Schwetzingen. Sie ist nicht zu sehen. Dabei ist sie eine der Geißeln für so viele Menschen. Laut dem Bundesgesundheitsministerium erkranken in Deutschland 16 bis 20 von 100 Menschen im Laufe ihres Lebens an einer Depression oder an einer chronisch depressiven Verstimmung. Zugleich führt die Erkrankung nach wie vor eine Art Schattendasein. Oberflächlich betrachtet ist das Thema auf dem gesellschaftlichen Debattentisch. Als Tabuthema gilt die Depression nicht mehr. Doch die Realität und auch die Dramatik der Erkrankung finden sich dann doch meist im Abseits. Auch weil sich Betroffene eher zurückziehen.
Depressive Störungen gehören laut der Deutschen Depressionshilfe zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten Erkrankungen. Und genau hier verortete sich die Veranstaltung „Mal gut, mehr schlecht“ im Palais Hirsch.
Veranstaltung zu Depression in Schwetzingen: Außergewöhnliches Herangehen
Für die beiden Protagonistinnen Nora Klein und Sabine Fröhlich, Erstere eine Fotografin und Letztere eine Depressionserfahrene, geht es darum, der Depression Gestalt zu geben, damit sie früh als Erkrankung identifiziert werden kann. Denn es ist wie oft in der Medizin: Je früher sie erkannt wird, desto aussichtsreicher sind die Chancen auf Heilung.
Die Art und Weise, wie die beiden Frauen das Licht der Aufmerksamkeit auf die Depression lenkten, darf dabei als außergewöhnlich gelten. Über Jahre begleitet Klein neun an Depression erkrankte Menschen und gab dem Leid eine Art visuellen Fixierpunkt. Unterteilt in drei Kategorien – Porträt, Rückzugsort und Leid – gelang es ihr sehr eindrücklich, der Depression einen Art Rahmen zu geben. Mit den Worten von Depressionserfahrenen kam es hier im Palais Hirsch dann zu so etwas wie einem Dammbruch. Gegen Ende der Veranstaltung gaben sich jedenfalls erstaunlich viele als Betroffene zu erkennen.
Hilfsangebote
- Notfallambulanz, Uniklinik Heidelberg, Telefon 06221/56 4 66 (erreichbar rund um die Uhr).
- Psychiatrisches Zentrum Nordbaden in Wiesloch, Telefon 06222/5 50.
- „Nummer gegen Kummer“: 116 111, montags bis freitags 14 bis 20 Uhr.
- Speziell an Kinder und Jugendliche richten sich die beiden Angebote „www.krisenchat.de“ sowie „www.nethelp.de“.
- Weitere Anlaufstellen sind das Zentrum für Psychische Gesundheit Schwetzingen, Telefon 06202/84 80 20, info@zfpg-schwetzingen.de, die Caritas Rhein-Neckar, Telefon 06202/ 93 14 26, psb@caritas-rhein-neckar.de sowie die Psychosoziale Hilfe Heidelberg, Telefon 06221/ 41 24 81, beratung@psh-heidelberg.de.
- Das Heidelberger Selbsthilfebüro, Telefon 06221/18 42 90, info@selbsthilfe-heidelberg.de gibt Auskünfte über die verschiedenen Selbsthilfegruppen im Rhein-Neckar-Kreis. ske
Sensibilisierung erlaubt gesellschaftlichen Umgang sowohl für Betroffene als auch die Gesellschaft als Ganzes. Was Depression genau ist, ist dabei nicht leicht zu greifen. Im Foyer fand sich ein Gedicht, dass das Leid zu fassen versuchte. „Es ist, als ob ich Flügel besessen hätte, die mich durchs Leben trugen. Und nun sind sie zu Stein geworden.“ Eine andere Protagonistin nutzte das Bild: „Du sitzt in deiner Wohnung, siehst die Dinge um dich herum, dann wird das Licht immer weiter heruntergedimmt, du siehst immer weniger, bis nichts mehr da ist“. Es ist, so Fröhlich, eine Art Folterkammer, die niemand sehe. Was ein Teil des Problems für die Umwelt sei. Denn diese Verkrümmung nach innen, die das Äußere zunehmend ausschließt, ist schwer vermittelbar und von außen nur schwer zu erkennen. Was dann wiederum eine Art Schuldspirale in Gang setzte, was alles noch schlimmer mache. Fröhlich, Mutter von zwei Mädchen, ließ die Schwere, wenn sogar ein Lächeln Kraft koste, nur kurz aufblitzen. Doch dieses kurz war mehr als ausreichend. Die Traurigkeit angesichts der empfundenen Leere und Sinnlosigkeit muss beinah maßlos sein. Und doch gibt es Wege aus dieser maßlosen Leere. Beistand, Worte und ja, auch Medikamente. Wobei Fröhlich vor allem den Worten viel Macht zugestand. Schön war hier ein Satz des tschechischen Schriftstellers und Politikers Vaclav Havel: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht“.
Veranstaltung zu Depression in Schwetzingen: Der Weg des Eingestehens
Auch im Gespräch mit der Moderatorin Rieke Oelkers-Ax, Kinder- und Jugendpsychiaterin, wurde die Kraft des Wortes offenbar. Sprache sei Vielfalt und gerade bei Depression, die bei jedem Menschen eigene Spezifika aufweist, sei das Wort das Instrument der Depression Gestalt und einen Ort zu geben.
Auch hier im Palais Hirsch entstand ein Raum, in dem überraschend viele Zuhörer den Mut fanden, sich als Betroffene zu erkennen zu geben. Es zeigte sich, dass die Depression noch lange nicht im Licht steht. Sowohl der Weg des Eingestehens als auch der Weg zur Heilung seien steinig und vieles würde nach wie vor nicht gewusst. Letzteres machte Vertreter von der Caritas und dem Heidelberger Selbsthilfebüro stutzig. Es scheint, dass hier in Sachen Öffentlichkeitsarbeit noch viel geschehen muss.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen_artikel,-schwetzingen-die-folterkammer-im-inneren-veranstaltung-zu-depression-in-schwetzingen-_arid,2066650.html