Mariä Himmelfahrt

Tradition der Kräuterbüschel: Ursprung und Bedeutung des Brauchs

Der Brauch der Kräuterbuschen zu Mariä Himmelfahrt verbindet christliche und heidnische Elemente. Die Bedeutung der geweihten Kräuter als Schutz und Segen wird beleuchtet.

Von 
Gemeindearchivar Ulrich Kobelke
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Kamille, Klee, Beifuß, Johanniskraut, Schafgarbe, Wegwarte und Pfefferminze sowie Getreidesorten sind typische Bestandteile der „Kräuterbuschn“. © Kobelke

Plankstadt. Wenn am 15. August im katholischen Kirchenjahr das Fest Maria Himmelfahrt gefeiert wird, sieht man in vielen Gemeinden die Menschen mit eigenartigen Kräutersträußen zum Gottesdienst gehen. Die geweihten Kräuter bewahrte man im Haus als Heiltum etwa gegen Feuer und Blitze auf, man legte sie Kindern oder Ehepaaren ins Bett, mengte sie ins Viehfutter und Saatgetreide und steckt sie in Feld und Ställe, um eine gute Ernte zu erhalten oder um Unheil und Krankheit abzuwenden.

Seit einigen Jahren wird auf dem Land und auch in der Stadt der schöne Brauch, Kräuterbuschen beziehungsweise Kräuterbüschel zu binden und am „Hohen Frauentag“ (Mariä Himmelfahrt, Fest der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel am 15. August) segnen zu lassen, wieder vermehrt praktiziert.

Dazu gehört natürlich auch, dass man weiß, was es mit dem Brauch auf sich hat und warum man ihn pflegt. Schon der irische Dramatiker George Bernhard Shaw sagte dazu „Tradition ist eine Laterne. Der Dumme hält sich an ihr fest, dem Klugen leuchtet sie den Weg.“

Viele Menschen unserer Zeit werden diesem Brauch heute wohl mit Unverständnis gegenüberstehen, da die alten kirchlichen Traditionen zunehmend in Vergessenheit geraten. Daher ein Blick in die Geschichte solchen Brauchtums.

Aus vorchristlicher Zeit

Schon aus antiker vorchristlicher Zeit und auch bei den Germanen kannte man die Heilkraft mancher Pflanzen. Wir wissen, daß die heidnischen Völker diese Pflanzen und Wurzeln mit allerlei magischen Beschwörungsformeln und geheimnisvollen Zeremoniellen ausgegraben oder gepflückt wurden. Auch bei der Anwendung der Kräuter oder der aus ihnen gewonnenen Essenzen wurden Zauberformeln und überlieferte Rituale angewandt. Bei den wenigen verbliebenen Naturvölkern können wir dies zum Teil heute noch beobachten.

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Die Kirche des Mittelalters versuchte nun, dieses tiefverwurzelte und im Ursprung heidnische Brauchtum zu verchristlichen, indem sie in ihren Gebeten die Wirkung der Kräuter auf Gott und die Fürsprache der Gottesmutter und der Heiligen zurückführte. Bereits im 10. Jahrhundert lassen sich in Deutschland derartige Weiheformulare nachweisen. Dass man nun die Kräuterweihe auf das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel (15. August) legte, mag seine Begründung darin finden, daß eben um diese Zeit viele Kräuter und auch die zahlreichen Ährenarten, die man im „Würzwisch“ zusammenfügte, erst im Monat August zur Reife gelangten.

Im überwiegend katholischen Bayern sowie im Saarland ist Mariä Himmelfahrt ein gesetzlicher Feiertag. Doch auch in anderen Bundesländern sind in den vergangenen Jahren in katholischen Kirchen immer wieder häufiger Gottesdienste mit Kräuterweihe üblich.

Die Sache mit der Zahl

Wie bei vielen überlieferten Bräuchen reichen sich auch hier Glaube und Aberglaube die Hand und nicht alle früheren Segensformulare hielten einer kritischen Hinterfragung besonders in der nachkonziliaren Zeit stand, da sie ihre Aufmerksamkeit mehr auf die gesegnete Sache als auf das Heil der Personen konzentrierten und man daher schon dem Besitz der geweihten Kräuter eine Art automatischer Schutzwirkung zutraute. Deshalb wurden die Texte und Rituale immer wieder revidiert und dem theologischen Verständnis angepasst.

Die botanische Zusammensetzung der Kräuterbüschel war und ist landschaftlich nach Art und Zahl sehr verschieden; allgemein gebräuchlich waren höchstens die verschiedenen Getreideähren. Sieben Kräuter müssen es mindestens sein; man kennt auch den 9er, 12er, 15er und 19er Buschen, ja mit der Zeit erhöhte sich die Zahl gar auf 66, 72, 77 oder 99. Man achte auf die vorgeschriebenen „magischen“ Zahlen! Die Dreizahl ist seit alten Zeiten und bei vielen Völkern heilig – die 9 ist eine vestärkte 3, die 7 ist vor allem in der jüdisch-christlichen Tradition gebräuchlich.

Typische Pflanzen der Kräuterbüschel waren Alant, Dill, Eibisch, Wermut, Beifuß, Johanniskraut, Schafgarbe, Rainfarn, Königskerze, Kamille, Thymian, Baldrian, Eisenkraut, Odermennig, Klee, Ringelblume, Kümmel, Wegwarte, Arnika, Augentrost, Lein, Pfefferminze, Amarant, Tausendgüldenkraut, Haselnuss sowie die Getreidesorten.

Zusammenstellung verschieden

Je nach Region sind in der Zusammenstellung der Kräuterbüschel große Unterschiede festzustellen; wahrscheinlich ist es immer auch darauf angekommen, was man im jeweiligen Landstrich findet.

Es ist auch leicht vorstellbar, dass mit zunehmender Unkenntnis der Pflanzen die Aufrechterhaltung dieser alten Tradition immer schwieriger wurde. Wer kennt schon die Lorenztasche (Cirsium olerárum), das echte Eisenkraut (Vervéna officinális), die Wilde Karde (Dipsacus silvéster), den Odermenning (Agrimonia eupatoria) oder das Große Flohkraut, auch Maria Bettsprai oder Ruhrwurz (Pulicaria dysenterica) genannt? Die Menschen früherer Zeiten mit ihrer Nähe zur belebten Natur hatten mit dem Auffinden und Bestimmen dieser Kräuter keine Schwierigkeiten. Die heutige Unkenntnis oder auch das völlige Fehlen von derartigen Kräutern führt heute dazu, dass man sich bei den Kräuterbüscheln auf schlichte Buchsgebinde beschränkt hat.

Neben diesen „Buschn“, die zu besonderen Tagen im Kirchenjahr gebunden wurden und auch heute noch werden, gibt es auch eine Vielzahl von „Lebensbuschn“, die zu allen möglichen Lebenslagen in den verschiedensten Gegenden vorkommen.

So gab es „Buschn“ für Kinder und Jugendliche, die für die Küche, zur Insektenabwehr, „Geschenkbuschn“ für Geburtstage, „Hochzeitsbuschn“, „Buschn“ für Schule und Beruf, „Schutzbuschn“, jene für die Abwehr, Räucher-, Stress- und Entspannungsbüschel, spezielle für Autofahrer, aber auch „Trennungs- und Abschiedsbuschn“ – und wie sie alle genannt wurden.

All diese Kräuterbüschel mit unterschiedlichen Wünschen und aus den unterschiedlichen Motiven und Zeiten bis hin in die Moderne zeigen aber vor allem eines: Der Mensch weiß um die unbezwingbare Natur und auch um ihre wirkungsvollen Kräfte, auf die er selbst keinen Einfluss hat! Dies gilt für alle Zeiten. In Gegenden mit starker landwirtschaftlicher Prägung haben sich diese Traditionen länger und zum Teil bis heute gehalten, da den Menschen diese Kräfte der Natur bewusster sind. Gerade in den auch heute noch beliebten Bauernkalendern werden solche Traditionen immer wieder beschrieben und auch erläutert.

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