Schwetzingen. „Ich sag es euch jetzt schon: Wir werden nächstes Jahr Geschichte schreiben und in den Landtag einziehen. Auch Dank euch, hier in Schwetzingen“, sagt Kim Sophie Bohnen, „Die Linke“-Direktkandidatin für den Wahlkreis Heidelberg bei der Landtagswahl 2026. Die Zuhörer jubeln, pfeifen und klatschen. Mit einer derart großen Ressonanz hatten die Verantwortlichen des Kreisverbands nicht gerechnet – bei der Gründung des Ortsvereins Schwetzingen, Oftersheim und Plankstadt ist der Nebenraum des Restaurants „Zum Grünen Hof“ fast zu klein, um alle Interessenten unterzubringen.
Sitzungsleiter Andreas Deiß vom Kreisverband Rhein-Hardt begrüßte die ungefähr 25 Personen: „Schön, dass ihr es alle zur Gründungsveranstaltung des Ortsvereins ,Schopl‘ geschafft habt.“ Sich im kleinen, rustikalen Nebenrum des Restaurants zu drehen, grenzt an Unmöglichkeit – trotz einer kurzerhand neu eröffneten Stuhlreihe mit Barhockern, sind die Sitzmöglichkeiten rar, einzelne Besucher stehen, Mitorganisatorin und Bundestagskandidatin der diesjährigen Wahl, Mara Zeltmann, quetscht sich zwischen Stühle und Ausgangstür.
„Da das Prozedere heute eher bürokratisch ist, haben wir Gäste dabei, die das Ganze hoffentlich etwas auflockern“, beginnt Deiß, der lachend anfügt: „Hoffen wir mal, dass wir alles durchbekommen, bevor hier jemand erstickt.“ Insgesamt zwölf wahlberechtigte Personen konnten die Organisatoren zählen – „Wahlberechtigt ist, wer in Schwetzingen, Plankstadt oder Oftersheim gemeldet ist und mindestens seit sechs Wochen Parteimitglied ist“, so der Sitzungsleiter.
Bevor es aber an die Wahl des Vorstands des neuen Ortsvereins gehe, wolle Gökay Akbulut, die seit 2017 für „Die Linke“ Mannheim im Bundestag sitzt, einige Worte an die Besucher richten, um die Themen der Partei einzuordnen.
„Die Bundestagswahl hat gezeigt, dass wir bei progressiven Themen die Partei der Zukunft sind“, glaubt das Bundestagsmitglied. Aktuell erlebe die deutsche Politiklandschaft einen Rechtsruck, es werde „massiv nach unten getreten“, erklärt Akbulut, die genau an dieser Stelle den Auftrag der „Linken“ vermutet: „Wir möchten uns dafür einsetzen, dass es den Menschen gut geht, ganz egal, woher sie kommen.“
Ein Thema, das Akbulut in den Vordergrund rückt, sind Waffenexporte: „Ich bin gebürtige Kurdin. In den Neunzigern wurden wir mit deutschen Waffen bekämpft. Nun macht die Groko mit ihren Verträgen wieder Rüstungsexporte in autoritäre Staaten möglich.“
„Die Linke“-Bundestagsmitglied Gökay Akbulut: Gesundheit ist keine Ware
Einen weiteren Schwerpunkt setzt die Bundespolitikerin aus Mannheim bei der Migration: „Egal, was schiefgeht, die Migranten sind die Sündenböcke. Das ist einfach untragbar, diese Menschen sind doch nicht schuld an der Wohnungsnot, der Wirtschaftskrise und der Ungleichheit im Bildungswesen.“ Auch sie sei schon in den Neunzigern Opfer des strukturellen Rassismus in Deutschland geworden: „Meine Lehrer haben mich auf die Hauptschule geschickt, weil ich Migrantin war. Mein Abitur habe ich dann später nachgeholt. Das ist schon sehr lange her, heute ist die Ungleichheit im Bildungswesen noch größer, besonders duch Corona hat sich die Situation verschärft.„ Es seien große Investitionen ins Bildungswesen nötig, um die Missstände an den Schulen in den Griff zu bekommen.
„Die Gesundheit der Bürger ist keine Ware“, sagt Akbulut im Hinblick auf die Privatisierung des Gesundheitswesens, die sie als Hauptproblem der Branche ausmacht: „Wir müssen solidarisch in Mannheim und auch in Schwetzingen hinter den Arbeitskämpfen der Pflegekräfte stehen. Es darf keine Profite im Gesundheitswesen geben.“
Auch im Niedrigsektor allgemein müsse viel passieren: „Menschen mit wenig oder mittlerem Einkommen haben Angst. Wenn ich höre, dass die CDU nun wieder die 40-Stunden-Woche und das Renteneinstiegsalter angreift, wird mir schlecht.“
Es sei ihr wichtig, dass es möglichst allen Menschen im Land gut geht, wozu „auch Klimagerechtigkeit gehört.“ Abschließend erklärt Akbulut unter großem Applaus: „Vor eineinhalb Jahren waren wir 54.000 Mitglieder, jetzt sind es schon 112.000, die für eine bessere, geschlechtergerechte Welt ohne Ausbeutung, Rassismus und strukturellen Benachteiligungen kämpfen.“
Kim Sophie Bohnen: Schwetzingen wird ein bedeutender Teil sein
Kim Sophie Bohnen, die zwei Wochen zuvor zur Kandidatin des Wahlkreises Heidelberg/Badische Bergstraße gewählt wurde, beobachtet eine zunehmende Sorge in Deutschland: „Die Menschen haben Angst wegen des Rechtsrucks. Wir können nicht zusehen, wie der Faschismus wieder vor der Tür steht.“
Es sei wichtig, die Menschen wieder im persönlichen Gespräch abzuholen: „Wir müssen fragen, wo eigentlich die Probleme der Bürger liegen. Das ist nämlich ganz sicher nicht die Migration.“
„Wir haben 15 der 30 teuersten Mietstädte im Bundesland. Auch deswegen brauchen wir eine starke ,Linke‘“, sagt Bohnen, die sich sicher ist: „Wir werden dieses Land wieder auf links drehen und Schwetzingen wird ein bedeutender Teil sein.“
Scharfe Kritik an CDU-Bundestagsmitglied Olav Gutting
Bevor es dann endlich zu den Wahlen des neuen Ortsvereinsvorstands kommt, hat Jochen Lochner, „Die Linke“-Gemeinderatsmitglied in Reilingen noch eine Grußbotschaft für die Schwetzinger geschickt. Wegen einer Ausschusssitzung könne er nicht dabei sein, freue sich aber über alle Maßen über die Neugründung.
„Diejenigen, die in diesem Land alles zusammenhalten und uns nach vorne bringen, müssen sich jetzt anhören, sie müssen mehr arbeiten“, kritisiert Lochner. Besonders Olav Gutting, der CDU-Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Bruchsal-Schwetzingen, ist Lochner ein Dorn im Auge. Der Unionspolitiker hatte zuvor auf Facebook unter anderem kommentiert: „Alles, was die Linken von Geld verstehen, ist die Tatsache, dass sie es von anderen haben wollen.“ An Zynismus kaum zu überbieten, findet Lochner: „Der Mann, der bei den Abgeordneten mit den meisten Nebeneinkünften auf Platz 13 ist, hält es für notwendig, diese Gründung so zu kommentieren. Daraus lässt sich nur schließen, dass es höchste Zeit für eine starke ,Linke‘ in der Region ist.“ Der Unterschied der Parteien sei nämlich vor allem: „Bei uns kommen die Betroffenen zu Wort. Sie stehen im Mittelpunkt der Politik.“
Nun sei „der lustige Teil vorbei“, sagt Andreas Deiß vor den Wahlen. Er wird einstimmig als Versammlungsleiter bestätigt sowie Michelle Schäfer vom Kreisverband als Protokollführerin bestätigt wird. Die Wahlkommission übernahmen Manfred Kern und Andreas Erker.
Das ist der (Dreiviertel-) Vorstand des Ortsvereins „Die Linke Schwetzingen, Oftersheim und Plankstadt“
„Ich darf mich ja sowieso nicht aufstellen lassen“, lacht der ehemalige Landtagsabgeordnete Manfred Kern. Auf Nachfrage dieser Zeitung verrät er: „Meine Frau hat mir verboten, noch einmal mit einem politischen Amt nach Hause zu kommen. Sie meint, ohne sei ich viel glücklicher.“ Mit seiner Erfahrung wolle er nun aus der zweiten Reihe unterstützen: „Ich stehe immer mit Rat und Tat zur Seite.“
Ähnlich sieht es auch Haydar Sahin, der von 2019 bis 2024 im Gemeinderat der Spargelstadt saß: „Ich möchte der neuen Generation den Vortritt lassen. Meine Erfahrungen können sicher aus dem Hintergrund helfen.“
Die Gründungsmitglieder einigen sich auf vier Plätze im Ortsvereinsvorstand. „Da wir den Anspruch auf einen paritätischen Vorstand haben, sind Platz 1 und 3 für weiblich gelesene Personen bestimmt“, erklärt Deiß. Würden sich keine zwei Frauen aufstellen, so bleibe der Vorstandsplatz zunächst unbesetzt: „Das gilt dann auch als Auftrag, eine Frau zu finden, die den Posten übernimmt.“
Wie befürchtet, lässt sich nur eine Frau aufstellen, Lena Schmalholz. „Ich bin es gewohnt, vor derart großen Gruppen zu sprechen. Normalerweise sind die Zuhörer aber zwischen vier und sechs Jahre alt“, stellt sich die 24-jährige angehende Erzieherin, die zukünftig den Vorstandsvorsitz des Ortsvereins innehat, vor. Für die beiden offenen Vorstandsposten lassen sich Student Gerrit Manger und Abiturient Julien Mougenot nominieren und werden gewählt. „Damit ist also ein Platz vakant geblieben. Hier muss schnellstmöglich eine weiblich gelesene Person gefunden werden“, resümiert Sitzungsleiter Deiß.
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