Schwetzingen. Es seien die „absoluten Basics“, die in fast jedem Bewerbungsgespräch über die Zukunft des Schulabgängers entscheiden. „Ein ordentliches Auftreten, in ganzen Sätzen sprechen und ein paar Infos über das Unternehmen parat zu haben, reicht meistens“, sagt Christina Schürger. Als Berufsberaterin der Agentur für Arbeit ist sie auch für die scheidenden Schüler der Bildungseinrichtungen in Schwetzingen zuständig – und die dürfen sich nun wieder bewerben.
In den meisten Fällen müssen sich Schüler ungefähr ein Jahr vor Ausbildungsstart um eine Stelle bemühen. „Normalerweise sind die Jugendlichen da schon mit uns in Berührung geraten. Wir bieten viele verschiedene Schulprojekte an, um Orientierungshilfe zu leisten.“ Schürger selbst ist für den Sekundarbereich 1, also für Schüler der Haupt- und Realschule zuständig, aber auch für Absolventen des Berufskollegs, wenn diese keine Fachhochschulreife gemacht haben. „Insgesamt sind wir ein Team von ungefähr 40 Beratern, die rund 120 Schulen betreuen. Wir sind aber beispielsweise auch für die Jugendstrafanstalt Alsheim zuständig, also für die Jugendlichen, die von dort - bestenfalls in eine Ausbildung - entlassen werden.“
Tipps auf einen Blick
- Schon früh Praktika absolvieren
- Rechtzeitig bewerben
- Im Bewerbungsgespräch über die Firma Bescheid wissen , ordentlich gekleidet sein und in ganzen Sätzen sprechen
- Im Verein aktiv zu sein, beweist Team- und Kommunikationsfähigkeiten
- Beratungsangebote nutzen
- Daran denken: Der Beruf ist nicht für immer
- Einfach mal auf ein Praktikum bewerben , auch wenn die Noten nicht passen
- Bei beliebter Ausbildung: Alternativjobs recherchieren
Neben Projekten und Berufsorientierungsunterricht seien die Berater der Arbeitsagentur auch alle zwei Wochen an den Schulen, um eine Sprechstunde anzubieten. „Wir sprechen über die Vorstellungen der Schüler, über ihre Stärken, aber auch über Gehälter und ähnliches“, erzählt Schürger. Mittlerweile gebe es wieder mehr Jugendliche, die sich eine klassische Ausbildung vorstellen könnten: „Um das zu fördern, stellen wir die Vorteile der direkten Ausbildung in unseren Gesprächen heraus und können da auch viele Jugendliche für den kürzeren Weg begeistern.“ Besonders beliebt seien kaufmännische Berufe, aber auch der des Kfz-Mechatronikers und des medizinischen Fachangestellten.
„Gerade im Kfz-Bereich kommen jetzt auch immer mehr Trendberufe dazu, für E-Mobilität zum Beispiel. Aber auch in anderen Bereichen gehen die Jugendlichen mit der Zeit, so wird beispielsweise auch die Photovoltaikbranche immer beliebter“, weiß Schürger. Gerade bei beliebten Ausbildungsberufen sei es oft schwer einen Platz zu ergattern. „Da versuchen wir dann auch Alternativen aufzuzeigen. Es gibt ungefähr 360 Ausbildungsberufe in Deutschland, oft gibt es einen ganz ähnlichen Ersatz, den die Schüler gar nicht kennen.“
Berufsberaterin: Schichtberufe besonders unbeliebt
Besonders unbeliebt seien dementgegen Pflege- und Schichtberufe, die eher wenig nachgefragt würden: „Aber auch da gibt es immer wieder Jugendliche, die diese Berufe unbedingt machen möchten. Oft sind dann die Eltern schnell auf der Bremse. Da versuchen wir dann die Sorgen zu nehmen.“ Gerade das Berufsfeld der Pflege sei nämlich zukunftsfest: „Um einen Job muss man sich da, genauso wie bei der Ausbildung zum Erzieher, keine Sorgen machen.“
Eigentlich freue sie sich, wenn Eltern ihre Kinder zur Berufsberatung begleiten, „da können oft mehr Infos mitgegeben werden.“ In seltenen Fällen seien die Erziehungsberechtigten aber auch das Problem. „Meistens haben die Kinder ihren eigenen Kopf, das ist auch gut so. Wenn der Wunsch des Kindes aber gar nicht akzeptiert wird, kann es im absoluten Ausnahmefall auch dazu kommen, dass ich die Mutter rausschicke.“
Ohnehin, betont Schürger wiederkehrend, sei sie ausschließlich dem Berufseinsteiger verpflichtet: „Wenn der Jugendliche in seiner Ausbildung zufrieden ist und sie deswegen auch beenden kann, dann habe ich meinen eigenen Job gut gemacht.“ So höre ihre Aufgabe auch nicht unbedingt mit dem Ausbildungsstart auf: „Wir beraten weiter, unterstützen beim Ausbildungsverlauf und helfen auch in Fragen der Finanzierungshilfen oder, wo es eben gebraucht wird.“ Am Ende müsse jeder seinen eigenen Weg finden, sie helfe nur bei der Identifizierung der Steine, die sich auf diesem befinden.
Die Pflege ist zukunftssicher für Berufseinsteiger
„Was immer bleibt, ist die Arbeit am und mit dem Menschen“, sagt die Berufsberaterin in Bezug auf soziale Jobs und Pflegeberufe. Ohnehin sei die Zukunftssicherheit des Berufes ein großes Thema für die Einsteiger: „Ich werde oft gefragt, ob es den Beruf in 15 Jahren noch gibt. Mittlerweile gibt es ein Tool, den Job-Futuromat, der das Substituierungspotenzial ausrechnet, also anzeigt, ob Maschinen den Beruf langfristig ersetzen könnten.“
Eine Angst, die zwar viele Berufsanfänger umtreibe, oft aber unbegründet sei: „In den seltensten Fällen fällt ein Berufsfeld als Gesamtes weg, meistens werden sie spezialisiert. So ist der Schmied von früher heute Metallbauer, der Mechaniker wurde zum Mechatroniker.“
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Und ganz neue Jobs gebe es auch immer häufiger, der Gebäudesystemintegrationselektroniker sei einer davon: „Ein technischer Beruf, das sind die Leute, die zu Hause das Smart Home installieren. Allerdings ist das ein eher anspruchsvollerer Beruf.“ Viele der neuartigen Berufe seien eher den mathematik- und computeraffinen Jugendlichen vorbehalten, die Digitalisierung mache technische Berufe in einigen Fällen komplexer: „Deswegen gibt es technisch veranlagte Jobs mit tendenziell eher niedrigem, mittlerem und hohem Niveau, da ist für jeden etwas dabei.“
Work-Life-Balance kein großes Thema
Von der viel zitierten Work-Life-Balance, die den heutigen Jugendlichen nach Auffassung vieler Medienschaffender so wichtig ist, spüre die Expertin wenig: „Ich mache den Beruf jetzt seit elf Jahren. Viel verändert sich bei den Jugendlichen in dieser Richtung nicht.“ Natürlich habe ein junger Mensch gewisse Vorstellungen des Berufs, manchmal seien diese auch nicht ganz realistisch, „aber direkte Forderungen, nach einer Vier-Tage-Woche oder mehr Urlaub stellt niemand.“ Nur eines will der Nachwuchs größtenteils nicht: „Schicht- und Wochenendarbeit ist eher nichts für viele der Schüler, vor allem, wenn sie irgendwann eine Familie gründen möchten.“
Zwar verändere sich die Berufswelt und es sei eher unwahrscheinlich, in 30 Jahren noch den gleichen Beruf auszuüben wie heute, „an der absoluten Notwendigkeit einer Ausbildung verändert das aber nichts“, betont der Profi. Die Hälfte aller Arbeitslosen habe nämlich nie eine Ausbildung gemacht: „Egal, was man mit 60 arbeitet, die Chancen, dass man einen Job hat, sind deutlich höher, wenn man mit 16 eine Ausbildung absolviert hat.“ Ein anekdotisches Beispiel kann sie auch anführen: „Mein Hausarzt hat eine Lehre bei der Bank gemacht.“
Und was würde Christina Schürger – die übrigens gerne auch mal den Job der Hotelfachfrau ausprobiert hätte, aber zu gerne mit jungen Menschen arbeiten wollte – Jugendlichen, die jetzt ins Berufsleben einsteigen, raten? „Fangt rechtzeitig an“, appelliert sie wie auf Knopfdruck: „Wenn die Frist abgelaufen ist, dann ist sie abgelaufen. Da muss man dann teilweise ein Langzeitpraktikum einschieben.“
Nach kurzer Pause schiebt sie zunächst nach: „Auch wenn es nicht so aussieht, als hätte man eine Chance, sollte man sich bewerben. Oft schauen Arbeitgeber auch über die ein oder andere Note hinweg, wenn die Bewerbung gut ist oder das passende Praktikum absolviert wurde.“ Außerdem fügt sie an: „Und nutzt die schulischen Chancen für Praktika. Macht das Praktikum nicht da, wo es entspannt ist, sondern da, wo es spannend ist.“
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