Heidelberg. Markerschütternd erklingt das Gebrüll eines Raubtiers. In seiner respekteinflößenden Lautstärke dringt es bis an die Ohren der kleinen Menschengruppe, die sich zu später Stunde neben dem Haupteingang des Heidelberger Tiergartens versammelt hat. „Das klingt ganz nach Chalid“, erklärt Michaela Lämmler in Anspielung auf den imposanten männlichen Chef im Löwengehege. Die Zoo-Rangerin wird der kleinen Gruppe in wenigen Minuten eine Welt eröffnen, die den Besuchern tagsüber verborgen bleibt.
Denn sie starten zu einer außergewöhnlichen Erkundungstour, während sich die anderen Gäste längst auf dem Heimweg befinden. Abendführung nennt sich das Angebot des Heidelberger Zoos, das noch bis Mitte September Einblicke in das Leben der Tiergartenbewohner ermöglicht, wenn die Pforten des Zoos bereits geschlossen sind. Zusammen mit der Biowissenschafts-Studentin Sina Kühnel streifen sie durch das ansonsten menschenleere Areal, beobachten vierbeinige und gefiederte Bewohner bei ihren Abendritualen, werfen einen Blick in den Wirtschaftshof oder in die Futterküche hinter den Zookulissen. Und erleben so manche Tierfamilie im Freizeitmodus.
Abendführung und Ferienprogramm
Die kommenden Termine für eine Abendführung im Zoo Heidelberg , Tiergartenstraße 3, sind am 17. und 30. August sowie am 19. September . Es gibt noch einzelne Plätze, teilweise sind die Abende bereits ausgebucht oder es gibt eine Warteliste.
Das Angebot richtet sich an Erwachsene und Jugendliche ab 12 Jahre n in Begleitung eines Erziehungsberechtigten. Der Beginn ist jeweils um 19 Uhr, die Dauer 90 Minuten bis 20.30 Uhr. Der Eintrittspreis beträgt 28 Euro pro Person .
Für das mehrtägige Ferienprogramm gibt es inzwischen eine Warteliste, es sind jedoch noch Plätze für Workshopangebote für Schulkinder frei.
Nähere Infos unter www.zoo-akademie.org, akademie@zoo-heidelberg.de oder auch Montag von 13 bis 16 Uhr und Donnerstag von 10 bis 12 Uhr sowie 13 bis 16 Uhr unter 06221/5845070.
Den wohlverdienten Feierabend scheint auf den ersten Blick die Syrische Braunbärin Ronja samt Tochter Merle zu genießen. Denn zunächst ist trotz aller Aufmerksamkeit weder von der Mama noch von ihrem Spross auch nur die kleinste Spur zu sehen. Bis auf die Baumstümpfe, die offensichtlich von den Krallen und Zähnen des Duos bereits ziemlich in Mitleidenschaft gezogen wurden. „Da ist sie, das muss Merle sein“, ruft eine Besucherin, die den dick bepelzten Kopf in dem bärengerecht gestalteten Gelände zwischen mannshohen Gräsern und Büschen entdeckt hat. „Mein Vater hat immer von den Eisbären gesprochen“, erzählt Michaela Lämmler, denn Syrische Braunbären machen ihrem Namen mit ihrem auffällig hellen Haarkleid nur sehr bedingt Ehre.
Rund 150 Tierarten leben auf dem Terrain am Neckar
Die Zooführerin, die im „wahren“ Leben IT-Managerin ist und einst Französisch und Geografie fürs Lehramt studiert hat, ist schon als kleines Mädchen ein glühender Fan des Heidelberger Tiergartens gewesen. „Dass sie das hier mit Herzblut macht, merkt man sofort, gell?“, findet Teilnehmerin Manja Mauersberger während die Gruppe erfährt, dass die Hälfte der rund 150 Tierarten, die auf dem Terrain am Neckar leben, vom Aussterben bedroht sind oder nur noch in Zoos zu sehen sind. „Sind die süß“: Die 13-jährige Emma hat den flauschigen Nachwuchs der Mandschurenkraniche entdeckt. Zusammen mit Schwester Sofia ist sie gerade aus Spanien, wo sie zurzeit mit ihren Eltern lebt, bei Oma Inge in Neu-Edingen zu Besuch. Der Zootiernachwuchs hat es den beiden besonders angetan. Schnell machen sie ein paar Fotos von dem erst wenige Wochen alten Alpaka-Mädchen, das sich an seine Mutter kuschelt.
Mit einem weniger wuscheligen Kopfputz, aber dafür ganz schön viel Feingefühl ist der Asiatische Elefanten-Jungbulle Minh-Tan ausgestattet. Zusammen mit seinen schwergewichtigen Kumpels Ludwig und Namsai hat er Äpfel zu seinen Lieblingsleckerli erkoren. Die späten Gäste haben gleich einen ganzen Eimer voll mitgebracht und staunen, wie geschickt er die rotbackigen Betthupferl mit seinem feingliedrigen Rüssel aufnehmen kann.
Nicht etwa Obst, sondern Fisch spielt die Hauptrolle, wenn die Robben in den blauen Bassins zeigen, wie schlau sie sind. „Das sind meine Lieblingstiere“, verrät Emma: „Eigentlich alle Wassertiere.“ Dann ist sie wohl auch eine echte Wasserratte? „Na klar.“
Löwenjunges Nouri beobachtet die Besucher neugierig
Noch fast ein Baby ist Löwenjunge Nouri, das am 25. August seinen ersten Geburtstag feiert. Jetzt wälzt sich erst mal Papa Chalid im Sand und beweist, wie pudelwohl er sich als Berberlöwen-Patriarch in seiner Haut fühlt. Aber von wegen „The Lion Sleeps Tonight“: Sohnemann Nouri kommt ganz nah an die Sichtscheibe und beobachtet die Besucher neugierig. „Wunderschöne Augen“, die der Kleine jedoch nicht nur Olivia macht, die mit ihrem Freund Christian aus Karlsruhe angereist ist. Apropos Wiegenfest: Den gemeinsamen Zoobesuch hat die Tierfreundin von ihren Eltern zum 29. Geburtstag geschenkt bekommen.
Und während die Karlsruher Familie zum Ausklang des Abends im Neuenheimer Feld einen Biergarten ansteuert, erhebt Clanchef Chalid nochmal seine kräftige Stimme. Gut gebrüllt Löwe!
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