Schiller-Schule

Musikfreunde Reilingen zeigen großartiges Taktgefühl

Herbstkonzert begeistert mit viel Walzer, einer guten Portion Verblüffendem und einem Grusel-Vorgeschmack auf Halloween.

Von 
Matthias H. Werner
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Das Ensemble beim Auftritt in der Aula der Friedrich-Schiller-Schule. © Musikfreunde

Reilingen. Ein rundes, in sich stimmiges Herbstkonzert haben die Musikfreunde Reilingen in der Aula der Schiller-Schule geliefert: Unter der Losung „Wir teilen durch 3 – sei mit dabei“ gab es viel Walzer, eine gute Portion Verblüffendes und einen Grusel-Vorgeschmack auf Halloween. Birgit Wetterauer begrüßte nicht nur ihre Musikfreunde auf der Bühne, sondern auch Bürgermeister Stefan Weisbrod, das Ehrenmitglied Josef Reiß und Peter Brand vom Blasmusikverband Karlsruhe – und erläuterte den Titel des Programms. Dieses hatte Dirigent Adrian Müller nicht unter historischen oder stilistischen Prämissen zusammengestellt, sondern sich an den Taktarten entlanggehangelt. Neben dem dominierenden Dreivierteltakt präsentierte er Stücke im Sechsachtel- oder beispielsweise gleich mit dem Eröffnungsstück des Hauptorchesters - im Zwölfachteltakt. Das musikalische Ringen um die menschliche Motivation als Triebfeder des Seins „Humanity“ stammte aus der Feder des zeitgenössischen bayerischen Komponisten Mathias Wehr.

Zunächst reüssierte allerdings die Bläserklasse: 15 Instrumentalisten, die seit einigen Jahren eine Art „erwachsenes Jugendorchester“ bilden – um ein Instrument neu zu lernen oder am vor Jahren gelernten Instrument wieder fit zu werden. Die Kombination aus den Jahren des Zusammenspiels und Fabian Brechts äußerst feinfühligem Dirigat, mit dem das Musikfreunde-Eigengewächs die Disziplin in der Truppe auf das Wesentliche der Musik lenkt, ist es zu verdanken, dass die Bläserklasse inzwischen qualitativ zum Hauptorchester aufgeschlossen hat.

Tolle Arrangements von Popsongs bis Filmmusik

Mit dem schmissigen „Blond and Swedish“ des Komponisten Kees Vlak, einem heiteren Marsch, den der Niederländer 2002 unter dem Pseudonym „Luigi di Ghisallo“ veröffentlichte, machten Brecht und seine Musiker Lust auf mehr. Deftiges Schlagzeug, gewitzte Flötentöne und ein harmonisches, kraftvolles Tutti in Präzision, mit klar intonierter dynamischer Spannung und einer Spielfreude, die mitreißen musste. Träumerisch bewegte eine Adaptation des Popsongs „Raindrops keep fallin‘ on my Head“ aus dem Film „Zwei Banditen“ und episch genüsslich ausgespielt ein Arrangement Michael Browns zur Filmmusik von „Fluch der Karibik“.

Große Stärke der Bläserklasse ist die empathische Art, mit der sie die der Musik innewohnende Dramatik aufnimmt, um die emotionalen Botschaften treffsicher zu betonen – die ausdauernd herbeigeklatschte Zugabe mit einer Verarbeitung des „Steppenwolf“-Hits „Born to be wild“ im Bigband-Sound war absolut verdient und Dank für bemerkenswerte Leistungen, von denen man gerne auch mehr gehört hätte.

Besonderes Augenmerk auf Präzision und Taktgefühl gelegt

Der Rheinhäuser Adrian Müller, der im vergangenen Jahr sein Debüt mit den Musikfreunden gegeben hatte, legt besonderes Augenmerk auf Präzision und Taktgefühl – also ein perfektes Programm für den Dirigenten, der an den Percussions seine Musiklaufbahn begonnen hatte. Wehrs bereits erwähntes „Humanity“ gab das Orchester nach einem betörenden Querflöten-Intro Gabi Mössners vom leichten, sanften Einstieg über ein von zahlreichen Einwürfen aus dem Holz gesprenkelten Blechkörper in sich steigernder Dynamik bis zum sich erst einschmeichelnden, dann hochdramatischen Hauptmotiv in mal vorsichtiger, mal kraftvoller Pracht. Forderndes Schlagwerk, fanfarenartige Trompeten und ein flirrendes Holz dienten als fulminanter Auftakt.

Das Programm präsentierte unter anderem den leichtfüßigen spanischen Walzer „Clavelitos“ des Komponisten Genaro Monreal Lacosta, mit dem André Rieu große Erfolge feierte, Dimitri Schostakowitschs „Walzer Nr. 2“ aus der Suite für Varieté-Orchester, mit dem Stefanie Müller mit einem sehr klaren, einfühlsamen Altsaxofon und mit reiner, fester Posaune Hans Büchner glänzen konnten, und David Bobrowitz‘ „Midnight Fair“, mit dem die Musikfreunde gewagte Instrumentierung mit Verblüffung und Spannung zu einer – allenfalls etwas klischeehaften – Gruselatmosphäre vereinten.

Bernhard Heck liefert detailverliebte visuelle Umrahmung des Musikabends

Einen doppelten künstlerischen Beitrag lieferte Bernhard Heck: Er hatte nicht nur eine KI-generierte, höchst passende und immer detailverliebte visuelle Umrahmung des Musikabends zusammengestellt, sondern landete mit seiner einfühlsamen, hochemotionalen Sopransaxofon-Interpretation des Leonard-Cohen-Welthits „Hallelujah“ mit einem beeindruckend klaren, klanglich höchst expressiven Ton, der Klasse und Berührtheit gleichermaßen atmete, auch das künstlerische Highlight des Abends, den das frenetisch applaudierende Publikum feierte.

Stehende Ovationen und Zugabe-Rufe verlangten nach einem Nachschlag, den Müller mit dem gewitzten „Opern-Ländler“ lieferte – ein Destillat aus dem Programm, in dem Franz Sprenzinger, Kapellmeister der bekannten „Bierzeltmusikanten“, traditionelle bayerische Musik und Opernklassiker mischt. Die „Barcarole“ aus Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ Hand in Hand mit dem „Haushamer-Vogelfänger“, der vielen der urtypische Plattler ist – allenfalls den „Gefangenenchor“ aus Verdis „Nabucco“ hätte es im Bierzelt-Umfeld vielleicht nicht gebraucht – waren Sinnbild für die Heiterkeit, mit der die Musikfreunde spielen: Und ihre Lust an der Musik mit ihren Freunden im Publikum teilen, denen es eine deutlich hörbare Freude war, dabei gewesen zu sein.

Freier Autor Seit Mitte der 1990er Jahre als freier Journalist vorrangig für die Region Hockenheim/Schwetzingen tätig - Fachbereich: Kultur.

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