Kommunikation zwischen Eltern und Lehrkräften geht oder auch zwischen den Kollegen allgemein. Informationen können schnell verteilt werden und alle wissen Bescheid. Im Internet gibt es viel Material, das für den Unterricht verwendet werden kann. Hier muss besonders auf die Qualität des Materials geachtet werden, da oft nicht alles so sinnvoll ist, wie es scheint. Die Digitalisierung kann vieles erleichtern, aber auch als Herausforderung gesehen werden. Eine ständige Erreichbarkeit kann anstrengend sein.
Für viele ist der Beruf des Lehrers ein erstrebenswerter, es gibt die Schulferien, geregelte Arbeitszeiten und die Möglichkeit der Verbeamtung. Weswegen gibt es aus Ihrer Sicht trotzdem einen Lehrermangel?
Stahl: Im Grundschulbereich kann es daran liegen, dass die Lehrkräfte weniger verdienen als in der Sekundarstufe – zumindest in Baden Württemberg. Allgemein glaube ich, dass der Beruf sehr anstrengend und zeitaufwendig ist. Anstrengend, weil man dauerhaft erreichbar sein muss und die Arbeit jederzeit durch die Eltern kontrolliert wird. Dadurch stehen Lehrkräfte unter besonderem Legitimationsdruck. Zudem hört ein Schultag nicht mit dem Beenden der letzten Unterrichtsstunde auf. Es gibt viel zusätzliche Arbeit, wie Elterngespräche, Elternabende, Konferenzen, AGs, Unterrichtsplanungen, Kontrolle der Klassenarbeit und Absprachen stehen noch bevor. Dadurch sind die geregelten Arbeitszeiten eher ein Mythos. Das Schulleben lässt sich häufig nicht vom Privaten trennen, da Probleme von Schülern nicht einfach am Nachmittag vergessen werden können, sondern weiterhin belastend sein können.
Ein weiteres, viel propagandiertes Problem ist die schwindende gesellschaftliche Anerkennung. Haben Sie das Gefühl, für Ihre Berufs- und Studiumswahl gesellschaftlich wertgeschätzt zu werden?
Stahl: Ich denke, dass der allgemeine Lehrerberuf ein angesehner ist. Jedoch habe ich das Gefühl, dass der der Grundschullehrkräfte häufig belächelt wird. Vor allem in der Grundschuldidaktik erfahren die Kinder oft Spaß am Lernen, was für diese sehr prägend für die Zukunft ist. In meinem persönlichen Umfeld habe ich selten Negatives gehört, jedoch das ein oder andere Mal auf Unverständnis getroffen. Im Bereich der Grundschule ist es essenziell sich in die Schüler hinein zu versetzen, um ihre Ansicht auf Probleme besser verstehen zu können. Es ist wichtig sich vor Augen zu halten, auf welchem Wissensstand die Kinder sind, um anschließend optimal Unterstützung leisten können. Daher scheinen einige Aufgaben im Studium auch oft sehr leicht und werden von Außenstehenden belächelt.
Können Sie sich vorstellen, in Plankstadt als Lehrerin zu arbeiten?
Stahl: Ich könnte mir vorstellen in Plankstadt als Lehrerin zu arbeiten, da ich die Kinder sehr wertgeschätzt habe. Auch das Betreuungsteam, mit dem ich hauptsächlich zusammen gearbeitet habe, hat mir gezeigt, wie wertvoll ein produktiver Austausch zwischen allen Instanzen ist. Da ich die Lehrerperspektive in Plankstadt noch nicht kennenlernen durfte, bin ich gespannt, ob es nach meinem Studium eine Möglichkeit dazu gibt.
Es ging viel um Probleme. Was sind denn die schönsten Erinnerungen, die Sie an die Zeit mit den Grundschulkindern in Plankstadt verbinden?
Stahl: Vor allem in Erinnerung bleibt mir das Geburtstagslied, was zu jedem Geburtstag gemeinsam im Stehkreis gesungen wird. Es zeigt, dass jeder den anderen sieht, schätzt und annimmt. Auch Fragen wie „Wann bist du endlich unsere Lehrerin?“ haben mich täglich in meinem Berufswunsch bestätigt und bekräftigt. Ich denke, das ist das tollste Kompliment, welches Kinder in solchen Momenten machen können.
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