Reilingen. Die Gemeinde Reilingen betreibt seit Jahrzehnten ein Schmutzwasser- und Regenwetterpumpwerk. Das Abwasser wird mittels dreier Schneckenpumpen über einen Hauptsammler zur Kläranlage Hockenheim gefördert. Das Regenwetterpumpwerk befüllt bei einem Regenereignis das nachgeschaltete Überlaufbecken. Die Anlagen haben nun erheblichen Sanierungs- und Modernisierungsbedarf. Der Gemeinderat stimmte in seiner jüngsten Sitzung über die weiteren Planungen ab.
Erich Schulz vom gleichnamigen Ingenieurbüro aus Hirschberg und Patrick Feike von der Sanierungsplanung für öffentliche Abwasserentsorgung des Büros stellten mögliche Ausbauvarianten für das Regenwasserhebewerk vor. Feike ging zunächst auf den bereits erledigten ersten Bauabschnitt ein. Das Schmutzwasserpumpwerk wurde komplett saniert, indem die vier Schnecken ausgetauscht und die Mess- und Elektrotechnik erneuert wurde. Es habe zwar eine längere Bauzeit als geplant gegeben, einige Störfälle hätten aber schnell vor Ort gelöst werden können, so Feike. Die Gesamtkosten von 1,21 Millionen Euro hätten sogar unter der Berechnung gelegen.
Dieselmotorantrieb ist die „Schwachstelle des Gesamtsystems“
Nun soll in einem zweiten Bauabschnitt das Regenwetterpumpwerk saniert werden. Das Regenüberlaufbecken könnte dann in einem späteren dritten Bauabschnitt erneuert werden. Bei der Maßnahme sind die Vorbereitung der Wasserhaltung, die Sanierung der Schnecken, die punktuelle Betonsanierung, die Erneuerung der Abdeckung und ein Kontrollpodest sowie eine neue Schaltanlage die notwendigen Arbeitsschritte. Der vorhandene Dieselmotorantrieb der Schnecken soll zukunftssicher durch Elektroantriebe ersetzt werden, so der Vorschlag der Ingenieure. Die vorhandenen Schnecken könnten erhalten werden.
Der Dieselmotorantrieb sei die Schwachstelle des Gesamtsystems. Zusätzlich wäre der Bau einer Netzersatzanlage möglich, damit wäre eine „echte Redundanz“ gegeben. Die vorhandenen Dieselaggregate könnten zwar bei einem Stromausfall betrieben werden, die Steuerung des Hebewerks und die Dieselpumpen allerdings nicht. „Ein Elektroantrieb hat deutlich mehr Vorteile, weil er wartungsfrei ist“, warb Schulz für die Umrüstung. Elektroantriebe seien „im Betrieb deutlich emissionsärmer, verschleißreduziert und einfacher austauschbar“. Bei einer Beibehaltung des Dieselantriebs müssten die Tankanlage und die Motorkühlung erneuert und eine kleine Netzersatzanlage gebaut werden.
Problem: Ersatzteile immer schwieriger beschaffbar
Das war eine schwierige Entscheidung für die Ratsmitglieder. Das Gremium diskutierte ausgiebig. Die Schiffsdiesel haben erst 2000 Betriebsstunden auf dem Buckel und könnten noch gut 50 Jahre laufen. Wenn der Dieselantrieb aber seinen Geist aufgeben sollte, dürfte es keinen Ersatz mehr geben. „Sie sind momentan nicht redundant“, warnte Feike. Die vom Ingenieurbüro vorgeschlagene Variante kostet rund 1,93 Millionen Euro. Bliebe es dagegen beim Dieselantrieb, würden die Kosten „nur“ 1,33 Millionen Euro betragen. „Rund 600.000 Euro für einen Elektroantrieb können wir uns nicht leisten“, mahnte Michael Lauer (Freie Wähler).
Die Nachkalkulation der gesplitteten Abwassergebühr hat zum Stichtag 31. Dezember 2024 eine Kostenüberdeckung von knapp 860.000 Euro ergeben. Mit der kostendeckenden Schmutzwassergebühr für das Jahr 2025 von 2,35 Euro pro Kubikmeter Abwasser beziehungsweise der kostendeckenden Niederschlagswassergebühr von 0,65 Euro pro Quadratmeter versiegelter Fläche seien „die gebührenrechtlichen Grundlagen geschaffen, um die Investitionen finanzieren zu können“, hieß es im Beschlussvorschlag weiter.
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Mit dem Baubeginn könnte im ersten Halbjahr 2026 gerechnet werden, aufgrund der langen Lieferzeiten für Trafos müsse von einer Bauzeit von etwa zwei Jahren ausgegangen werden. „Ersatzteile für Dieselmotoren werden immer teurer“, gab Schulz zu bedenken. Bürgermeister Stefan Weisbrod erklärte, die Anschaffung eines kleinen Notstromaggregats für die Gemeinde habe vier Jahre gedauert.
Verwaltungsvorschlag mit zwölf Nein- zu sechs Ja-Stimmen abgelehnt
Fragen von Jochen Lochner (Die Linke), Dr. Stefan Reschke (FDP) und Simon Schell (Grüne) wurden beantwortet. Es zeigte sich ein uneinheitliches Abstimmungsverhalten der Fraktionen. Dieter Rösch (SPD) war angesichts zunehmender Starkregenereignisse für mehr Vorsorge: „Wir müssen für den Fall der Fälle gerüstet sein.“ Die hohen Mehrkosten für Elektroantriebe der Schnecken seien „ein unheimlich großer Betrag für eine gewisse Wahrscheinlichkeit“, meinte Patricia Faber (Freie Wähler). Jochen Lochner (Die Linke) beantragte die namentliche Abstimmung für das Protokoll.
Der Vorschlag der Verwaltung, bei der Modernisierung des Regenwasserpumpwerks die Ausbauvariante mit den zukunftssicheren Elektroantrieben zu nehmen, wurde mit zwölf Neinstimmen bei nur sechs Ja-Stimmen mehrheitlich abgelehnt. Die Variante mit der Beibehaltung des Dieselantriebs ging mit 13 Jastimmen, bei zwei Neinstimmen und drei Enthaltungen durch.
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