Schwetzingen. So eine lange Anklageschrift wird beim Amtsgericht in Schwetzingen eher selten verlesen. Wie den Ausführungen der Vertreterin der Staatsanwaltschaft Mannheim, Oberstaatsanwältin Arnold, zu entnehmen war, ist dem 74-jährigen Landwirt einer Lußheimer Gemeinde bereits im Jahre 2015/16 behördlich untersagt worden, gewerbliche Schlachtungen auf seinem Hof vorzunehmen. Erlaubt war vielmehr lediglich eine Schlachtung pro Jahr für den Eigenbedarf. Allerdings, so die Anklagebehörde weiter, störte sich der Angeklagte daran wenig, um nicht zu sagen gar nicht.
So kam es in den Jahren zwischen 2016 und 2021 zu insgesamt 74 Schlachtungen, also insgesamt 68 über das erlaubte Maß hinaus. Die Spitze des Eisbergs soll wohl bis zu fünf Schlachtungen an einem Tag gewesen sein. Damit aber nicht genug. So wurden daneben eine Fülle an Verstößen gegen Hygiene- und Kennzeichnungsvorschriften, deren Missachtung auch für den Verbraucher ein nicht unerhebliches Gefährdungspotenzial beinhalten, aufgelistet. Erwähnung fanden dabei unter anderem fehlende Fleischbeschauen, verschmutzte Arbeitsgeräte und ungeeignete, da schadhafte Zerlegeräumlichkeiten oder die Kennzeichnung des nicht untersuchten Fleisches als Genuss untaugliches Lebensmittel. Bedenklich auch der Umstand, dass bei den geschlachteten Rindern das Rückenmark nicht sachgerecht entfernt wurde und damit die Gefahr einer BSE-Infektion beziehungsweise die Übertragung möglicher Erreger auf das Fleisch bestanden habe. Erwähnung fand nicht zuletzt auch die Tatsache, dass im fraglichen Zeitraum mehrere Kälber an Salmonellen erkrankt und verendet seien. Die Staatsanwaltschaft sah also in insgesamt 37 eigenständigen Taten Rechtsvorschriften zur Wahrung der Lebensmittelsicherheit verletzt.
Veterinäramt bekommt im Frühjahr 2021 Wind von Schlachtung
Das Ganze war aufgeflogen, nachdem das Veterinäramt im Frühjahr 2021 von einer zweiten Schlachtung Wind bekommen und eine sofortige Überprüfung vorgenommen hatte. Auf Befragen des Vorsitzenden Richters Weimer, wie sich der Angeklagte zu den Vorwürfen stelle, war dieser nicht bereit, die Verstöße einzuräumen.
Einzig sein mehrfach wiederholter Hinweis, die Tiere vor der Schlachtung im Schlachthof zu bewahren, waren dabei nachvollziehbar. Darüber hinaus folgten Erklärungen, die von ihm vorbereitet, aber nicht zielführend abgegeben wurden.
Daran änderte auch der richterliche Appell, dass die Beweislage doch sehr klar sei und eine lange Beweisaufnahme vermieden werden könne, nichts. Letztendlich bat die Verteidigerin um Unterbrechung der Verhandlung, damit sie sich mit ihrem Mandanten besprechen könne. Die Länge der Unterbrechung und das Ergebnis lassen allerdings vermuten, dass dabei einige Überzeugungsarbeit geleistet werden musste. So erklärte die Verteidigerin nach ihrer Rückkehr, dass sie ein Gespräch mit Gericht und Staatsanwaltschaft wünsche, dem beiden Prozessparteien zustimmten.
Mann aus Lußheimer Gemeinde muss 178.000 Euro Strafe zahlen
Das Ergebnis ließ dann jedoch aufhorchen. Danach erging Beschluss des Vorsitzenden, dass das Verfahren, mit Zustimmung aller Beteiligten, vorläufig eingestellt wird. Allerdings ist diese vorläufige Einstellung mit der Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 178 000 Euro verbunden, die innerhalb von sechs Monaten zu zahlen ist. Falls dies nicht geschieht, wird das Verfahren wieder eröffnet.
Die Höhe der Geldauflage erklärt sich unter anderem auch damit, dass hier Gelder eingerechnet sind, die der Angeklagte durch seine unerlaubten Geschäfte verdient hat.
Am Ende der Verhandlung vermittelte der Angeklagte allerdings nicht den Eindruck von Akzeptanz oder gar Verständnis. Seine verbalen Äußerungen ließen eher fehlende Einsicht erkennen und das Fügen in das Unumgängliche.
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