Schwetzingen. Das A schwächelte ein bisschen: Der aufgeblasene Luftballon mit dem Buchstaben A versank zwischenzeitlich teilweise ganz hinter die Bühne, sodass statt „ABI 22“ eher „BISS“ zu lesen war. Diese Symbolik passte aber trefflich zu dem Abiturjahrgang, der – endlich wieder - seine Feier in festlichem Gewand in der Schulaula zelebrieren durfte. Denn auch für diese Schülerinnen und Schüler war die Oberstufe von Corona geprägt. Sie brauchten schon Nervenstärke und eben auch Biss, um die Zeiten von Lockdown, Online-Stunden und Maskenpflicht bei Klausuren zu überstehen.
Trotz äußerer Hindernisse war es wieder ein sehr guter Jahrgang. Viermal konnte die Traumnote 1,0 vergeben werden. Den Hebel-Preis der Stadt Schwetzingen für das beste Abitur des Jahrgangs hatte sich Philipp Traschütz verdient. Bürgermeister Matthias Steffan überbrachte den Preis, verbunden mit dem Lob für das gesellschaftliche Engagements der Hebelianer. Er erwähnte dabei die Hilfsaktionen zugunsten geflüchteter Kinder aus vielen Ländern, insbesondere aus der Ukraine. Sein Wunsch und Rat: „Stimmen Sie nicht in den zurzeit gängigen Chor der Larmoyanz ein.“
Schulleiter Stefan Ade warf einen kritischen Blick auf die sogenannte „Generation Z“. Diese Altersgruppe, der auch die Abiturienten angehören, sei teilweise geprägt von dem Streben nach Luxusartikeln, so das Urteil eines Artikels, den der Schulleiter zitierte. Den jungen Menschen sei es nicht peinlich, Reichtum zur Schau zu stellen, weil es ihnen von Youtubern vorgelebt werde. Stefan Ade wünscht sich, dass die gewonnene Schulbildung sie motiviert, „einen eigenständigen, unabhängigen, frei denkenden und damit kritischen Weg zu gehen. Wenn Ihr dabei auch noch die Welt rettet, umso besser.“
Von der gewonnenen Freiheit
Mit dem Scheffelpreis für das beste Abitur im Fach Deutsch ist die Ehre verbunden, eine Rede zu halten. Als Julia Haug zuvor davon erfuhr, dachte sie: „Großartig – noch eine mündliche Prüfung.“ Sie meisterte ihre Aufgabe aber hervorragend, indem sie über die „endlich“ gewonnene Freiheit sprach. Die letzten Corona-Jahre hatten zu vielen Einschränkungen geführt. „Deshalb kann dieses Abitur im Ausnahmezustand im wahrsten Sinne des Wortes als Reifeprüfung betrachtet werden“, so die Abiturientin. Es geht aber nicht nur um Freiheit von Notendruck und Terminstress. Die „bedrohliche Seite ist die Ungewissheit: In einer Welt der unbegrenzten Möglichkeiten müssen wir unseren Platz erst noch finden.“ Julia war von Dietrich Bonhoeffers „Theorie der Dummheit“ beeindruckt: Die Dummheit sei ein gefährlicherer Feind des Guten als die Bosheit. Daraus leitete die Schülerin den Appell zur Verantwortung und Selbstreflexion ab.
Der Vorsitzende des Freundeskreises Dr. Thomas Bartsch hatte nicht nur die Auszeichnungen mitgebracht, sondern auch eine Frage: „Haben Sie schon darüber nachgedacht, welche Leistungen Sie zukünftig erreichen wollen?“ Er erzählte vom Schriftsteller Wolf Wondratschek, dessen unkonventionelle Deutschaufsätze mit dem Kommentar „Mit schulischen Maßstäben nicht zu erfassen!“ unbenotet geblieben seien. Zwischen den Ehrungen moderierten Philipp Traschütz und Johanna Stadler charmant den Abend. bs/zg
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