Rhein-Neckar. Ob neben dem Mathaisemarkt in Schriesheim, hinter dem Dom in Speyer oder auf dem Paradeplatz in Mannheim – gekifft wird überall in der Metropolregion. Mitunter noch verschämt, aber immer selbstbewusster. Nun plant die Regierung eine Legalisierung von Cannabis für Erwachsene. Die gesellschaftlichen Auswirkungen kann noch niemand absehen. Eine Bestandsaufnahme.
Die Hanffreunde
„Ein Meilenstein“, freut sich Christoph Lehner, Sprecher des Hanfverbandes Rhein-Neckar, über die Formulierung im Koalitionsvertrag – und hofft auf weitere „cannabis-freundliche“ Präzisierungen. So müsse die Führerschein-Frage geklärt werden: Anders als beim Alkohol sind THC-Abbauprodukte des Stoffes lange nach Abflauen der Wirkung im Urin nachweisbar.
Im Koalitionsvertrag fehle zudem die explizite Nennung des Eigenanbaus. „Man könnte das auf bis zu vier Pflanzen pro Person begrenzen“, verweist Lehner auf Regelungen in europäischen Nachbarländern. „Nur mit einer Ermöglichung des Eigenanbaus kann der Schwarzmarktes deutlich geschwächt werden“, betont der Sprecher des Hanfverbandes. Eine Herausforderung werde die Umsetzung des Koalitionsvertrags aufgrund der internationalen Verträge sein, das zeige das Beispiel Luxemburg, wo die liberalen Gesetzesvorhaben zum Teil aufgegeben würden.
Der Wirkstoff THC
- Für die berauschende Wirkung von Cannabis ist der Stoff Tetrahydrocannabiol (THC) verantwortlich.
- Als Joint geraucht wirkt THC bereits nach wenigen Minuten und hält zwei bis drei Stunden. Kekse wirken mit Verzögerung von bis zu zwei Stunden.
- Wie ein Joint wirkt, hängt von der Menge des THC, der Art des Konsums und von der Umgebung ab. Er kann entspannen, Glücksgefühle hervorrufen, aber auch Panik und Angstattacken auslösen. Halluzinationen, Herzrasen und Übelkeit können weitere Folgeneines Horrortrips sein. bjz
Die Drogenberatung
Die Jugend- und Drogenberatung der Stadt Ludwigshafen befürwortet die Legalisierung von Cannabis – unter bestimmten Bedingungen. „Nach Alkoholkonsumenten sind Cannabiskonsumenten die zweitgrößte Gruppe, die in Beratungsstellen vorsprechen und Unterstützung benötigen“, teilt die Einrichtung mit. „Aus der fachlichen Sicht der Drogenhilfe sollte Cannabis entkriminalisiert werden, weil dadurch unter anderem Gesundheitsgefahren für die Konsumenten reduziert werden können, denen sie auf dem Schwarzmarkt ausgesetzt sind.“ Beratungsstellen könnten Konsumierende diskriminierungsfrei und leichter erreichen. „Gleichzeitig gilt: Für den Verkauf müssen klare und strikte Auflagen definiert werden. So muss der Jugendschutz absolute Priorität haben, eine Abgabe soll ausschließlich an Erwachsene erfolgen.“ Präventionsangebote müssten aus- und Personal aufgebaut werden. Prävention sollte Grundbaustein der Ausbildung von Erzieherinnen und Lehrern sein.
Der Staatsanwalt
Als Strafverfolgungsbehörde ist die Staatsanwaltschaft an Recht und Gesetz gebunden,betont der Leitende Oberstaatsanwalt in Frankenthal, Hubert Ströber. Wenn also der Handel mit Cannabis nach dem Willen der neuen Bundesregierung nicht mehr unter Strafe gestellt wird, werde man auch nicht mehr ermitteln, so Ströber. „Das wird uns allerdings nicht wesentlich unserer Arbeit entlasten“, prognostiziert der Chef der Frankenthaler Staatsanwaltschaft. Denn in erster Linie geht es um den privaten Eigenkonsum. Und schon jetzt gebe es die Möglichkeit, bei Geringfügigkeit der Schuld ein Verfahren schnell und leicht zu erledigen. Das Gros der Rauschgiftkriminalität beschäftige sich aber gar nicht mit Cannabis in geringen Mengen. Meist seien sehr viel härtere Drogen im Spiel, wenn die Strafermittler in Sachen illegalem Handel von Betäubungsmitteln aktiv werden. Und diese werden auch unter einer neuen Ampelkoalition illegal bleiben.
Der Mediziner
„Aus medizinischer Sicht bin ich skeptisch, ob man sich mit der Entscheidung einen Gefallen getan hat“ – Robert Christian Wolf, Leiter der Sektion Kognitive Neuropsychiatrie am Universitätsklinikum Heidelberg, sieht die Legalisierung von Cannabis kritisch. Auch wegen der Erfahrungen, die andere Länder damit gemacht haben: „Die Daten zeigen, dass in Kanada Cannabis bei Menschen zwischen 16 und 19 Jahren auch nach der Legalisierung hochfrequent bleibt.“ Bei dieser vulnerablen Gruppe sei sogar ein Anstieg des Konsums zu beobachten. Dabei bestehe das größte Risiko gerade in diesem Alter, wenn das Gehirn noch nicht voll entwickelt sei. Eine der bedrohlichsten Folgen von häufigem Konsum mit hoher THC-Konzentration seien Psychosen. „Wenn jemand eine Psychose erlitten hat, ist das Risiko für weitere seelische Erkrankungen höher.“ Auch bei Erwachsenen sei der Konsum nicht völlig unschädlich. „Es treten weniger Psychosen auf, aber sie können vorkommen.“
Die Polizei
Die Poilizei geht nicht davon aus, dass sie mit der Entkriminialisierung von Cannabis weniger Arbeit haben wird. In der aktuellen Diskussion gehe es ja vor allem um den Konsum von Cannabis für Erwachsene, macht ein Sprecher des baden-württembergischen Landespolizeipräsidiums in Stuttgart den Unterschied deutlich. Kinder und Jugendliche seien vom straffreien Konsum ja ausgenommen. Deshalb werde im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes ein Handeln der Polizei weiterhin notwendig und erforderlich sein, so der Sprecher.
Außerdem beschränke sich die Polizei bei Kontrollen zum Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz nicht alleine auf Cannabis. Die Beamtinnen und Beamten kontrollierten dann vielmehr alle Substanzen. Insofern sei nicht davon auszugehen, dass der Arbeitsaufwand der Polizei durch die Legalisierung des Cannabis-Konsums signifikant sinken werde, so der Sprecher.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen_artikel,-schwetzingen-cannabis-legalisierung-kommt-das-gras-fuer-die-joints-bald-von-aeckern-aus-der-pfalz-_arid,1888291.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/speyer.html