Umfrage - Bundestagsabgeordneter Olav Gutting sowie die Landtagsabgeordneten Daniel Born, Dr. Andre Baumann und Andreas Sturm geben Antworten zu 2Gplus, Lockdown und Impfpflicht

Das sagen unsere Abgeordneten zur Corona-Politik

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Katja Bauroth
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In einem sind sich die Befragten einig: Impfen ist ein Schlüssel, um der Pandemie Herr zu werden. © dpa, Baumann, Hauck, Landtag

Vor einem Jahr hat vermutlich jeder gedacht und noch mehr gehofft, dass die damaligen Geschehnisse im Zusammenhang mit Covid-19 eine einmalige Angelegenheit bleiben – die hohen Infektionszahlen, die Belastung der Kliniken mit ihren Ärzten und dem Pflegepersonal, die Einschränkungen für die Menschen im Alltag, die Unplanbarkeit. Nun, ein Jahr und Impfstoffe später wiederholt sich das Geschehen. Corona, das haben wir nun gelernt, ist da und nicht so einfach zu verbannen. Diejenigen, die die Entscheidungen für die Gesellschaft und damit für das Wohl aller treffen müssen, sind nicht zu beneiden. Und doch wird so manche politische Entscheidung gerade dieser Tage kritisiert und angezweifelt. Grund genug, bei den Bundes- und Landtagsabgeordneten aus dem Schwetzinger Raum nachzufragen, wie ihr Blick auf die Dinge ist. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Olav Gutting sowie die Landtagsabgeordneten Daniel Born (SPD), Dr. Andre Baumann (Grüne) und Andreas Sturm (CDU) haben am Montag kurzfristig unsere Fragen beantwortet.

Die neue Corona-Verordnung sorgt durchaus für Verwirrung. Wie empfinden Sie die neuen Regelungen, die am 4. Dezember in Kraft getreten sind?

Daniel Born: Wir müssen entschlossen der vierten Welle dieser Pandemie begegnen. Es geht um die Funktionsfähigkeit der Intensivstationen, Respekt vor der Arbeit der Pflegenden und Offenhaltung der Kitas und Schulen. Darum finde ich es grundsätzlich richtig, wenn die Länder harte Maßnahmen ergreifen. Wichtig ist aber, dass Vorsicht, Verantwortung und Verlässlichkeit zusammengedacht werden. Hierbei hat die grün geführte Landesregierung am Wochenende mit ihrem 24-Stunden-Hin-und-Her dramatisch versagt.

Dr. Andre Baumann: Ich bin sehr dafür, dass geeignete Corona-Maßnahmen umgesetzt werden, um die vierte Welle zu brechen. Es geht um Menschenleben. Es geht um Kinder, Jugendliche und Familien, die unter Corona leiden. Und es geht um unsere Wirtschaft, die einen weiteren Lockdown nur schwer verkraften würde. Die Maßnahmen des Landes basieren größtenteils auf den Bund-Länder-Beschlüssen, in manchen Punkten gehen Sie auch darüber hinaus. Wir haben eine deutlich angespanntere Corona-Situation als in anderen Bundesländern.

Andreas Sturm: „Strengere Regeln waren dringend notwendig.“ © SASCHA J HAUK

Andreas Sturm: Es war dringend notwendig, strengere Regeln zu erlassen, allerdings wäre die 2Gplus-Regelung ohne die Ausnahme der sechs Monate nach Zweitimpfung oder nach der Booster-Impfung nicht praktikabel. Ich finde es nicht vertretbar, dass Buchhandlungen nicht mehr zur Grundversorgung zählen und setze mich für eine diesbezügliche Wiedereinstufung ein. Auch die 750 Zuschauer bei Großveranstaltungen finde ich problematisch, eine vorgeschriebene Höchstprozentauslastung wäre fairer.

Olav Gutting: Es ist grundsätzlich richtig, dass die Maßnahmen verschärft werden. Die Kommunikation von der Landesregierung war allerdings nicht ideal. Das Nachschieben von Ausnahmen für 2Gplus hätte man sich sparen können, wenn man die Regelungen gleich richtig gemacht hätte.

Wäre es nicht sinnvoller gewesen, die Verordnung erst mit 6. Dezember umzusetzen, dafür aber so ausgearbeitet, dass keine tröpfchenweisen Nachbesserungen notwendig gewesen wären?

Baumann: Ich bin froh, dass auf Grundlage wissenschaftlicher Expertisen die 2Gplus-Regelung entsprechend angepasst wurde. Dafür hatte ich mich auch übers Wochenende eingesetzt. Gut ist, dass die Ordnungsämter während einer Umsetzungszeit kulant sein sollen.

Daniel Born: „Regierung hat mit dem Hin und Her am Wochenende versagt.“ © Landtag

Born: Die Landesregierung hat durch verspätete, unklare und widersprüchliche Informationen für erhebliche Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung gesorgt. Erneut hatte die Landesregierung nur wenige Stunden vor Inkrafttreten die neue Verordnung des Landes veröffentlicht. Zunächst sollte eine generelle 2Gplus-Regel in der Gastronomie und Kulturbranche gelten. Noch am Freitagabend wurden Ausnahmen für Geboosterte nachgeschoben. Am Samstagabend verkündete dann die CDU-Landtagsfraktion via Social Media weitere Ausnahmen für Zweitgeimpfte, ohne dies mit der Verordnung belegen zu können. Dieses Hin und Her ist unerträglich und liegt alleine in der Verantwortung der Landesregierung. Das führt so weit, dass die Landesregierung die Behörden darum bittet, Verstöße gegen die Verordnung derzeit nicht zu ahnden, weil man die chaotische Verordnung in einer Nacht- und Nebelaktion beschlossen hat. Im Ergebnis hatte Baden-Württemberg über Stunden eine Verordnung, die faktisch nicht gilt. Und das in der gefährlichsten Phase der Pandemie.

Sturm: Absolut. Nachbesserungen tragen in keiner Weise zur Planungssicherheit bei. Auf der anderen Seite wurde die Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag abgewartet, die dieses Mal eher den Rahmen gesetzt hat, welchen die Länder ausfüllen sollten. Dadurch war eine schnelle Reaktion notwendig, sonst hätten Bundesverordnungen und die Regelungen der anderen Länder Verwirrung gestiftet. Sicherlich ist der 4. Dezember aber zu knapp.

Gutting: Wie gesagt wäre es besser gewesen, wenn man die Regelungen vonseiten der Landesregierung gleich richtig gemacht hätte.

Hätte 2G nicht auch ausgereicht?

Born: Doch, wenn bereits genug Menschen geboostert wären. Dass dies nicht der Fall ist, liegt an den fehlenden Impfstrukturen im Land, die erst wieder mühsam reaktiviert werden müssen.

Sturm: Sicher. Deshalb begrüße ich, dass es Ausnahmen für Zweitgeimpfte und Booster-Impfungen gibt. Das hat drei Gründe – Erstens: Wir dürfen nicht diejenigen zusätzlich belasten, die mit ihrer Impfung einen Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie leisten. Zweitens: Eine 2Gplus-Regelung ohne Ausnahme wäre der Todesstoß für den Einzelhandel und die Gastronomie. Drittens: Wo sollen die ganzen Menschen getestet werden?

Gutting: Insbesondere für Restaurants hätte ich mir das gewünscht. Hier verweise ich gerne auf meine Pressemitteilung, die ich zusammen mit meinen Abgeordnetenkollegen aus dem Rhein-Neckar-Kreis am Wochenende herausgegeben habe.

Der Vorwurf an die Politik wird lauter, die gleichen Fehler wie zum Anfang der Pandemie zu machen und die Menschen immer wieder in die Unplanbarkeit zu werfen. Das trifft auf die Wirtschaft, den Handel, den Sport und die Gastronomie genauso zu wie auf jeden Einzelnen und dessen privates Umfeld. Wie sehen Sie das als Verantwortungsträger aus politischer Sicht?

Born: Politik steht in der Verantwortung, transparent und nachvollziehbar zu arbeiten. Dieses Land steht solidarisch gegen das Virus. Politik muss zum Team Hilfreich gehören.

Sturm: Vieles war und ist in dieser Pandemie planbar, vieles allerdings auch nicht. Die Bürger erwarten zu Recht, dass die Punkte, die planbar sind, auch zügig in die Wege geleitet werden. Natürlich muss man auch auf aktuelle Entwicklungen reagieren und einen Plan B und C in der Schublade haben.

Gutting: Diese schwierige Situation entstand durch die Bundestagswahl im September. Die Ampelkoalition hat die geschäftsführende Bundesregierung gebeten, keine Maßnahmen zu treffen. Ehrlicherweise muss man anmerken: Hätten wir im September über Booster-Impfungen und Teillockdowns verhandelt und angefangen, diese Maßgaben umzusetzen, dann bin ich mir sicher, hätten die Bürger dagegen revoltiert.

Mit 30. September haben die Impfzentren geschlossen, dann wird kurze Zeit später 2G eingeführt. Ich sehe die Schließung der Impfzentren zu diesem Zeitpunkt als klare Fehlentscheidung der Landesregierung – und Sie?

Born: Sie haben Recht. Diese Fehlentscheidung hat die grün geführte Landesregierung getroffen. Wir haben dies im Landtag massiv kritisiert und gefordert, die Impfzentren offen zu lassen beziehungsweise viel früher wieder zu reaktivieren.

Dr. Andre Baumann: „Ich bin froh über die Anpassung der 2Gplus-Regelung.“ © Baumann

Baumann: Die Landesregierung und damit auch die Politik reagieren auf gesellschaftliche Entwicklungen. Bis Ende September hatte jede Bürgerin und jeder Bürger die Möglichkeit, eine Corona-Impfung zu erhalten. Dieses Impfangebot wurde auch mittels der Impfzentren einfach und schnell geschaffen. Nach Rücksprache mit der Kassenärztlichen Vereinigung wurde dann beschlossen, die über Wochen leer gestandenen Impfzentren zu schließen. Die immensen Kosten dafür standen in keinem Verhältnis zur Impfkampagne der Ärztinnen und Ärzte. Teilweise musste auch Impfstoff vernichtet werden. Statt Menschen in Zentren zu holen, gehen wir jetzt zu den Menschen hin. Ab Ende September werden mobile Impfteams eingesetzt, um direkt vor Ort die Menschen zu erreichen. Inzwischen sind 155 dieser mobilen Teams in Baden-Württemberg im Einsatz.

Sturm: Zum damaligen Zeitpunkt gab es in manchen Impfzentren ein Dutzend Erstimpfungen, gleichzeitig haben Virologen die Booster-Impfung in diesem Jahr nur für ältere Mitbürger für notwendig gehalten. Erst die Studie aus Israel zur nachlassenden Wirkung des Impfstoffs hat die Booster notwendig gemacht. Aus der damaligen Sicht war die Schließung nachvollziehbar, aus der jetzigen Sicht falsch.

Gutting: Grundsätzlich sind Impfungen Sache der Haus- und Betriebsärzte. Aber sicherlich wäre es jetzt hilfreich, wenn es die Impfzentren noch gäbe oder diese schnell reaktiviert werden könnten.

Jetzt wird über eine Teilimpfpflicht gesprochen, die mit 16. März kommen soll: Warum „teil“ und warum so spät?

Born: Weil wir jetzt zuallererst die vierte Welle entschlossen bekämpfen müssen und uns hierauf konzentrieren. Da hilft eine Impflicht noch nicht.

Baumann: Die Teilimpfpflicht für besondere Berufsgruppen ist Beschlusslage der Bund-Länder-Konferenz und wird jetzt in der Novellierung des Infektionsschutzgesetzes bis Mitte Dezember umgesetzt. Es ist richtig und wichtig, dass zum Beispiel im Gesundheits- und Pflegebereich eine Impfpflicht eingeführt wird. Der Gesetzgeber muss den ungeimpften Personen in den Gesundheits- und Pflegeberufen allerdings noch die Möglichkeit einer Impfung einräumen. Eine kürzere Frist wäre daher schwierig umsetzbar.

Sturm: Da haben Sie recht. Jeden Tag gibt es neue Vorschläge. Es wäre sehr hilfreich, wenn wir eine konkrete Vorlage hätten, über die wir diskutieren können. Zweifellos muss die Impfpflicht vielen Umständen Rechnung tragen wie beispielsweise Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können.

Gutting: Das müssen Sie die fragen, die den Gesetzentwurf konzipieren und in den Bundestag einbringen wollen. Bisher liegt dazu noch keine Drucksache vor.

Wieso tut sich Deutschland in Bezug auf eine Impfpflicht im Vergleich zu anderen Ländern so schwer?

Born: Natürlich stehen hier verschiedene Grundrechte in Konkurrenz. Dass wir solche Diskussionen sorgsam und abwägend führen, ist eine große Stärke unserer Demokratie.

Baumann: Im Nachhinein war es ein Fehler, dass viele hochrangige Politiker sich gegen eine allgemeine Impfpflicht als letztes Mittel zur Bekämpfung des Virus ausgesprochen haben. Winfried Kretschmann und Annalena Baerbock haben das auch in den Wahlkämpfen nicht getan. Jetzt soll der Nationale Ethikrat bis Ende des Jahres eine Empfehlung erarbeiten. Dann könnte im Februar oder März eine entsprechende Regelung in Kraft treten.

Sturm: Ich kenne kein Land, welches sich leichttut. Österreich ist momentan das einzige Land in Europa, welches eine allgemeine Impfpflicht beabsichtigt, dort ab Februar 2022. Die Impfgegner machen hiergegen mobil. In Ländern wie Frankreich und Italien gilt auch nur eine Impfpflicht im Gesundheitsbereich, in Italien und Griechenland zusätzlich für Altenheimpersonal. Aus Gründen der Rechtssicherheit musste eine Impfpflicht erst juristisch überprüft werden.

Gutting: Eine Impfpflicht bedeutet einen erheblichen Eingriff in die persönliche Freiheit und die menschliche Unversehrtheit. Hier sollte man sehr genau abwägen, ob das Gemeinwohl über das Einzelwohl siegt. Schließlich hat es das politische Versprechen gegeben, keine Impfpflicht einzuführen.

Sind Sie für eine Impfpflicht?

Born: Es gibt eine moralische Impfpflicht. Und ich bin dafür, dass wir diese moralische Pflicht auch gesetzlich hinterlegen.

Baumann: Ja, ich bin für eine allgemeine Impfpflicht. Das ist keine einfache Güterabwägung, aber eine verfassungsrechtliche gebotene. Das sagt auch das letzte Woche veröffentlichte Gutachten der Landesregierung.

Sturm: Ohne eine höhere Impfquote gibt es Corona in der Endlosschleife. Die 2G-Regel hat den Anreiz zu einer Impfung erhöht, nun gilt es, mit Experten an einer vernünftigen gesetzlichen Impfpflicht zu arbeiten. Im Hinblick auf die drohende Überlastung auf den Intensivstationen geht es wohl nicht mehr anders. Auch der Ethikrat kann hierzu einen wertvollen Beitrag leisten.

Gutting: Aktuell sind mir noch zu viele Fragen unbeantwortet, so zum Beispiel die Frage der Wirksamkeit der Impfstoffe gegen die neuen Virusvarianten und die Dauer der Wirksamkeit der Impfungen. Wir müssen noch mehr Menschen von der Wichtigkeit der Impfung überzeugen.

Sind Sie für einen harten Lockdown jetzt zum Jahresende?

Born: Nein, aber wir sollten alle wieder die Kontakte so weit wie möglich zurückfahren.

Baumann: Ich schließe ihn nicht aus. Aber wir sollten versuchen, ihn zu vermeiden. Darum wurden jetzt harte Maßnahmen beschlossen.

Sturm: Ich bin mir sicher, dass eine konsequente 2Gplus-Regelung mit den Ausnahmen bereits viel bewirkt. Aus den letzten Lockdowns wissen wir aber auch, dass ein Großteil der Infektionen im privaten Umfeld stattfindet, daher finde ich es problematisch, Einrichtungen wie Restaurants, den Einzelhandel oder Theater zu schließen, die nachweislich keine Infektionstreiber sind.

Gutting: Nein!

Was muss Ihrer Ansicht nach geschehen, um die Pandemie in den Griff zu bekommen und vor allem den Menschen ein Stück weit mehr Planbarkeit zurückzugeben?

Born: Statt Unklarheit brauchen Familien und Betriebe in dieser besonderen Situation mehr denn je verlässliche Informationen, bessere Planbarkeit und schnelle Hilfen. Das Chaos der grün geführten Landesregierung hat geschadet. Aber wir dürfen nie vergessen: Wir sind klüger als das Virus. Wir haben Impfstoffe, wir haben Wissenschaft und wir haben Solidarität. Wenn das von verlässlicher Politik unterstützt wird, können wir optimistisch ins neue Jahr gehen.

Baumann: Um mehr Planbarkeit zurückzubekommen, hilft nur eins: Impfen, was das Zeug hält. Außerdem müssen in dieser höchst angespannten Lage die Kontakte reduziert werden. Nur so können wir eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindern. Wenn wir als Gesellschaft zusammenstehen, können wir diese vierte Welle brechen.

Sturm: Erstens: Impfen. Zweitens: Eine konsequente 2Gplus-Regelung mit den Ausnahmen für Zweitimpfungen und Booster-Impfungen innerhalb von sechs Monaten. Drittens: Das Angebot kostenloser Corona-Schnelltests erweitern.

Olav Gutting sagt zu einem harten Lockdown klar: „Nein!“ © picture alliance/dpa

Gutting: Wir brauchen in jedem Fall schnell mehr Impfungen und eine Senkung der Zahl der Erkrankten in den Krankenhäusern. Ich bin der Meinung, dass dabei dann ganz klar definiert werden muss, wer mehr Freiheiten zurückbekommt und wer nicht. Es kann nicht sein, dass der Zweifach-Geimpfte oder gar der Geboosterte unter den Restriktionen leidet, die eigentlich nur die Ungeimpften betreffen sollten. An dieser Stelle muss Schluss sein mit den Einschränkungen von Menschen, die sich solidarisch zeigen, sich impfen lassen, die Abstandsregelungen einhalten und sogar ihre Kontakte einschränken!

Autor Katja Bauroth liebt Begegnungen und Storys - im Lokalen und auf Reisen.

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