Vor 25 Jahren wurde das Hotel "Löwe" in der Schlossstraße 4 als Romantik Hotel ausgezeichnet, heute ist das einst so renommierte Haus immer noch dem Verfall preisgegeben. Deshalb blicken wir einmal zurück in die Geschichte: Unzählige bekannte Schauspieler und Sänger von Weltniveau haben in dem Traditionshotel genächtigt, viele bedeutende Persönlichkeiten schätzten die kulinarischen Genüsse im Restaurant. Lore Werner denkt wehmütig daran zurück. Der triste Zustand des Gebäudes ist aber nicht Thema, als wir uns mit der ehemaligen Inhaberin im Hebel-Haus, in dem sie seit drei Jahren lebt, treffen. Wir blättern im dicken Gästebuch, das die 87-Jährige wie einen Schatz hütet.
Lore wurde als Tochter des Gaststättenbesitzers Georg Schneider zwar in Heidelberg geboren und besuchte dort die Elisabeth-von-Thadden-Schule, wuchs aber in Schwetzingen auf. Im Schlossgarten lernte sie ihren späteren Mann Hans-Dieter kennen, mit dem sie einmal gemeinsam den "Löwen" leiten sollte.
Von Rütting bis Tappert
Anfang der 60er Jahre beginnen die prominenten Hotelgäste damit, sich ins Gästebuch einzutragen, so wie Schauspielerin Barbara Rütting, die im Rokokotheater in "Der Widerspenstigen Zähmung" brilliert. "Wir lieben Lörchen", schreibt Kollege Thomas Fritsch im April 1974 und malt seinen Hund dazu.
Lore Werner lernte sie alle kennen. Den österreichischen Kammerschauspieler Josef Meinrad bewirtet sie mit Spargel und der legendäre Hans-Joachim Kulenkampff stellt ihr seine Frau vor und versichert, dass es ihm "noch nie so gut gegangen ist" wie im "Löwen". Mit den Filmstars Curd Jürgens und Ruth-Maria Kubitschek muss sie sich zum Foto stellen und "Derrick"-Darsteller Horst Tappert lobt am 30. Dezember 1975 die "vorbildliche Betreuung" in Lore Werners Wohnzimmer. "Dem Löwen die besten Wünsche", schreibt Schauspieler Charles Regnier am 4. März 1975 und Harald Juhnke, der im Rokokotheater "Hokuspokus" spielt, nimmt im "Löwenkeller" mehr als einen Schluck.
Die große Elisabeth Flickenschildt, "eine ganz tolle Frau", will immer Quark, "aber vollfett, keinesfalls mager", wenn sie abends aus dem Theater kommt. Seit dieser Zeit isst auch Lore Werner Quark. "Das musst du, Kindchen", sagt die Flickenschildt 1974 zu ihr.
1978 beziehen Schauspielerin Heidelinde Weis und Sänger Marius Müller-Westernhagen hier Quartier. Fernsehstar Eva Pflug ist ebenfalls da, Sonja Ziemann auch und Gustav Knuth bestätigt im Februar 1978: "Es war bei Ihnen vorzüglich." Grit Böttcher teilt im Februar 1979 mit: "Der Aufenthalt war eine gesundmachende Akupunktur aller meiner Seelensinne." Heidi Kabel kommt mit dem Ensemble des Ohnsorg-Theaters. "Wir waren alle eingefangen, von Ihren schönen Spargelstangen", dichtet die Volksschauspielerin. Auf einem Foto ist zu sehen, wie "Strudelkönig" Wittmann vom Wien-Hilton im "Löwen" dazu die Pfannkuchen in die Luft wirft. Im Oktober 1976 lobt Schauspielerin Nadja Tiller das Hotel und wenig später attestiert Kollege Hansjörg Felmy dem Haus ein "wunderbares Wohnen".
Die "Freuden des Lukull"
Einige Gäste widmen Lore Werner und ihrer Familie ganze Gedichte. Die Berlinerin Brigitte Mira etwa sowie Tagesschausprecher Wilhelm Stöck, der die "Freuden des Lukull" erlebt, oder Schauspieler Martin Held, der hier Weihnachten feiert. Unvergessen der Abend des 15. Dezember 1980, als Opernsängerin Anneliese Rothenberger nach ihrem Auftritt im Schloss noch mit Arien erfreut. Der Bürgermeister sei nicht da, bedauert Kabarettistin Barbara Noack im März 1982: "Aber wir waren dafür voll da - im Löwenkeller!"
Am 30. Januar 1884 kaufte Lore Werners Großvater, der Metzgermeister Ludwig Schneider aus Leimen, Weinstube und Metzgerei von dem Gastwirt Conrad Heppel. 1895 wurde zum ersten Mal umgebaut, 1920 übernahm Lores Vater Georg den Betrieb.
1949 ging die Verantwortung schließlich an Lore Werner und ihren Mann Hans-Dieter. 1954 wurde die Metzgerei geschlossen. 1972 kam das dritte Stockwerk auf den Hotelbau. 1979 wurde die Hebel-Weinstube im Keller eingerichtet. 1982 verstarb Hans-Dieter Werner, ein schwerer Verlust für seine Lore, die das Familienerbe nun allein mit den Kindern Christine und Christian weiterführen musste.
Österreichs Schauspieler-Ikone Helmut Qualtinger wird im Restaurant verwöhnt und bedankt sich nach dem "Rosenkavalier" im Rokokotheater ebenso wie Hardy Krüger und Mario Adorf, die im März 1986 im Stück "Wiedersehen im Herbst" zu Gast sind und sich dem Schwetzinger Köche-Symposium hingeben. Der Junge von St. Pauli, Freddy Quinn, dankt im September 1986 für die "liebevolle Betreuung", Monika Peitsch schreibt an Lore Werner: "Es war schön bei Ihnen."
Am 25. Mai 1988 besucht die schwedische Königin Silvia die Spargelstadt und kehrte mit Bürgermeister Gerhard Stratthaus ein. Ein Jahr später feiert die Familie Sommerlath den 88. Geburtstag von Silvias Vater. Schauspieler Manfred Krug brilliert gerade im Kleist-Lustspiel "Der zerbrochene Krug" und klebt eine Autogrammkarte ins Gästebuch und Senta Berger bekennt im Juni 1988: "Ich genieße trotz Lampenfieber die schöne Atmosphäre." Königin Silvia und König Carl Gustav lassen zu Ehren von Königin-Mutter Alice Sommerlath an deren 85. Geburtstag am 25. Mai 1991 "Erlesenes aus Küche und Keller" auffahren, schreibt die Schwetzinger Zeitung.
Vom 8. April 1992 datiert ein Brief aus London, in dem sich der ehemalige britische Premierminister Edward Heath beim "Geschäftsführer Hotel Lowe" für die Gastfreundschaft bedankt: "Thank you so much for your kind hospitality." Der letzte Eintrag stammt vom 30. Mai 2000 - von Volksmusiksänger Patrick Lindner: "Es war ein lustiger Mittag mit einem wunderbaren Essen."
Ihr blutet das Herz
Lustige Mittage verbringt Lore Werner immer noch. An ihrem Geburtstag hat Sohn Christian für sie gekocht. Die Tischdekoration hat sie selbst gestaltet, wie all die Jahre zuvor im Restaurant. Bei Zwetschgenkuchen und Kaffee ließ es sich schön in Erinnerungen schwelgen.
An ihrem ehemaligen Hotel möchte die Seniorin derzeit nicht mehr vorbeigehen, sonst blute ihr das Herz. Sie wünscht sich, dass aus dem alten "Löwen" wieder "etwas gemacht" wird, so wie damals, als die Stars ein- und ausgingen und begeistert ins Gästebuch schrieben.
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