Plankstadt. Über 30 Ukrainer sind inzwischen angekommen und stellen Plankstadt vor Herausforderungen. Alles muss schnell gehen und viel ist zu organisieren. Die große Welle der Solidarität und der Hilfsbereitschaft der „Plänkschder“ beeindruckt auch Bürgermeister Nils Drescher, den die Situation der Geflohenen, meist Frauen mit ihren Kindern, alles andere als kaltlässt. Der Verwaltungschef sprach mit dieser Zeitung über aktuelle Maßnahmen.
„Man muss kein Ukrainisch oder Russisch sprechen, um zu verstehen. Es genügt, den Menschen in die Augen zu sehen“, meint Drescher, der gerade aus einer Videokonferenz mit dem Landrat kommt, zu Beginn nachdenklich. Für einen Moment wird er hochemotional und es spricht nur der Mensch, nicht der Bürgermeister der Gemeinde: „Das macht was mit einem. Krieg in Europa – das eigene Weltbild gerät da ins Wanken. Die Welt schien über Jahre ein Stück friedlicher geworden, mit Abrüstungsverträgen und einer globalen Wirtschaft, bei der jeder von jedem abhängt, sodass Krieg in Niemandes Interesse liegen kann“, meint er.
Zuversicht in dunkler Zeit
Aktuell sei kaum abzuschätzen, wie viele Menschen noch kommen werden. Es werde davon ausgegangen, dass sich die 300 000 Kriegsflüchtlinge, die sich schon in Deutschland befinden sollen, mehr als verdreifachen werden. „Es ist von bis zu einer Million die Rede. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen, auch durch die Erfahrungen ab 2016 mit der damaligen Flüchtlingswelle.“ Von den über 30 Ukrainern sei ein Drittel privat untergebracht, was aber nicht immer einfach sei.
„Wir freuen uns natürlich über Angebote von Privatleuten. Aber jeder sollte sich gut überlegen, ob er das will und kann. Denn oft sind die Menschen traumatisiert. Und viele denken, da kommen nur Mütter mit Kindern. Aber manche haben zum Beispiel auch ihren Hund dabei. Außerdem weiß niemand, wie lange die Unterbringung nötig sein wird. Mit einem Gästezimmer für eine Woche ist es da nicht getan.“ Da käme es manchmal schon zu dem einen oder anderen Missverständnis.
Freude über Hilfsbereitschaft
Allgemein sei er erfreut über die wirklich große Hilfsbereitschaft der „Plänkschder“. „Von den vielen tollen Geldspenden war ich überrascht. Die setzen wir jetzt unter anderem für die Familienzusammenführung ein. Oft sitzen Verwandte noch in Mannheim, Heidelberg oder auch weiter weg. Dieser Rückhalt ist für die Geflüchteten sehr wichtig.“ Da mit weiteren Neuankömmlingen zu rechnen sei, lädt Drescher Vermieter dazu ein, sich zu melden: „Es wäre toll, wenn bei anstehender Neuvermietung an die Gemeinde gedacht würde. Für eine erste Möblierung haben wir immer ein paar Sachen im Bauhof stehen.“
Auch sonst täte sich sehr viel in Plankstadt. Es gebe ein geschlossenes Begegnungscafé, in dem bis zu 20 Ukrainer und vier Betreuern zum gemeinsamen Frühstücken zusammenkämen, um Erfahrungen auszutauschen und Verbindungen zu knüpfen, Sprachunterricht und mehr. Unter der Mehrzweckhalle sei eine Notunterkunft mit aktuell 20 Betten im Gymnastikraum eingerichtet worden, im Jugendraum daneben eine Küche für gemeinsames Essen. „Dort schläft aktuell niemand. Das kann auch immer nur eine erste Lösung sein“, betont Drescher. Am Samstag, 26. März, finde eine Sammlung von Sachspenden – Bargeld wird nicht angenommen – statt und die ersten Kinder gingen auch schon in die „Deutsch-Ukrainische Schule“, mit Onlineunterricht aus der Heimat und iPads von der Gemeinde (wir berichteten). Ärzte, die kostenfrei helfen, gebe es auch, so wie Dr. Adrian Rittmann.
„Beim ersten gemeinsamen Essen in der provisorischen Küche kochte das Rote Kreuz. Danach kamen Frauen auf sie zu, nahmen ihnen die Spüllappen aus der Hand und reinigten alles selbst. Sie wollen helfen, etwas zurückgeben und nicht nur erhalten. Und sie wollen arbeiten. Die meisten sind gut qualifiziert“, meint der Bürgermeister.
Sicherheit und Ruhe vermitteln
Beim Besuch in der Küche sagt eine Helferin: „Als sie hier waren, klatschte jemand in die Hände und sagte ‚So, jetzt wird gegessen‘. In diesem Moment warf sich ein Kind schnell auf den Boden und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Was muss es erlebt haben?“
Drescher sagt dazu: „Ich glaube, man muss den Menschen Sicherheit und Ruhe vermitteln und nicht in hektischen Aktionismus verfallen. Ich denke, wir können die Situation in den Griff kriegen.“ Auf die für Ukrainer angeblich größere Hilfsbereitschaft als gegenüber Menschen aus anderen Kulturkreisen angesprochen, sagt er: „Ich sehe da keinen großen Unterschied. Es ist die gleiche Hilfsbereitschaft wie 2016. Eventuell ist es jetzt etwas emotionaler, weil vorwiegend Frauen und Kinder kommen und somit eine besonders vulnerable Gruppe.“
Wichtig sei, dass man, zumindest im ersten Moment, „Bürokratie Bürokratie sein lässt“. Hundesteuer einfordern, weil Geflüchtete Hunde dabei haben? „Das steht auch auf der Liste, aber weit hinten. Denn jetzt ist das Essenzielle wichtig. Aber ja, wenn es sein muss, neben allem anderen, zahlen wir am Ende auch die Hundesteuer“, so Nils Drescher abschließend.
Info: Spendenkonto für Ukraine: Gemeinde Plankstadt, Sparkasse Heidelberg, IBAN: DE 93 6725 0020 0022 5001 04, Stichwort: Spende Ukraine
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