Wissenschaft

Bundes-Forschungsprojekt sagt Schadstoffen in Reilingen den Kampf an

Ein Forschungsprojekt des Bundes testet in Reilingen neue Wege, um widerstandsfähige Schadstoffe sicher aus dem Boden zu entfernen. Lässt sich damit ein Problem lösen, das die Reilinger seit Jahren beschäftigt?

Von 
Markus Müller
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Bei der Inbetriebnahme der Pilotanlage lassen sich Kämmerer Christian Bickle (v. l.) und Bürgermeister Stefan Weisbrod von den Experten Werner Bock und Michael Reinhard am Schaltschrank die Funktionsweise erläutern. © Dorothea Lenhardt

Reilingen. Ein Matratzenlager brennt lichterloh, die Feuerwehr bekämpft das Flammeninferno mit großem Aufgebot: Keine Sorge, der spektakuläre Einsatz im Reilinger Gewerbegebiet ist 17 Jahre her. Trotzdem ist das Thema noch immer brandaktuell. Denn damals ist reichlich Löschschaum auf eine benachbarte Grünfläche gelaufen und im Boden versickert. Das Problem: Das Feuerbekämpfungsmittel Nummer eins enthielt sogenannte PFAS. Das steht für Per- und Polyfluorierte Alkylsubstanzen. Diese Stoffe verleihen dem Löschschaum entscheidende Eigenschaften wie seine Hitzebeständigkeit. Inzwischen ist allerdings bekannt, dass sie krebserregend sein können. Die großen Mengen im Untergrund verunreinigen das Grundwasser. Doch wie lässt sich die Lage effektiv und sicher entschärfen?

Blick in den Container: In diesen beiden Containern filtert Aktivkohle die Schadstoffeaus dem Grundwasser. © Dorothea Lenhardt

Genau diese Frage beschäftigt die Verantwortlichen im Reilinger Rathaus und im Landratsamt in Heidelberg seit dem Unglück. Ein Bodenaustausch vor einigen Jahren habe die Belastung teilweise vermindert, aber das Problem nicht behoben. „Allein wir als Kommune haben bereits 750.000 Euro in den Sand versenkt ohne Perspektive auf eine dauerhafte Lösung“, hebt Bürgermeister Stefan Weisbrod den finanziellen Aspekt hervor.

Nur der obere Teil des Zirkulationsbrunnens ragt aus dem Boden, der Rest der Anlage ist unterirdisch. © Dorothea Lenhardt

Die Forscher rücken an

Hoffnung weckt nun PFClean, ein interdisziplinäres Forschungsprojekt des Bundes. Als einen der beiden Versuchsstandorte haben die sieben Projektpartner die Grünfläche an der Siemensstraße in Reilingen just wegen des Löschschaumschadens ausgewählt. „Die damals beteiligten Feuerwehren aus Reilingen und anderen Gemeinden haben jeweils leicht unterschiedliche Schäume verwendet, sodass wir hier einen für die Forschung interessanten Cocktail dieser sogenannten Ewigkeitschemikalien haben“, erklärt Martin Haberstock, Geschäftsführer der Geiger Entsorgung GmbH, beim offiziellen Auftakt. Und er ergänzt: „Chemikalien oder Giftstoffe für die Ewigkeit deshalb, weil Verbrennen momentan die einzige Möglichkeit darstellt, diese Schadstoffe zu zerstören.“ Tief im Boden lasse sich diese Methode natürlich nicht anwenden.

PFClean

  • Das interdisziplinäre Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ist auf zwei Standorte verteilt: Reilingen und Hügelsheim im Landkreis Rastatt.
  • In Reilingen stehen das möglichst effektive Mobilisieren von Per- und Polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) und deren Auswaschen aus dem Grundwasser im Mittelpunkt, in Hügelsheim das Reinigen von PFAS-haltigen Papierschlämmen, die früher als Kompost auf Ackerflächen ausgebracht wurde.
  • Sieben Projektpartner arbeiten Hand in Hand: die Versuchseinrichtung zur Grundwasser- und Altlastensanierung der Universität Stuttgart, die Arbeitsgruppe Umweltanalytik Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Arcadis Germany GmbH aus Karlsruhe, Geiger Entsorgung GmbH & Co. KG aus Oberstorf, Sax + Klee aus Mannheim, TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser aus Karlsruhe.
  • Insgesamt investiert das Bundesministerium rund drei Millionen Euro in das Projekt, das in Reilingen auf ein Jahr befristet ist.

Hier setzt das Forschungsprojekt PFClean an. Es besteht aus zwei Teilen mit je eigenem Schwerpunkt. Ein großer Container markiert den Bereich, in dem ein Grundwasserzirkulationsbrunnen bis zu 6,5 Meter tief in die Erde reicht. Über ihn wird Grundwasser in der Tiefe entnommen und von oben wieder in den Brunnen eingeleitet. Dadurch entsteht ein Wasserkreislauf, der den Boden sehr viel schneller durchströmt als das eigentlich sehr langsam fließende Grundwasser. „Diese sogenannte Zirkulationswalze spült den mit PFAS verunreinigten Boden wie in einer Waschmaschine“, erläutern Werner Bock von Sax + Klee, die Firma hat die Pilotanlage aufgebaut, und Michael Reinhard von Arcadis, einem weiteren Partner. Durch Erwärmung des Wassers kann dieser Effekt noch verbessert werden. Bevor das abgepumpte Wasser wieder eingeleitet wird, wird es in den Container über die Aktivkohlefilter gepumpt. Ein Schaltschrank ermöglicht es, die Anlage per Fernzugriff zu überwachen und zu steuern.

In dem "Spundkasten" überprüfen die Forscher, ob Aktivkohle mit elektrischer Spannung Schadstoffe noch gründlicher aus dem Grundwasser herausfiltert. © Dorothea Lenhardt

Mithilfe von Aktivkohle werden die Schadstoffe schließlich aus dem Wasser gefiltert. Diese Aufgabe übernehmen der Hauptfilter und der Polizei- oder Sicherheitsfilter. Letzterer stelle sicher, dass auch eventuelle Reste, die der erste Filter nicht erwischt hat, entfernt werden. „Es geht um die Frage, wie gut sich die Schadstoffe durch den Zirkulationsbrunnen mobilisieren lassen“, beschreibt Claus Haslauer von VEGAS – der Versuchseinrichtung zur Grundwasser- und Altlastensanierung der Universität Stuttgart, die das Projekt koordiniert – das vorrangige Ziel dieser Anlage. Zudem betont er, dass es nicht nur einige wenige dieser spezifischen Schadstoffe gibt, sondern mehrere Tausend. Zusätzliche Forschungsaspekte seien daher stets, wie sie sich in der Umwelt verhalten und sich manche PFAS in andere umformen.

Eine spannende Angelegenheit

Vom Brunnen aus wird Grundwasser zum zweiten Bereich geleitet: einem ebenfalls unterirdischen Trichtersystem oder auf Englisch Funnel-and-Gate-System. Bei diesem liegt der Fokus darauf, wie sich abströmendes Grundwasser passiv von PFAS reinigen lässt. Für die Untersuchung haben die Partner ein mehrere Meter langes und breites Rechteck ausgehoben, die Ränder der Grube - über der ein Zelt steht - sind mit Spunddielen befestigt. Im Innern befinden sich zwei Teststränge mit verschiedenen Kammern. Das Grundwasser strömt durch den Trichter (Englisch funnel) zum Ablauf (gate), der die Aktivkohle enthält.

In einem Strang steht diese Kammer unter elektrischer Spannung, im parallel verlaufenden Strang liegt keine Spannung an. „Im Labor hat das elektrische Feld die Reinigungsleistung deutlich verbessert. Jetzt wollen wir herausfinden, ob wir das auch vor Ort erreichen“, erklärt Haberstock. „Die Ionisierung soll die Schadstoffverbindungen zudem länger an die Filter binden“, merkt Heico Schell vom Technologiezentrum Wasser in Karlsruhe an.

Der Aktivkohle folgt jeweils eine Kammer mit Frischwasser, in der die Ergebnisse gemessen werden. Im Anschluss stellt auch hier ein Polizeifilter sicher, dass nur vollständig sauberes Wasser zurück ins Grundwasser geleitet wird.

Beim Startschuss kommen Vertreter der Projektpartner und der Gemeinde zusammen. Auf die Ergebnisse sind alle gespannt. © Dorothea Lenhardt

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