Herrenbuckel

Bauern protestieren in Reilingen: Angst vor Schwund der Artenvielfalt

Bauern protestieren gegen die Ansiedlung eines landwirtschaftlichen Betriebs bei den Aussiedlerhöfen - denn es steht auch dei Frage im Raum: Woher soll die Fläche für den neuen Landwirt kommen?

Von 
Jürgen Schell
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Mit Plakaten machen die Landwirte des Herrenbuckels auf ihr Anliegen aufmerksam: Sie protestieren gegen die geplante Ansiedlung eines weiteren Betriebs in dem Bereich. © Schell

Reilingen. „Große Ungläubigkeit verursachte die Ratsentscheidung zur Ansiedlung eines weiteren Gemüsebaubetriebs in Reilingen bei den örtlichen Bauern“, heißt es in einer Pressemitteilung der Landwirte am Herrenbuckel, die sich gegen die Pläne wehren. Woher soll die Fläche für den neuen Landwirt kommen? Drohen etwa Flächenkündigungen seitens der Gemeinde? Der Flächenbedarf ist nur ein Punkt, der bei der Entscheidungsfindung nicht bedacht wurde, so die Haltung der Landwirte, die sie am vergangenen Samstag mit einer Protestveranstaltung in der verlängerten Walldorfer Straße bekundeten.

Seit Jahren würden Bauern jährlich Flächen durch Baumaßnahmen verlieren. Komme die Raststätte an der A 6 im Bereich des Sandwegs und die Güterbahntrasse, werde es ganz düster für Natur und Landwirtschaft, so die Befürchtung. In erster Linie gehe es darum, den Brennpunkt im Kleinen Hertenweg wegen einer ungenehmigten landwirtschaftlichen Ansiedlung zu beheben. Der Druck der Anwohner auf das Rathaus sei sehr hoch geworden, heißt es in der Mitteilung. Fraglich sei, wie es zu dem nun schon Jahre andauernden Missstand kommen konnte und wieso dem Pächter nicht schon früher fristlos gekündigt wurde. Um dem Rat diese unschöne Entwicklung transparent aufzuzeigen, habe die kleinste Fraktion im Rathaus das Bauamt aufgefordert, den Sachverhalt chronologisch darzustellen. Dies soll auch der weiteren Entscheidung zur Meinungsbildung dienen, so die Landwirte.

Bauern protestieren in Reilingen: Übergabe an den Nachwuchs

Sechs Reilinger Familienbetriebe seien in der glücklichen Lage, ihre Betriebe an den Nachwuchs übergeben zu können. Diese Betriebe bitten nun Bürgermeister und Gemeinderat zu einem Gespräch. Nach der Vor-Ort-Kundgebung, bei der fast alle Fraktionen zahlreich vertreten waren, möchten man nochmals über die Risiken, die von einer Neuansiedlung ausgehen, informieren.

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Vermutlich entwickle der neue Betrieb einen sehr großen Flächenhunger. Dies erhöhe den Konkurrenzdruck der Betriebe, es entstehe ein Verdrängungswettbewerb, so die Vermutung. Um konkurrenzfähig zu bleiben, folge oft eine Erhöhung der Intensität – mehr Dünger, mehr Pflanzenschutz. All das beschleunige den Artenschwund und schade der Fruchtbarkeit der Böden. Am Ende verblieben noch zwei, drei Betriebe auf der Gemarkung, die Vielfalt sei dahin, befürchten die Landwirte.

Den Wandel in der Landwirtschaft habe es immer gegeben, aber noch nie sei das Gleichgewicht im Naturhaushalt derart fragil gewesen. „Ein drängender Zeitpunkt für die Lokalpolitik mitzureden, mitzuentscheiden und eine Richtung zum Wohle der Bürger vorzuschlagen“, hießt es in der Mitteilung.

Vielfach übernehme das Gemeindeparlament Verantwortung: keine schmutzige Industrie, keine überbordende Containerunterkunft für Kriegsflüchtlinge seien nur zwei Beispiele. Auch in der angestrebten Landbewirtschaftung sei es legitim, wenn der Rat seine Wünsche äußere und den Bauern Perspektiven aufzeige.

Bauern protestieren in Reilingen: Unsicherheit bei den Bürgern

Bei einer Veranstaltung des Ortsverbands der Grünen hätten die anwesenden Reilinger Bauern spüren können, wie viel Unsicherheit in der Bürgerschaft bezüglich der Landwirtschaft herrsche. Man sorge sich um Natur und die Gesundheit. In der Wahrnehmung der Menschen intensiviere sich die Produktion auf den Feldern immer mehr. Grundwasserverbrauch, Pflanzenschutzmitteleinsatz und Folienanbau, alles Themen, die nicht nur die grünen Wähler beschäftigen würden.

Die Pferdebetriebe wirtschafteten im Übrigen sehr umweltverträglich. Um den Herrenbuckel sei viel wertvolles Grünland, etwa Wiesen oder Weideflächen mit Baum- und Heckenbewuchs, entstanden. Die Betriebe wirtschafteten dabei ohne jegliche Düngergabe, die Mähzeitpunkte seien spät gewählt, damit könnten Kräuter blühen und Insekten Nahrung finden. Das Land fördere diese extensive Form der Grünlandwirtschaft, weil Magerwiesen eine hohe ökologische Wertigkeit hätten. So seien die Familien des Herrenbuckels stolz auf den Naturraum, den sie in den letzten 50 Jahren geschaffen hätten.

Bauern protestieren in Reilingen: Dynamische Entwicklung

Die Ansiedlung eines Gemüsebaubetriebs sehe man sehr kritisch. Der Naturzustand werde erheblich gestört. Zuerst stünden eine Halle und Wohncontainer, dies wäre aber erst der Anfang. Wie dynamisch sich florierende Betriebe entwickelten, wisse man in Reilingen. In ein paar Jahren sehe man sich einem mittleren Industriebetrieb mit alltäglichen Konfrontationen ausgesetzt, sorgen sich die Landwirte.

Die Gefährdung schwacher Verkehrsteilnehmer wie Radfahrer und Reiter nehme durch zunehmenden Lkw-Verkehr auf den zu schmalen Wirtschaftswegen drastisch zu. Eine Situation, die keiner Seite gerecht werde. Wie schon im Hertenweg sei die Standortwahl nicht nachhaltig. Die Lösung nach dem Sankt-Florian-Prinzip werde der Verantwortungspflicht des Gemeindeparlaments nicht gerecht.

Bauern protestieren in Reilingen: Ansiedlung auf grünen Wiesen billiger

Die beabsichtigte Siedlungsfläche sei nicht im Eigentum des Antragstellers, damit sei der Standort nicht bindend. Alternativstandorte seien also möglich, auch und gerade weil der Betrieb Flächen in der ganzen Region bewirtschafte. Anbieten würden sich auslaufende Betriebsstellen. Hier sollten Gespräche mit der Landsiedlung Baden-Württemberg geführt werden.

Die Ansiedlung auf der grünen Wiese sei jedoch weitaus billiger, als der Erwerb einer auslaufenden Betriebsstelle. Wie so oft werde aus Kostengründen weitere Natur geopfert. Hier setze sich das bekannte Denkmuster fort, bedenkenlos Fläche für den persönlichen Profit zu verbrauchen. „Bei Einsprüchen gegen Flächenverluste durch künftige Baulandumlegung verspiele der Berufsstand damit jegliche Glaubwürdigkeit, indirekt verursacht durch die unglückliche Ratsentscheidung“, stellen die Landwirte abschließend in ihrer Pressemitteilung fest.

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