Freunde Reilinger Geschichte - Besucher aus der ganzen Region nehmen an einem Kurs in der deutschen Schreibschrift teil / Alte Dokumente als Lesevorlagen

Omas Rezepte ebenen Weg zur Sütterlin-Schrift

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Die erfolgreichen Kursteilnehmer im großen Saal des Heimatmuseums: Die Mutzenmandeln, der selbst gemachte Brombeerlikör und das Reklameschild mit „Pfarrer Heumanns Heilmittel“ erleichterten den Schülern den Abschied. © Bickle

Reilingen. Im Heimatmuseum endete ein Kurs zum Erlernen der Sütterlin-Schrift. „Es war eine internationale Klasse“, wie sie Philipp Bickle, der Vorsitzende der „Freunde Reilinger Geschichte“ in der letzten Übungsstunde begrüßte. International deswegen, weil die Teilnehmerinnen und Teilnehmer außer von Reilingen auch von Ketsch, Hockenheim, Neulußheim, Walldorf und Wiesental kamen. Die Lebensalter gingen von vierundzwanzig bis zu achtzig Lebensjahren, wobei natürlich, wie so oft in den Kursen, die meisten Absolventen Frauen waren.

Willi Krüger, der sich vor kurzem mit dem Erlesen der Texteinlage beim Grundstein der alten Schlossmühle ausführlich mit der deutschen Schreibschrift beschäftigt hatte, war auch an den Übungsabenden ein verlässlicher Helfer, wenn an irgendwelchen unklaren Stellen ein Tipp zur richtigen Lesart gebraucht wurde.

Nach dem ersten Übungsabend studierte man nach einer allgemeinen Einführung zunächst einmal Rezepte aus Uromas handgeschriebenem Kochbuch aus den dreißiger Jahren. Das war in Sütterlin-Schrift, denn so nannte man die deutsche Schrift, nachdem sie der Berliner Professor Ludwig Sütterlin vereinfacht hatte. Vorher hatte man über viele Jahrhunderte in Kurrent geschrieben.

In den alten Kochbüchern war auch oft von „Loth“ die Rede, so dass man „ein Loth“ in etwa 16 Gramm umrechnen musste. Bald aber konnten alle zügig lesen, denn „Mehl, Eier, Zucker, Butter“ und andere Kochzutaten sind ja bis heute gleichgeblieben.

Hasenragout und Täubchen

Rezepte wie „Hasenragout“ oder „gebratene Täubchen“ kamen hinzu. Im Laufe der weiteren Kursabende wurden dann Poesiealben oder Postkarten durchsucht und in die heutige Schrift umgesetzt. Auch ein „vorzügliches Mittel gegen die Cholera“ lernte man kennen, wobei dem armen Patient in einer hölzernen Wanne mit warmem Wasser beim Aderlass so lange Blut abgezapft wurde, bis er umfiel.

Auch ein Testament „Mein letzter Wille“, Auszüge aus einem handschriftlich verfassten „Kommunionsbüchlein“ oder „Ermahnungen an die Hausmutter“ mussten erlesen werden. Nur mit Wehmut schieden die Teilnehmer am letzten Abend. Aber der Abschied wurde leicht gemacht. Ein handschriftlich verfasstes Rezept über „Mutzenmandeln“ wurde erlesen und praktisch in Butterschmalz ausgebacken probiert.

Mandeln und Likör zum Abschluss

Dazu hatte Sieglinde Rieder noch eine selber zubereitete Flasche Brombeerlikör (nach altem Rezept natürlich!) mit Gläsern mitgebracht. So bedankten sich alle Teilnehmer mit einem „Prosit!“ beim Heimatverein für den erfolgreichen Kurs. Der Wiesentaler Museumsleiter Bernd Machauer, der ebenfalls den Kurs besucht hatte, zeigte zum Schluss noch in einer Bilderschau, wie schwierig es für Volksschüler war, bis sie früher mit Griffel und Schiefertafel die deutsche (und gleichzeitig lateinische) Schrift erlernt hatten. le

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