Der jüngste Bericht des Weltklimarates (IPCC) ist nur wenige Tage alt. Es ist der sechste Sachstandsbericht und seine Botschaft ist unmissverständlich: Das Zeitfenster, das es der Menschheit erlauben würde, in einer lebenswerten Welt zu leben, beginnt sich zu schließen.
Auch die Promotionsstudentin Beatrice Ellerhoff, die den Auftaktvortrag für die Klimawoche des Grünen Kreisverbandes Kurpfalz-Hardt in Form eines Zoom-Meetings hielt, erklärte sehr eindringlich, was auf dem Spiel stehe. Wenn die Menschen nicht schnell gegensteuerten und die CO2-Emissionen massiv nach unten drückten, gerieten die Gleichgewichte, die unser zivilisatorisches Leben erlaubten, in Schieflage. Und Schieflage bedeutet hier Kollaps.
Blick auf 800 000 Jahre
Am wichtigsten war der 28-jährigen Physikerin und Klimawissenschaftlerin ein Duo aus verstehen und kommunizieren. Was die Wissenschaft mache, müsse bei den Menschen ankommen und zwar verständlich. Die Kommunikation wissenschaftlicher Erkenntnisse sei nicht erst seit Corona ein krisenbehaftetes Feld. Dabei ließ sie keinen Zweifel daran, dass sie in Sachen Wissenstransfer auf der Suche sei und auch schon ein gutes Stück Weg zurückgelegt zu haben scheint. Denn ihr Vortrag rund um die Entwicklung von Klimamodellen, Werkzeugen der mathematischen Modellierung wie Differenzialgleichungen, und Zuordnungsforschung war enorm eingängig. Viele der rund 25 Zuschauer signalisierten am Ende des Vortrages jedenfalls Verständnis. Ellerhoff gelang es, sehr komplexe Zusammenhänge für Laien verständlich zu erklären.
Seit 1850 werde die globale Mitteltemperatur registriert. Bis etwa 1970 sei da wenig Bewegung gewesen. Doch dieses Bild hat sich gewandelt. Seitdem gehe es mit der globalen Mitteltemperatur stetig nach oben. Und dieser Anstieg korreliere geradezu bedrückend exakt mit den vom Menschen verursachten CO2-Emissionen. In ihrer Arbeit nimmt Ellerhoff sogar die vergangenen 800 000 Jahre in den Blick. Mithilfe von Eisbohrkerne, eine Art natürliches Archiv des Klimas, könne sie den CO2-Gehalt des Klimas vergangener Jahrtausende sehr genau bestimmen. Dieser lag in diesen 800 000 Jahren stets zwischen 180 bis 270 „parts per million“ (ppm) – also 180 bis 270 CO2-Moleküle pro eine Million Teile. Mittlerweile sei dieser Wert bei 420 ppm angekommen. „Ein erschreckender Anstieg, den es so in diesem Tempo noch nie gab.“
Belastbare Aussagen
Problematisch, besser: gefährlich, ist dieser Anstieg, weil er sogenannte „Tipping Points“ überschreiten kann, die dann massive und unumkehrbare Änderungen auslösen. In der Systemwissenschaft spricht man von positiven Rückkopplungen, die Systemprozesse eskalieren lassen und bisherige vertraute Zustände irreversibel zerstören. Als Beispiel nutzte Ellerhoff das Abschmelzen des arktischen Meereises. Eigentlich würde das weiße Eis einen beachtlichen Teil der Sonnenenergie zurückschicken, was dazu führt, dass es kalt bleibt. Das Abschmelzen des arktischen Eises sorgt dafür, dass die dunkle Meeresoberfläche beschienen wird, was zur Folge hat, dass deutlich mehr Strahlungsenergie (Wärme) ins System gelangt. Und dieser Prozess verstärkt sich laufend mit dem schwindenden Eis. Weshalb die Erwärmung am Nordpol im Vergleich zur globalen Mitteltemperatur fast doppelt so schnell voranschreitet.
Klar: Die Wissenschaft hat nicht auf alle Fragen eine Antwort. Aber die Modelle seien für belastbare Aussagen sicher genug. Ellerhoff: „Es stimmt, was im IPCC-Bericht steht, das Zeitfenster für ein gelingendes Gegensteuern beginnt sich zu schließen.“ Wenn man vor zehn oder 20 Jahren begonnen hätte, wäre eine weiche Landung möglich gewesen. Jetzt bedarf es einer Sturzlandung. „Bis 2030 müssen wir bei den CO2-Emissionen auf Netto-Null kommen.“ Das sind nicht einmal mehr acht Jahre. Dabei setzen die Modelle für das 1,5 Grad Ziel sogar voraus, dass ab 2050 mehr CO2 aus der Luft geholt wird, als die Menschheit emittiert. Das Problem, die Menschheit verfügt noch gar nicht über die Technik, um das zu gewährleisten.
Dementsprechend düster erschien der Ausblick. Die Artenvielfalt leide massiv und für mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung (3,7 Milliarden Menschen laut IPPC) gerade in Südostasien, Afrika und Mittel- und großen Teilen Südamerikas würde es sehr schwierig. Und so müsste bereits jetzt über Anpassungen nachgedacht werden. Wassermanagement für trockene Gebiete, wie könne man weltweit die Nahrungssicherheit gewährleisten und was müsse geschehen, damit Leben in urbanen Räumen möglich bleibe. Es sind große Fragen, die Ellerhoff umtreiben. Und auch wenn es manchmal frustrierend sei, den Kopf in den Sand zu stecken sei keine Alternative. Ihr Ansatz besteht aus noch mehr forschen, Zusammenhänge noch besser verstehen und diese Zusammenhänge dann möglichst verständlich kommunizieren. Und in dieser Hinsicht war dieser Vortrag in den Augen der Zuhörer ein Hoffnungszeichen.
Die nächsten Online-Termine: „Grüne Städte“, Freitag, 4. März, um 19 Uhr, und „Das Klimaschutzgesetz: Chancen und Möglichkeiten für Kommunen“, Dienstag, 8. März, 20 Uhr. Zugangsdaten zu den Zoom-Konferenzen gibt es unter www.gruene-kurpfalz-hardt.de.
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