Grillhütte

Kinderrechte bei Sommerfest der WingTsun-Schule in Reilingen im Mittelpunkt

An der Reilinger Grillhütte steht zwar der Spaß beim Sommerfest der WingTsun-Schule Klostermann im Fokus - doch es geht um viel Wichtigeres

Von 
Rebecca Jankowski
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Buntes Treiben auf dem Sommerfest mit Feuerwehr, DRK und Polizei © Jens Jankowski

Reilingen/Hockenheim. Gewalt an Schulen sei längst keine Ausnahme mehr. „Die WingTsun-Schule Klostermann hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, Kinder stark zu machen und zu schützen“, schreiben die Verantwortlichen des Schule. Nun fand das Sommerfest in der Grillhütte Reilingen statt, mit über 370 Menschen. „Ein großer Andrang, der zeigt: Das Thema Kindersicherheit bewegt.“

An verschiedenen Stationen der Sommerolympiade konnten sich Jung und Alt gleichermaßen auspowern: Hampelmänner, Liegestützen, Kniebeugen oder Bärentritte wurden auf Zeit gestoppt. Voller Energie und Tatendrang hatten sich schnell Schlangen an den einzelnen Stationen gebildet und die Eltern ihre Kinder fleißig angefeuert.

Auch das Jugendrotkreuz war mit einer liebevoll gestalteten Aktion vor Ort. Im Mittelpunkt stand eine farbige Wand mit Bildern und Klappen zu Kinderrechten. Jedes Kind durfte mit einem Ball auf eines der bunten Felder zielen. Anschließend mussten sie raten, welches Recht sich hinter dem Bild verbergen würde. Dann wurde die Klappe geöffnet und gemeinsam gelesen.

Sommerfest der WingTsun-Schule Klostermann bietet facettenreiches Programm

Sehr beliebt war die „Funk-Wand“ der Feuerwehr, an der Kinder mit einem echten Feuerwehrschlauch „Brände“ löschen konnten. Felix Jung, seit 1996 bei der Feuerwehr und heute ausgebildeter Zugführer, erklärte den Kindern, wie man mit dem Schlauch umgeht. Immer wieder streute er kleine Späße ein. Unterstützt wurde er von Marvin Berger, der 2010 im Alter von zwölf Jahren zur Jugendfeuerwehr kam. Beide Männer sind familiär vorbelastet: „Schon unsere Väter waren bei der Freiwilligen Feuerwehr“, erzählte Jung. Die Zusammenarbeit mit der Feuerwehr ist für die WingTsun-Schule nicht neu, so hat Andreas Klostermann schon öfter Schulungen angeboten, wie zum Beispiel Deeskalationstrainings für die Einsatzmannschaft.

Hauptkommissar Michael Keller vom Polizeipräsidium Mannheim hilft beim Anlegen der Schutzweste und erklärt dabei, für was sie benötigt wird. © Jens Jankowski
Auch WingTsun-Schüler Lio (4 Jahre) darf die Weste anprobieren. © Jens Jankowski

Hauptkommissar Michael Keller vom Polizeipräsidium Mannheim, selbst Schüler von Klostermann, war mit einem Polizeibus vor Ort. Geduldig erklärte er den Kindern, wie eine Schutzweste funktioniert und ließ sie sogar im Fahrzeug Platz nehmen. Viele Kinderaugen leuchteten – und dennoch: Der Anlass war ernst. „Ich bin der festen Überzeugung, dass man für das Thema Kindersicherheit noch viel zu wenig tut“, betonte Klostermann. Die Genehmigung für den Einsatz bekam Keller genau aus diesem Grund.

Andreas Klostermann verfolgt mit dem „Bärenstark“-Programm ein klares Ziel: Kinder sollen lernen, Konflikte zu erkennen, zu lösen und sich im Notfall zu wehren. Dabei unterscheidet er drei Phasen: Vor dem Konflikt, der Konflikt selbst und nach dem Konflikt.

Vor dem Konflikt: Klare Sprache statt leeres „Stopp“

Viele Programme setzen auf das klassische „Stopp“-Signal mit erhobener Hand. Doch laut Klostermann reicht das heute oft nicht mehr aus: „Hand ausstrecken und laut ,Stopp‘ rufen hilft oft nicht. Das muss konkreter werden, es interessiert keinen mehr.“ Stattdessen müssten Kinder lernen, ganz klar zu benennen, was sie stört: „Ein Kind muss sich trauen, konkret zu formulieren, was es nicht mehr möchte.“

Die Sommer-Olympiade lädt zum Auspowern ein. Verschiedene Stationen müssen dabei absolviert werden. © Jens Jankowski

Zudem vermittelt Klostermann sogenannte emotionale Kommunikation: Kinder lernen, Erwachsene aktiv einzubeziehen – etwa eine Lehrerin gezielt anzusprechen, sie am Arm zu berühren und klar zu sagen: „Frau Lehrerin, ich habe ein Problem. Der hat das und das gemacht.“ Diese Selbstbehauptung sei essenziell. Kinder sollen sich trauen zu sagen: „Der hat mich angefasst oder mich mit Sand abgeworfen.“ Nur so könne Hilfe frühzeitig erfolgen.

Im Konflikt: Selbstverteidigung erwünscht

Wenn Kinder trotz deutlicher Ansprache angegriffen würden, müssten sie wissen, dass sie sich wehren dürfen, führte Klostermann weiter aus: „Ich muss nichts aushalten und mich fasst niemand an.“ In kindgerechten Rollenspielen wird das auch mit viel Spaß eingeübt. Wichtig ist: Es geht um Selbstbehauptung und Selbstschutz.

Ein großes Problem sieht Klostermann in der Erziehung vieler Kinder zur Passivität: „Man darf sich nicht wehren, der Klügere gibt nach – das hören Kinder ständig.“ Das führe dazu, dass viele in Stresssituationen wie gelähmt seien. „Kinder werden zur Handlungsunfähigkeit erzogen.“ Stattdessen brauche es klare, abrufbare Methoden, die auch unter Druck funktionieren. Genau das vermittle das „Bärenstark“-Programm.

Trotz trübem Wetter heißt es „Wasser marsch“ für die Kinder. © Jens Jankowski

Nach dem Wehren sollen die Kinder den Vorfall erneut bei den Lehrern oder Erziehern schildern. Klostermann erklärt: „Wenn dann die Lehrerin sagt: ‚Das interessiert mich nicht, wir sind eine gewaltfreie Schule‘, dann haben die Kinder eine Notwehrkarte von uns mit unserer Telefonnummer. Sie müssen wissen, dass sie mit dem Wehren etwas richtig gemacht haben und dafür darf es keine Strafe geben.“ Bisher habe noch nie jemand bei ihm angerufen, denn eigentlich wissen die Lehrer genau, dass es richtig sei, so Klostermann.

Kinder, die wissen, dass sie sich wehren dürfen, gehen selbstbewusster mit Konflikten um und fallen weniger in die Opferrolle. Das sei heutzutage sehr wichtig, denn Gewalt an Schulen nehme immer mehr zu, meint Klostermann. Das bestätige auch eine Umfrage der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) aus dem Jahr 2024. Das Ergebnis: 1000 Lehrer seien zu ihren Erfahrungen im Schulalltag befragt worden. Rund ein Drittel der befragten Lehrkräfte beobachtete häufig Schläge und Tritte als Form körperlicher Gewalt im Schulalltag. Vier von zehn Lehrkräften seien im vergangenen Schuljahr mindestens einmal pro Woche mit psychischer Gewalt unter Schülern persönlich befasst.

Nach dem Konflikt: Es muss ein Ende geben

Auch nach einem überstandenen Streit ist der Konflikt nicht immer vorbei. Viele Kinder berichten von Nachwirkungen: Hänseleien, Ausgrenzung, Drohungen auf dem Heimweg. Klostermanns Ansatz: „Optimalerweise endet der Konflikt an dem Tag, an dem er begonnen hat. Denn sonst geht es weiter.“

Die drei Stufen gelten laut Klostermann nicht nur für Kinder. Erwachsene profitierten ebenfalls von den Methoden. „Hier ist es auch wichtig, Menschen im Umfeld emotional zu Unterstützung anzusprechen und nach einem Angriff direkt die Polizei anzurufen und Anzeige zu erstatten.“ Ob im Schulhof oder auf der Straße – Gewalt dürfe nicht unbeantwortet bleiben.

Das Jugendrotkreuz informiert spielerisch über Kinderrechte. © Jens Jankowski

Kinderrechte: Vernetzung für mehr Sicherheit

Der WingTsun-Meister möchte das Thema Kindersicherheit weiter vorantreiben: „Ich möchte künftig den Bogen neben Selbstbehauptung und Verteidigung weiter denken und Feuerwehr, DRK und Polizei ganzheitlich miteinbeziehen.“ Außerdem seien Expertenvorträge für Eltern in der WingTsun-Schule in Planung.

Damit setze Klostermann den Kurs fort, den das Sommerfest vorgegeben habe: praktische Aufklärung, starke Partner und ein klares Bekenntnis zur Sicherheit von Kindern.

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