Schwetzingen. Sie ist groß, vornehm, prächtig, kann sehr laut oder leise sein sowie ein ganzes Orchester ersetzen: die Orgel. Vielleicht sprechen wir deshalb von der Königin der Instrumente, wobei schon Mozart 1777 an seinen Vater schrieb: „Die Orgel ist doch in meinen Augen und Ohren der König aller Instrumente“. Um das Wunderwerk Orgel vermehrt in das Bewusstsein der Bevölkerung zu tragen, wurde die Orgel als erstes Tasteninstrument von den Landesmusikräten zum Instrument des Jahres 2021 gewählt. Die Orgelmusik und der Orgelbau wurden bereits 2017 durch die Unesco als Immaterielles Kulturerbe anerkannt. Das sind Gründe genug, einen Blick auf die Schwetzinger Orgellandschaft zu werfen.
Die meisten Orgeln stehen heute in Kirchen, ursprünglich aber war die Orgel ein weltliches Instrument. Erst im 18. und 19. Jahrhundert wurde sie flächendeckend in den Gottesdienst einbezogen. Ein wahres Kleinod in Schwetzingen ist die Orgel in der Schlosskapelle. 1804 gestaltete der Architekt Friedrich Weinbrenner (1788 – 1826) die alte Schlosskapelle im Stile des Empire um und stattete sie für das Feiern von evangelischen Gottesdiensten aus.
Vorgefertigtes Pfeifenmaterial
In der Kurpfalz regierte damals das protestantische Haus Baden. Die zierliche Orgel hat 1806 der Heidelberger Andreas Ubhauser (um 1765 – 1822) gefertigt. Er zählte seiner Zeit zu den bedeutendsten Orgelbauern in Baden. Für die Orgel in der Schlosskapelle erhielt er im März 1806 den Auftrag, im Mai war sie fertig. Das war nur deshalb möglich, weil Ubhauser Pfeifenmaterial vorgefertigt hatte. Das Besondere an dieser Orgel ist, dass sie die einzige in Baden aus der Übergangszeit vom Barock zur Romantik ist und dass 90 Prozent des Instruments, das zehn Register hat, original erhalten blieb. 1974 wurde sie von der Orgelbaufirma Steinmeyer/Öttingen wieder spielbar gemacht. Die letzte umfassende Renovierung fand zwischen 1980 und 1982 statt. Der Großteil der Orgelpfeifen besteht aus Zinn, die Tastatur aus kostbarem Ebenholz. Bei Sonderführungen der Staatlichen Schlösser und Gärten oder Konzerten erklingt sie bis heute noch.
Das älteste Gotteshaus in Schwetzingen ist die Kirche St. Pankratius, die erstmals 1305 erwähnt wurde. Der barocke Bau verfügt über zwei Orgeln: eine Chor- und eine Hauptorgel. Die Chororgel befindet sich auf der linken Seitenempore und wurde im Jahre 1967 durch die Orgelbaufirma Michael Weise, Plattling gebaut. Mit ihren acht Registern unterstützt sie vor allem den Gesang im Chorraum. Die Hauptorgel auf der hinteren Empore wurde unter Verwendung eines historischen Orgelprospekts von 1767 im Jahr 2005 bei Mönch in Überlingen gebaut. Sie hat 35 klingende Register, 2207 Pfeifen aus Zinn-Legierungen und Holz. Die Spieltrakturen sind mechanisch, die Registertrakturen elektrisch. Hauptgehäuse und Prospekt wurden nach Maßgabe des von 1766 erhaltenen Unterbaus in Form und Stil zu dem vorhandenen Schnitzwerk entwickelt. Dieses Unterteil der Hauptorgel steht unter Denkmalschutz. Während der Schwetzinger Festspiele wurden in der Kirche manchmal auch Orgelkonzerte veranstaltet, die der Südwestdeutsche Rundfunk in alle Welt übertrug.
Detlev Helmer liefert den Entwurf
Im Jahr 1760 wurde die evangelische Stadtkirche im Stile der reformierten Kirche erbaut. Mit der Errichtung des Glockenturms 1888 und den Umbaumaßnahmen im Altarraum ab 1912 erfuhr sie einige tiefgreifende Veränderungen. Im Jahr 1995 erhielt die Kirche eine neue Orgel, gebaut von der Firma Förster und Nikolaus aus Lich, Hessen. Auch diese Orgel weist eine Besonderheit auf: Die Disposition basiert weitgehend auf dem Entwurf des Kirchenmusikdirektors Detlev Helmer. Die 1805 Pfeifen sind verteilt auf zwei Werke, dem Haupt- und dem Schwellwerk. Die Orgel hat 27 Register und ist vollmechanisch. Das Hauptwerk ist barock, das Schwellwerk französisch-romantisch disponiert, so dass fast die gesamte Orgelliteratur vom 16. bis zum 20. Jahrhundert darauf spielbar ist. Über das Jahr verteilt finden hier außergewöhnliche Konzerte statt, auch mit Schwetzinger Erst- und Uraufführungen, wobei verschiedene Organisten hier Orgelmusik von beeindruckender Vielfalt zu Gehör bringen.
1958 entstand im Ostteil der Stadt ein modernes Gotteshaus, die St.-Maria-Kirche. Von besonderer künstlerischen Bedeutung ist hier das Altarbild, geschaffen vom Bildhauer Oskar Steidle, aber auch der aus Eichenholz geschnitzte Kreuzweg, den der Schwarzwälder Künstler Wolfgang Kleiser gestaltet hat, sowie die Glasfenster, die auf den Kunstmaler Rainer Dorwarth zurückgehen. Die Orgel der Kirche wurde 1967 von der Firma Wolfgang Scherpf aus Speyer gebaut. Mit 31 Registern, elektrischer Spiel- und Registertraktur erzielt sie wunderbar ausgewogene Klangeigenschaften. Sie unterstützt den Gemeindegesang beim Gottesdienst, führt Konzerte durch und begleitet musikalisch Orchestermessen, die regelmäßig in der Kirche stattfinden.
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