Stärke können Sie weitergeben

Noah Eschwey begrüßt die Entstigmatisierung von Depressionen

Veröffentlicht
Kommentar von
Noah Eschwey
Lesedauer

Reilingen. Der Vortrag der Psychotherapeutin Claudia Jessen hatte es in sich. Das war bei einem solch bedrückenden Thema zwar zu erwarten, überrascht war ich trotzdem. Nicht wegen der Deutlichkeit der Worte, eher wegen der Diskussionen im Nachgang.

Zur Wahrheit gehört nämlich auch, dass einige Betroffene vor Ort waren. Und auch Angehörige von Erkrankten. Die Fragerunde im Anschluss an den sehr informativen Vortrag entwickelte sich daher zu einem internen Austausch der Zuschauer, der von Jessen begleitend moderiert wurde. Ob es um Empfehlungen von Therapien, neumodischer Apps oder die Angst vor Suizid ging: Die Erfahrenen antworteten den Fragenden. Von Scham, Ängsten oder gar Schubladendenken konnte an dieser Stelle keine Rede sein.

Teil dieser Wahrheit ist aber auch, dass zu einem Vortrag über Depressionen nur Menschen gehen, die irgendeinen Berührungspunkt mit dem Thema haben. Das Trauzimmer des Rathauses war also gewissermaßen ein geschützter Raum für die Betroffenen. Sich zu öffnen, ist somit etwas einfacher gewesen. Trotzdem beschäftigte mich die Initiative der Betroffenen, die im voll besetzten Saal sehr offen über ihre Erfahrungen sprachen. Ich dachte direkt nach Verlassen des Rathauses darüber nach – später noch im Auto und auch noch, als ich schon im Bett lag. Der Mut und die Courage dieser Menschen berührten mich zutiefst.

Doch hätte ich auch so lange darüber nachgedacht, wenn jemand zugegeben hätte, an einer Leber- oder Herzerkrankung zu leiden? Vermutlich nicht. Habe ich deswegen Vorurteile gegenüber Erkrankten? Nein! Es zeigt mir aber, dass es für mich (noch) nicht normal ist, wenn sich Menschen zu Depressionen bekennen. Da möchte ich an mir arbeiten. Denn ich glaube, nur, wenn ich selbst psychische Erkrankungen für genauso normal halte wie eine Erkältung, kann ich diese Einstellung meinem Umfeld signalisieren. Und nur so traut sich ein Betroffener, auf mich zuzugehen und mich als sichere Insel wahrzunehmen.

Jeder Fünfte erkrankt in seinem Leben an einer Depression. Entsprechend hat wohl nahezu jeder Mensch einen Betroffenen in seinem Bekanntenkreis. Um sich zu öffnen, brauchen sie sichere Orte. Ein solcher können Sie selbst sein, wenn Sie Offenheit gegenüber depressiven Mitmenschen signalisieren. Versprochen, die Betroffenen werden es spüren – und dankbar sein.
 

Volontariat Noah Eschwey ist Volontär in der Lokalredaktion der Schwetzinger Zeitung/Hockenheimer Tageszeitung.

VG WORT Zählmarke