Kunst

Die Ausstellung "Herren heute" in Schwetzingen beleuchtet das Verhältnis von Macht und Machthabern

Am 11. Dezember jährt sich der 300. Geburtstag von Kurfürst Carl Theodor, einer schillernden Figur der Geschichte, deren Utopien bis heute nachwirken. Eine innovative Ausstellung in der Orangerie Schwetzingen sorgt nun für Aufmerksamkeit

Von 
Christel Heybrock
Lesedauer: 
Die Werke der Ausstellung „Herren heute“ sind oftmals provokativ, wie diese Arbeiten von Ingo Lehnhof. © Manfred Rinderspacher

Der 300. Geburtstag von Kurfürst Carl Theodor am 11. Dezember wäre Anlass zu einer großen historischen Schau gewesen, zu einer Erinnerung daran, wie die Utopien dieses Mannes sich bis heute auswirken, auf Mannheim, die Region und auch auf das ungeliebte München, wo die Alte Pinakothek sich der Kunstsammlung Carl Theodors als Grundstock erfreut. Statt einer repräsentativen Jubiläumsschau gibt es ein paar bescheidene Einzelevents, immerhin ja. Eines davon beweist Witz, Fantasie und kritische Distanz: Die Schau „Herren heute“ in der Orangerie Schwetzingen hätte seiner Durchlaucht wohl nicht gefallen, aber sie ist ein Denkanstoß, wie man sich in einer Demokratie das Verhältnis zu Macht und Machthabern bewusst machen kann.

„Herren heute“ wirft eine neuen Blick auf historische Figuren

Kunstvereinsleiter Dietmar Schuth vereinte die Beiträge von rund 25 Kunstschaffenden, und es kamen sarkastische ebenso wie sensible Temperamente zusammen, Skulpturen ebenso wie Malerei, sogar ein Werk mit Neonschrift und Video ist dabei – die Berlinerin Tina Heuter setzte einen Video-Löwenkopf auf einen lässig stehenden Beton-Männerkörper als Symbol von Macht und Härte („Be strong“, 2023). Die Kombination einer nostalgischen Gesellschaftsdame mit einem Löwen gelang der Berliner Malerin Anna Lena Straube auf dem Großformat „Connectivity“ (2023). Die Verbindung von abgehobener Damenschönheit mit dem machtbewussten, nun ja, Tier im Manne ist dermaßen vieldeutig, dass man sie kaum zu Ende denken kann …

Ziemlich eindeutig dagegen der Sarkasmus des Malers und Bildhauers Ingo Lehnhof aus Braunschweig. Er verfolgt einen virtuosen, fast surrealen Realismus sowohl in den kleinformatigen „Charakterköpfen“ aus gebranntem Ton – die Bemalung mit Acrylfarben lässt die ausdrucksstarke Mimik fast unerträglich werden – als auch auf den Gemälden, auf denen Herrscherfiguren im Wortsinn entblößt werden. Die Herren posieren im Vollbewusstsein ihrer Bedeutung und sind doch von würdeloser Nacktheit und Infantilität. Dickbäuchig und angejahrt, bekam einer zwar ein Buch in die Hand, aber auch einen Teddybären zur Seite, und der Herr mit der prachtvollen roten Schärpe über dem Oberkörper hat als Herrscherattribute nicht etwa Krone und Zepter, sondern erneut einen Teddybären sowie ein Schwein. Am Peinlichsten jedoch die durchsichtige Strumpfhose über dem Unterleib.

Mit Ingo Lehnhof kann es aber auch Peter Lenk aufnehmen, der eklatfreudige Bildhauer vom Bodensee, der historische Repräsentanten vom Sockel holt, indem er sie großformatig auf demselben prangen lässt. Ein Schicksal, das an Carl Theodor nicht vorbei ging, in der Ausstellung, anders als auf dem Schlossplatz, „nur“ das Modell aus gegossenem Kunststein: Carl Theodor auf dem „Glücks“-Schwein reitend mit draller Gespielin, die Hand auf deren blanken Hintern.

Humorvolle, sarkastische und tiefgründige Arbeiten

Scheint die Entblößung von Machthabern wie das reinste Vergnügen, so gibt es auch die sensibleren Äußerungen. Die beiden großformatigen Gemälde von Lars Teichmann aus Berlin variieren den Topos der Reiterfigur – mit subtilen Verwischungen und beispielsweise dem delikaten Kontrast von Schwarz und leuchtenden Partien in Weiß und Pink wird Erinnerung zum Thema. Die Figuren tauchen aus der fernen Vergangenheit undeutlich auf, aber immer noch eindrucksvoll. Auch wenn ihre Auffassung von Macht nicht mehr unsere ist.

Ist unser Verständnis von Macht womöglich brutaler und unverblümter? Brauchen wir ein neues Zeitalter der Aufklärung, wie es Carl Theodor verkörperte? Der Berliner Maler Daniel Sambo Richter porträtierte Donald Trump, meisterhaft expressiv, scheinbar wertfrei, wobei dieses Gesicht ja für sich, oder besser gegen sich selber spricht. Das tun auch einige „Kinder der Kurpfalz“-Porträts des Heidelberger Malers Axel Ayflinger: Helmut Kohl als Carl Theodor – eine Entlarvung. Donald Trumps pfälzischer Vorfahr aus Kallstadt in Carl Theodors Ritterrüstung – eine Entlarvung.

Aber auch das gibt es in der Schau: den Zauber einer kleinen, von Schellack überzogenen farbigen Holzfigur von Michaela Gräper aus Burggen/Bayern. „Theo/CEO“ ist eine Hommage an einen privaten Carl Theodor, wie er hätte sein können. Tiefgründig und an die Intensität des Barockbildhauers Paul Egell erinnernd dagegen die drei „Gekrönten Häupter“ aus Lindenholz von Thomas Hildenbrand: Dornenkrone – Lorbeerkranz – Lilien, ihre Träger scheinen sich nach innen gewandt in ein Schicksal zu ergeben und das Herrschen als Unausweichlichkeit aufzufassen.

Am Eingang grüßt übrigens eine Carl-Theodor-Figur von Stefan Pietryga. Sie bildet den Beginn einer Schau, die nicht nur beiläufig das Ausstellungsprogramm des Kunstvereins repräsentiert, sondern Macht und Machthaber als nuancenreichen Denkkomplex zeigt.

Freie Autorin MM Kulturredaktion 1974-2001, Fachgebiet Bildende Kunst

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke