Plankstadt. Mit über 1500 Bierbrauereien in ihren 16 Bundesländern spielen die Deutschen weltweit in der obersten Liga mit. Kein anderes Land hat eine ähnlich hohe Brauereidichte. Wie viele andere Bereiche steht aber auch die Bierbranche in Zukunft vor großen Herausforderungen. Zum internationalen Tag des Bieres erzählt Welde-Geschäftsführer Max Spielmann, wie es dem Plankstadter Familienbetrieb nach zwei Jahren Corona-Pandemie geht, was die aktuelle Wirtschaftslage für die Brauerei bedeutet und welche Projekte für die Zukunft geplant sind.
Während der Pandemie waren viele Brauereien in ihrer Existenz bedroht. Wie geht es Welde nach zwei Jahren Corona?
Max Spielmann: Uns geht es verhältnismäßig gut. Wir haben es geschafft, über ein stringentes Portfolio-Management und eine gute Produktplanung in den letzten Jahren nicht von einzelnen Absatzkanälen oder Sorten abhängig zu sein, sondern sind sehr breit aufgestellt. Damit haben wir die Möglichkeit, über verschiedene Kanäle Umsatz zu generieren und so kamen wir einigermaßen durch die schwierigen letzten beiden Jahre. Was aber nach wie vor ein Riesenproblem für uns ist, ist die Planungsunsicherheit. Seit Anfang der Corona-Pandemie sind wir nur auf Sicht gefahren. Die Entscheider in der Politik wollten keine konkreten Aussagen äußern, zum Beispiel welche Schließung wann vorgenommen wird – und das hat teilweise ganze Absatzkanäle von uns betroffen. Diese Planungsunsicherheit ist jetzt doppelt vorhanden. Wir haben nach wie vor das Thema Corona auf dem Tisch – wir merken gerade jetzt auch die Sommerwelle – und gleichzeitig schwebt eine mögliche Energiekrise wie ein Damoklesschwert über uns. Das macht es schwer, vorausschauend zu planen.
Personal entlassen mussten Sie also nicht?
Spielmann: Einzelne Abteilungen waren während der Corona-Krise in Kurzarbeit, aber wir haben aus unseren Privatgeldern die Löhne komplett auf 100 Prozent aufgestockt. So haben wir es geschafft, alle Arbeitsplätze zu halten. Wir sehen es als unsere Pflicht als Familienbetrieb, die Arbeitsplätze so lange es geht zu erhalten. Arbeitsplätze abzubauen wäre für uns immer das letzte Mittel – und das haben wir in den letzten zwei Jahren nicht einsetzen müssen.
Aufgrund der aktuellen Wirtschaftslage werden laut Deutschem Brauer-Bund die Bierflaschen knapp. Gibt es Welde-Bier also bald nur noch vom Fass?
Spielmann: Das hört und liest man und das ist so. Aber auch da sind wir in einer Sondersituation. Zum einen sind wir eine Brauerei, die sich auf ein rein regionales Geschäft fokussiert hat. Unser Kerngeschäft befindet sich rund 50 Kilometer um das Sudhaus herum. Das wiederum bringt einige Vorteile: Wir haben einen direkten Kundenzugang und können so unser Leergut einigermaßen managen. Wir wissen zumindest zum Großteil, wo unsere Flaschen sind, und können reagieren. Zum anderen sind unsere geschwungenen Flaschen individuell. Wir haben dementsprechend keinen Wettbewerb innerhalb der Branche, sodass uns niemand Flaschenmengen vor der Nase zu einem höheren Preis wegkaufen kann. Das ist eher das Problem bei Standardflaschen. Einer unserer zwei Lieferanten kommt allerdings aus der Ukraine, was uns vor eine andere Herausforderung gestellt hat. Gerade im Januar war dort eine Jahresmenge Weldeflaschen produziert worden, im Februar ging der Krieg los. Zum Glück haben wir unsere Flaschen aber alle herholen können, sodass wir im Moment eher zu viele davon auf dem Hof haben. Also bei uns werden die Bierflaschen nicht knapp.
Wie viele Flaschen Bier produzieren Sie aktuell pro Tag? Ist das mehr im Vergleich zu den vergangenen Jahren?
Spielmann: Das sind ungefähr 200 000 Flaschen pro Tag. Dieses Jahr ist es schon noch mal ein bisschen mehr geworden. In den Sommermonaten läuft unser Geschäft verhältnismäßig normal – zum Glück durfte die Gastronomie wieder öffnen und dieses Jahr gibt es wieder einige Events. Wenn ich das aufs ganze Jahr betrachte, dann füllen wir jetzt aber wieder deutlich mehr ab.
Hat die aktuelle Hitzewelle Auswirkungen auf Ihren Betrieb?
Spielmann: Die Gerste wird zwar im Moment bei hoher Trockenheit geerntet, die Wachstumsphase lag aber schon in den früheren, feuchteren Monaten des Jahres, sodass die Gerstenernte dieses Jahr sehr gut sein wird. Aufgrund der anhaltenden Trockenheit sehen wir allerdings das Risiko, dass unsere Hopfenernte schlecht ausfällt. Hopfen wird hier im Land Ende August/Anfang September geerntet. Die Pflanze braucht viel Wasser und eher niedrigere Temperaturen. Also genau das, was es momentan so gar nicht gibt. Deshalb schauen wir gespannt in die Zukunft, was die Hopfenernte dieses Jahr bringt. Eine Prognose können wir noch nicht stellen: Es kommt darauf an, was jetzt in den nächsten vier bis sechs Wochen auf den Hopfenfeldern Deutschlands passiert.
Die Tagesschau berichtete, dass Bierbrauen so teuer ist wie noch nie. Würden Sie das so unterschreiben?
Spielmann: Ja. Wir merken, dass die Kosten sich auf der Einkaufsseite auf breiter Front erhöhen. Wir haben durchschnittliche Kostensteigerungen von zehn bis 15 Prozent, die wir aktuell versuchen zu kompensieren. Einerseits gestalten wir unsere Prozesse noch effizienter, indem wir uns überlegen, welche Rohstoffe wir dringend brauchen und auf welche wir verzichten könnten. Und wir überlegen uns, wo wir Kostensteigerungen weitergeben müssen. Da kalkulieren wir gerade, wie das für uns auf der Einnahmenseite zu Anpassungen führen wird. Im Moment versuchen wir erst mal, die Kosten so weit es geht zu halten. Wir kaufen Energie, Hopfen und Gerste zwei bis drei Jahre im Voraus ein und haben dadurch Preisabsprachen, die Stand heute noch greifen. Natürlich kommen Frachtaufschläge et cetera hinzu, aber es sind bisher eben „nur“ zehn bis 15 und noch nicht 50 Prozent Kostensteigerungen.
Vor welchen Herausforderungen steht die Bierbranche in der aktuellen Situation?
Spielmann: Ganz sicher ist der Gasmangel ein wichtiges Thema. Die Braubranche ist wie viele Branchen in Deutschland extrem abhängig vom Gas. Das war in den vergangenen zehn Jahren auch politisch so gewollt, dass man auf Gas umgestiegen und weg von Schwer- oder Heizöl gekommen ist. Wir haben uns als Gesellschaft in eine Abhängigkeit Russlands begeben, das schwebt jetzt wie ein Damoklesschwert über uns. Und – wie viele andere Branchen auch – werden wir gerade beim Personal vor große Herausforderungen gestellt. Wir müssen schauen, dass wir auch zukünftig genügend Mitarbeiter finden, die das Bier aus der Brauerei zu unseren Kunden bringen, die das Bier brauen und sich für einen sicheren Arbeitsplatz hier in der Heimat interessieren. Das wird eine große Herausforderung der Branche, die wir in den nächsten Jahren zu stemmen haben werden.
Betrifft das Problem auch die Gastronomie?
Spielmann: Ja, da braucht man gar nicht um den heißen Brei herumreden. Da ist es sogar noch massiver. In der Gastronomie hat man schon vor der Corona-Krise personelle Engpässe gehabt, die haben sich während der Pandemie massiv verstärkt. In unseren Häusern sind glücklicherweise keine Mitarbeiter abgewandert – wir haben aber auch versucht, die Leute zu halten. Trotzdem ist der Personalmangel ein Riesenproblem. Der Gasmangel ist mittelfristig lösbar. Aber was für mich nicht mittelfristig lösbar ist, das ist der Fachkräftemangel.
Was ist für Sie das Besondere am Beruf eines Bierbrauers?
Spielmann: Das, was uns auch in solchen schweren Zeiten immer wieder antreibt, ist, dass wir das große Glück haben, so ein tolles Produkt herstellen zu dürfen. Jeder zeigt Interesse, darüber zu sprechen, man kommt bei einem Bier zusammen – es ist ein Kommunikationsmotor. Bier ist vor allem ein sehr demokratisches Produkt. Bei einem Bier kommen alle Gesellschaftsschichten zusammen, es ist nicht exklusiv. Das macht es einfach sehr besonders. Und darüber hinaus ist es für mich natürlich etwas Besonderes, dass wir als Familienbetrieb hier in unserer Heimat eine gewisse Verantwortung für unsere Mitarbeiter tragen und versuchen, den Beruf des Bierbrauers möglichst abwechslungsreich zu gestalten.
Sind derzeit neue Projekte – zum Beispiel neue Biersorten – in Planung?
Spielmann: Wir bringen jetzt im Herbst drei Saisonbiere heraus. Mit dem Hopfen, den wir in Sandhausen auf dem letzten Hopfenfeld hier in der Region ernten, brauen wir ein Grünhopfenpils. Der Hopfen kommt direkt vom Feld in den Sudkessel, das geht nur zur Erntezeit. Er wird nicht verarbeitet, sondern die Dolden werden gepflückt, sofort getrocknet und kommen dann direkt in den Sud. Frischer kann ein Hopfen gar nicht ins Bier kommen. Das Bier wird im Oktober fertig sein. Vorher bringen wir im September noch das Kurpfalzbräu Festbier raus – zeitlich passend zu den Oktoberfesten. Und im November gibt es wieder unseren starken Kurpfalzbräu Eisbock für die kalte Jahreszeit. Alle drei Biere sind nur für kurze Zeit erhältlich. Ansonsten haben wir noch einige wichtige Projekte hier in der Brauerei. Wir erneuern Anlagen, investierten in unseren Standort und versuchen, über Neuinvestitionen am Puls der Zeit zu sein. Wir wollen unabhängiger von fossilem Brennstoff und nachhaltiger werden. In diese Bereiche fließt viel Geld. Wir wollen unsere Zukunft trotz Planungsunsicherheit aktiv gestalten. Wenn man zu viel überlegt, was alles schiefgehen könnte, nimmt einem das sehr viel Mut. Es ist wichtig, dass man sich nicht von zu vielen Sorgen und Bedenken ausbremsen lässt. Das wäre schade, denn dann verpasst man so viel Spannendes im Leben. So gehen wir bei Welde an die Sachen ran. Wir haben so viele Jahrzehnte als Familienunternehmen an unserem Standort überstanden und werden auch die nächsten Jahrzehnte überstehen.
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