Austausch

Minus 25 Grad, heikle Politik und ausverkaufte Eier: Wie eine Schülerin aus Reilingen die USA erlebt

Alana Zinkgraf lebt durch einen Schüleraustausch für ein Jahr in den USA. In Minnesota geht die Reilingerin zur Highschool. Ein Gespräch über fehlenden Nahverkehr, Politik und Temperaturextreme.

Von 
Nicolai Lehnort
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Alana Zinkgraf verbringt durch einen Schüleraustausch ein Jahr auf einer Highschool in den USA. Hier ist die 16-jährige Reilingerin vor einem Büro im Senat in der Hauptstadt Washington D.C. zu sehen. © Alana Zinkgraf

Reilingen. Bus und Bahn sind in ihrem Wohnort Fremdwörter, im Supermarkt ist sie mit der riesigen Auswahl überfordert und 27 Grad gilt bei den Einheimischen schon als Hitze. Das sind die Erlebnisse von Alana Zinkgraf in den USA. Die Reilingerin lebt seit neun Monaten in den Vereinigten Staaten. Über das Parlamentarische Patenschafts-Programm (PPP) hat sie ein Stipendium erhalten.

Als wir mit ihr am Telefon sprechen, ist die 16-Jährige gerade in Kansas, hat Ferien und schaut sich bei einem Roadtrip andere Bundesstaaten an. Wie das Schulleben an einer amerikanischen Highschool aussieht, was sie am Schulsport liebt und warum sie ihre politischen Ansichten lieber für sich behält, darüber sprechen wir mit Alana.

Du lebst bei deiner Gastfamilie in Minnesota in dem kleinen 8.000-Einwohner-Ort Mahtomedi. Wie hast du dich dort eingelebt?

Alana: Meine Gastfamilie hat mich gut aufgenommen und ist super lieb. Ich habe einen kleinen Gastbruder. Er ist acht und geht in die zweite Klasse. Der Ort Mahtomedi liegt direkt an einem See, dem White Bear Lake. Nur wenige Minuten von unserem Haus entfernt gibt es einen Strand. Das ist jetzt während des Winters natürlich etwas schwierig. Morgens fährt immer der Bus vorbei und ich fahre etwa zehn Minuten zur Schule.

Bei ihrer Gastfamilie in Mahtomedi, Minnesota, herrschen im Winter bis zu -25 Grad. Da geht es schon mal Schlittschuhlaufen auf einem zugefrorenen See. © Alana Zinkgraf

Der klassische gelbe Schulbus bringt dich zur Highschool. Auf das Schulleben hattest du dich besonders gefreut. Wie unterscheidet es sich von dem deutschen?

Alana: Die Mahtomedi Highschool hat ungefähr 1.200 Schüler. Im Vergleich zu einer deutschen Schule ist sie also riesig, hier gilt sie aber als kleinere Highschool. Der Unterricht geht von 8 bis 14.40 Uhr und meine Kurse kann ich selbst wählen. Es gibt einen riesigen Kurskatalog, aus dem ich klassische Fächer wie Mathe, Physik oder Chemie wählen kann. Ich habe aber auch Backen oder „Global Food“, wo es ums Essen rund um den Globus geht. Außerdem war ich in der Public Speaking Class, wo das Sprechen vor Publikum geübt wird und habe Entrepreneurship belegt. Dort lernt man, wie man sein eigenes Business aufbaut.

Zur Person und dem Programm

  • Alana Zinkgraf ist 16 Jahre alt und lebt in Reilingen.
  • Sie besucht das Löwenrot-Gymnasium in St. Leon-Rot und macht 2027 ihren Schulabschluss. Das Schuljahr in den USA muss sie in Deutschland wiederholen.
  • Die 16-Jährige schwimmt bei der DLRG und ist beim Jugendrotkreuz in Hockenheim und dem CVJM (Christlicher Verein Junger Menschen) in Reilingen aktiv.
  • Das Jahr in den USA ermöglicht ihr das Parlamentarische Patenschafts-Programm (PPP), ein einjähriges Jugendaustauschprogramm des deutschen Bundestages und des US-Kongresses.
  • Bewerbungsberechtigt für das PPP sind Schüler, die zwischen 1. August 2007 und 31. Juli 2010 geboren wurden, sowie Berufstätige, die nach dem 31. Juli 2000 Geburtstag haben.
  • Ziel der Organisation ist der Austausch zwischen Menschen aller Kulturen, Religionen und Altersgruppen sowie interkulturelle Begegnungen für interessierte Schüler, Studierende und Erwachsene zu vermitteln.

Schuluniformen, große Musikkapellen und viele Feiern: Was erlebst du davon an deiner Schule?

Alana: Schuluniformen tragen wir nicht, die gibt es nur an Privatschulen. Aber am Anfang des Schuljahrs gab es eine Homecoming Week, bei der alle Schüler nach den Ferien feierlich zurück an der Highschool begrüßt wurden. Zuletzt gab es das Petfest. Gemeinsam mit anderen Seniorgirls, wie die Zwölftklässlerinnen heißen, haben wir einen Tanz aufgeführt. Ansonsten werden beim Petfest einfach viele Spiele gespielt, die ganze Highschool kommt zusammen und feiert. Danach gab es sogar eine Parade, bei der der ganze Ort zusammenkam. Es war ein bisschen wie Fasching.

Du hattest dir vorgenommen, an deiner Highschool auch Teil der Sportteams zu werden. Wofür hast du dich entschieden?

Alana: Ich hatte mich für Schwimmen und Skifahren entschieden und jetzt im Frühling mache ich noch Softball. Wir trainieren fünfmal die Woche jeweils zwei bis drei Stunden. Ich durfte bei Wettkämpfen schwimmen und war einfach ein Teil des Teams, was sehr toll war. Das Schöne beim Sport an der Highschool ist generell, dass es einen Riesenzusammenhalt im Team gibt. Wir treffen uns beispielsweise vor jedem Wettkampf und essen gemeinsam, quatschen ein bisschen. Das stärkt die Gemeinschaft und den Zusammenhalt total.

Und einheitlich gekleidet seid ihr auch?

Alana: Ja, wir haben alle einen Badeanzug, eine Kappe und auch einen Poncho mit Name und Logo unserer Highschool drauf.

Für die Homecoming Week haben Alana Zinkgraf (2.v.r.) und ihre Freundinnen von der Mahtomedi High School sich in Schale geworfen. © Alana Zinkgraf

Welche Unterschiede bemerkst du denn zwischen den USA und Deutschland im alltäglichen Leben?

Alana: In meinem Ort gibt es keinen öffentlichen Nahverkehr. Bus, Zug und sowas gibt es nicht. Ich bin froh, dass eigentlich all meine Freunde Auto fahren. Sie holen mich immer ab. Ansonsten sind zum Beispiel die Supermärkte riesig und man hat eine wahnsinnige Auswahl. Ich war erstmal komplett überfordert und wusste bei der Hälfte der Produkte gar nicht, was das überhaupt ist. Es gibt auch eine gigantische Vielfalt: Bei Chips beispielsweise stehen sicher 30 bis 40 verschiedene Sorten im Regal - Produkte, die man in Deutschland noch nie gesehen hat.

Du interessierst dich für Politik. Wie hast du den Wahlkampf um die Präsidentschaft im vergangenen Jahr wahrgenommen?

Alana: Dadurch, dass es nur zwei große Parteien gibt, sind die Meinungen sehr gespalten. Und die meisten haben eine sehr extreme Meinung. Wenn die auseinandergehen, geht es schon mal hoch her. Ich habe eine Diskussion mit zwei Klassenkameraden mitbekommen, bei der beide unterschiedliche Parteien unterstützt haben und sie am Ende in einen sehr starken Streit geraten sind. Es ist schwer, über seine politischen Ansichten zu reden.

Donald Trump ist seit bald drei Monaten erneut Präsident der USA. Hast du seit seinem Amtsantritt Veränderungen wahrgenommen, die auch dich betreffen?

Alana: Im Supermarkt ist mir sehr stark aufgefallen, dass die Preise gestiegen sind. Außerdem waren wir mehrfach einkaufen und die Eier waren ausverkauft. Wegen der Vogelgrippe gab es einfach keine. Die wenigen Eier, die es noch gibt, sind extrem teuer (Anm. d. Red.: Trumps Handels- und Wirtschaftspolitik hat womöglich einen geringen Einfluss darauf, in erster Linie ist aber der großflächige Ausbruch des Virus H5N1 verantwortlich.)

Thanksgiving, die amerikanische Version des Erntedankfestes: Der Truthahn darf an diesem Feiertag in keinem Haushalt fehlen. © Alana Zinkgraf

Du hast die großen Feiertage wie Thanksgiving und Weihnachten feiern dürfen. Wie hast du das erlebt?

Alana: Thanksgiving habe ich mit einer Freundin gefeiert. Da hatten wir einen Pie-Contest, also einen Wettbewerb um den besten Kuchen. Jeder hat seinen eigenen Pie gebacken und dann haben wir alles durchprobiert. Natürlich gab es auch Truthahn und Kartoffelbrei. Weihnachten habe ich an Heiligabend mit meiner Gastmutter und meiner Gastfamilie verbracht. Das war ein chilenisches Weihnachten mit deren Speisen und Bräuchen, denn meine Gastmutter kommt aus Chile. Und am 25. war ich bei einer Freundin und ihrer Familie, aber das war etwas komplett anderes, weil etwa 50 Leute in einem Haus zusammenkamen. Das war klassisch amerikanisch. Jeder hat etwas mitgebracht, es gab ein sehr großes Buffet und eine gigantische Auswahl an Nachtisch.

Nach Weihnachten hat dich im mittleren Westen ein sehr kalter Winter erwartet.

Alana: Allerdings. Ich hatte jetzt sogar zweimal schulfrei wegen Kälte und Schnee. Einmal hatte es minus 25 Grad und mit dem Wind hat es sich angefühlt wie minus 32 Grad. Hier beschweren sich die Leute aber eher über die Hitze. Für die Einheimischen fängt die schon bei 27 oder 30 Grad an. Was für mich die perfekte Temperatur im Sommer ist.

Du hast aber nicht die kompletten acht Monate, die jetzt hinter dir liegen, in Minnesota verbracht.

Alana: Ja, ich war zweimal jetzt in Washington. Als wir nach dem Flug im August angekommen sind, waren wir für die Vorbereitungstage durch das PPP erst einmal im Hotel untergebracht. Und im Dezember sind wir nochmal nach Washington gereist. Da haben wir uns das Kapitol und den Senat angeschaut und hatten Meetings mit unseren Senatoren.

Der Besuch in der Hauptstadt Washington führt Alana Zinkgraf und die Gruppe des PPP auch an das Jefferson Memorial. © Alana Zinkgraf

Hast du nach jetzt über einem halben Jahr in einem fremden Land Heimweh? Freust du dich wieder auf die Heimat?

Alana: Ich freue mich auf meine Heimat und vermisse meine Freunde und meine Familie. Besuchen konnte mich leider keiner. Bis Januar, also die erste Hälfte meines Aufenthalts, durfte ich auch keinen Besuch bekommen. Das ist vom Programm so vorgegeben, um Heimweh vorzubeugen. Die Regelung ist aber schon sinnvoll, weil man sich damit wirklich komplett auf die USA fokussiert hat. Wenn es gut läuft, denkt man nicht an Heimweh. Aber wenn es mal nicht so rund läuft, vermisst man sein Zuhause schon.

Wie hältst du denn Kontakt mit deiner Familie?

Alana: Ich probiere, meine Familie regelmäßig anzurufen. Die Zeitumstellung und weil wir eben alle unser eigenes Leben führen, macht es etwas schwierig. Meine Freunde spreche ich ein bis zweimal im Monat.

Volontariat Nicolai Lehnort ist seit Juli 2023 Volontär.

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